Politik

Zugeständnisse nach blutigen Unruhen Tunesiens Präsident lenkt ein

Zerknirscht und den Tränen nahe geht Tunesiens Präsident Ben Ali in einer Rede ans Volk auf die Forderungen der Regime-Gegner ein. Die Lebensmittelpreise sollen sinken, die Gewalt der Sicherheitskräfte und die Zensur ein Ende finden. Damit reagiert der Autokrat auf die schweren Krawalle im Land, die bislang mindestens 66 Todesopfer forderten.

Anhänger des Präsidenten feiern nach Ben Alis Rede auf den Straßen der Hauptstadt.

Anhänger des Präsidenten feiern nach Ben Alis Rede auf den Straßen der Hauptstadt.

Angesichts der anhaltenden Proteste in Tunesien hat Staatschef Zine el Abidine Ben Ali die Sicherheitskräfte zu Zurückhaltung aufgerufen. Er habe das Innenministerium angewiesen, auf "ungerechtfertigte Waffengewalt" zu verzichten, erklärte der Präsident in einer Fernsehansprache. Zugleich kündigte er Preissenkungen für Grundnahrungsmittel und die Aufhebung der Internetzensur an. Bereits kurz nach der Rede waren zuvor gesperrte Onlineseiten wie Youtube wieder erreichbar.

Der 74-Jährige deutete außerdem an, bei der Präsidentschaftswahl 2014 nicht mehr zu kandidieren. Er habe nicht die Absicht, die in der Verfassung des Landes festgelegte Altersgrenze von 75 Jahren heraufzusetzen, versicherte Ben Ali.

Die Proteste, die sich ursprünglich gegen die hohe Arbeitslosigkeit richteten, konzentrierten sich immer mehr auf das Regime Ben Alis, der das Land seit 23 Jahren autoritär regiert. Nach Angaben von Menschenrechtlern kamen bei den blutigen Unruhen bisher mindestens 66 Menschen ums Leben.

Jubelfeiern mit Hupkonzert

Seit Wochen herrschen in Tunesien soziale Unruhen.

Seit Wochen herrschen in Tunesien soziale Unruhen.

Die Ansprache des Präsidenten fiel sehr emotional aus. Ben Ali wirkte zerknirscht und den Tränen nah. Er sprach erstmals im lokalen Dialekt und verzichtete auf das klassische Arabisch. Ben Ali warf Gefolgsleuten vor, ihn hintergangen zu haben. "Sie haben mich getäuscht", erklärte er. "Ich verstehe die Tunesier, ich verstehe ihre Forderungen", betonte er. "Ich bin traurig über das, was jetzt passiert nach 50 Jahren im Dienst für das Land."

Nach der Ansprache strömten Augenzeugen zufolge Hunderte von Menschen trotz einer Ausgangssperre in Tunis auf die Straßen. Nationalflaggen wurden geschwenkt, Hupkonzerte ertönten. "Es lebe Ben Ali" und "Danke Ben Ali", schallte es durch die Hauptstadt. "Wir haben diese Rede nicht erwartet", sagte ein Mann. "Das wichtigste ist: Freiheit, Freiheit, Freiheit!" Mit Najib Chebbi äußerte sich auch ein wichtiger Oppositionspolitiker positiv. "Die neue Politik in der Rede war gut, und wir warten auf die konkreten Details", erklärte er und forderte die Bildung einer Regierungskoalition.

Vor der Rede hatten die Unruhen das Zentrum von Tunis erfasst. In der Nacht wurde Augenzeugen zufolge erstmals in der Hauptstadt ein Mann bei Zusammenstößen von Demonstranten und der Polizei getötet. Augenzeugen berichteten ferner, dass in der Stadt Sliman etwa 40 Kilometer südlich von Tunis zwei junge Männer bei Zusammenstößen mit der Polizei erschossen worden seien. Dem internationalen Menschenrechtsbündnis FIDH zufolge kamen in der Nacht acht Menschen ums Leben, 50 wurden verletzt.

EU setzt Tunesien unter Druck

Nach Berichten französischer Medien war mit dem 60 Kilometer südlich von Tunis gelegenen Badeort Hammamet erstmals auch ein touristisches Zentrum von den Unruhen betroffen. Mehrere Läden seien geplündert und eine Polizeistation zerstört worden, berichtete der Sender Europe1. Hotels seien aber nicht angegriffen worden, hieß es weiter.

Wegen der Unruhen hat das Auswärtige Amt in Berlin von Reisen in das nordafrikanische Touristenland abgeraten. Reiseveranstalter schätzen, dass sich etwa 10.000 Urlauber in Tunesien aufhalten. Für Kunden, die ihren Urlaub in dem nordafrikanischen Land gebucht haben, bieten viele Veranstalter Umbuchungen an.

Die EU drängt Tunesien zu Reformen. Dies sei angesichts der Unruhen das Hauptziel des Dialoges mit dem Land, erklärte eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton. Die EU unterstütze alle Initiativen, die eine demokratische Öffnung Tunesiens sowie den Respekt der Grundrechte förderten.

Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP

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