Politik

Menschenrechtler und Autor Türkische Justiz klagt Akhanli an

Der Kölner Autor Dogan Akhanli wird fast 20 Jahre nach seiner Flucht aus der Türkei nach Deutschland von der Vergangenheit eingeholt. Die türkische Justiz will ihm wegen Raubes und Totschlags einen Prozess machen, der nach Angaben von Akhanlis Anwälten auf konstruierten Beweisen und einer unter Folter erpressten Aussage beruht.

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(Foto: © Raimond Spekking / Wikimedia Commons / CC-BY-SA-3.0 & GFDL)

Der Fall wirft auch ein Schlaglicht auf eine politisierte türkische Justiz: Der seit Jahren in Köln lebende türkisch-stämmige Autor Dogan Akhanli muss sich vom 8. Dezember an in Istanbul vor Gericht verantworten. Seine Anwälte sprechen von konstruierten Beweisen. Die Berliner Akademie der Künste protestierte gegen die Inhaftierung.

Akhanli war am 10. August bei der Einreise nach Istanbul festgenommen worden. Er hatte seinen schwer kranken Vater besuchen wollen, der inzwischen Ende November in einem Dorf im Nordosten der Türkei gestorben ist, ohne den Sohn noch zu sehen. Akhanli war bei der Passkontrolle abgefangen und beschuldigt worden, im Jahr 1989 eine Wechselstube überfallen zu haben. Der Besitzer war damals getötet worden.

Politisches Asyl in Deutschland

Nach dem türkischen Militärputsch 1980 war Akhanli in den Untergrund gegangen. Er wurde als Mitglied der kommunistischen TDKP gesucht und 1984 verhaftet. Von 1985 bis 1987 war er in Istanbul in einem Militärgefängnis inhaftiert. In dieser Zeit wurde er auch gefoltert, wie er berichtet hat. Im Jahr 1991 setzte er sich nach Deutschland ab, wo er als politischer Flüchtling anerkannt wurde und später die deutsche Staatsbürgerschaft annahm.

Akhanli ist Mitarbeiter des Vereins "Recherche international", der sich mit der Aufarbeitung der im vergangenen Jahrhundert begangenen Völkermorde befasst und auch die Verbrechen an den Armeniern immer wieder zum Thema gemacht hat. Der 1957 in der Türkei geborene Autor hatte sich im Buch "Die Richter des Jüngsten Gerichts" selbst mit der Verfolgung der Armenier befasst.

Ehrungen und Auszeichnungen

Sein Roman "Der letzte Traum der Madonna" (2005) wurde von türkischen Kritikern zu einem der zehn besten des Jahres gekürt. In Deutschland wurden seine Projekte für einen offenen Umgang mit historischer Gewalt und für Versöhnung mehrfach ausgezeichnet, etwa vom Bündnis für Demokratie und Toleranz.

Akhanlis Anwalt Ilias Uyar sagt, es werde in der Türkei versucht, mit seinem Mandaten eine alte Rechnung zu begleichen, "auch für sein Wirken von Deutschland aus". Akhanlis Freund und Unterstützer Selami Gürel erklärt: "Es gibt keinen Grund mehr, Akhanli in Haft zu behalten. Wir erwarten, dass er nun nach dem ersten Verhandlungstag freigelassen wird."

Instabile Beschuldigungen

Der Vorwurf, Akhanli habe den Raubüberfall auf die Wechselstube verübt, stützt sich auf eine Zeugenaussage, die im Jahr 1992 unter Folter erzwungen und später zurückgenommen worden sei, wie die Anwälte Akhanlis erklären. Dies sei auch in Gutachten dokumentiert. Fingerabdrücke Akhanlis seien nicht gefunden worden, sagt die Verteidigung weiter.

Juristischen Streit gibt es auch um die Frage, ob der Sohn des Opfers Akhanli auf einem Bild als Täter identifiziert hat. "Er erklärt heute, ihm seien gar keine Bilder vorgelegt worden", sagt Rechtsanwalt Uyar.

Internationaler Protest

Die Berliner Akademie der Künste protestierte gegen die Inhaftierung Akhanlis. Die Künstlervereinigung schloss sich damit dem "immer massiver werdenden internationalen Protest gegen ein offensichtlich geplantes Gesinnungsverfahren an", wie Akademiepräsident Klaus Staeck mitteilte. Gemeinsam mit dem PEN, europäischen Menschenrechtsorganisationen, Juristenvereinigungen und vielen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens fordere die Akademie "Freiheit und Gerechtigkeit" für Akhanli.

Nach Angaben des Auswärtigen Amts in Berlin wird der Prozess genau beobachtet. Akhanli werde konsularisch betreut. Das Amt stehe in Verbindung mit den Anwälten in Köln und Istanbul. Das Ministerium habe die türkischen Behörden auf die "besonderen Umstände" des Verfahrens hingewiesen, sagte ein Sprecher.

Quelle: ntv.de, Carsten Hoffmann, dpa

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