Neue polnische Regierung Tusk löst Kaczynski ab
16.11.2007, 15:33 UhrKnapp vier Wochen nach der Abwahl der nationalkonservativen Kaczynski-Regierung hat in Polen eine Koalitionsregierung unter dem Liberalkonservativen Donald Tusk ihr Amt angetreten. Präsident Lech Kaczynski ernannte den 50-jährigen Vorsitzenden der Bürgerplattform (PO) in Warschau zum neuen Regierungschef. Tusk löst als Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski ab, den Zwillingsbruder des Präsidenten. Der neuen Koalition gehört neben der PO die Polnische Bauernpartei (PSL) an, die 3 der 17 Minister stellt. Die Regierung von Tusk verfügt im Parlament über eine solide Mehrheit von 240 der 460 Sitze.
Lech Kaczynski gratulierte dem neuen Ministerpräsidenten. Zugleich hob er demonstrativ die Leistungen der alten Regierung seines Bruders hervor. Seit dem Wahlsieg Tusks vor rund einem Monat hatte es der Staatspräsident vermieden, dem Wahlsieger zu gratulieren.
Tusk erklärte, seine Minister seien "gut vorbereitet und anständig". "Die Staatsmacht soll den Menschen dienen und nicht sie beherrschen", fügte er hinzu. Unter seiner Regierung werde Polen "ein Zuhause für alle sein, unabhängig von politischen Ansichten". Sein Kabinett wolle sich vor allem mit "Gesundheit, Gehältern und innerer Sicherheit" beschäftigen. In einer Woche will Tusk im Parlament sein Programm vorstellen und die Vertrauensfrage stellen.
In der Koalitionsregierung hat die PO alle Schlüsselministerien inne, darunter das Außen-, das Innen-, das Finanz- und das Verteidigungsressort. Die PSL stellt unter anderem den Landwirtschafts- und den Arbeitsminister. PSL-Chef Waldemar Pawlak ist als stellvertretender Ministerpräsident für die Wirtschaft verantwortlich. Im Kabinett sind auch parteilose Experten. Zu ihnen gehört Umweltminister Maciej Nowicki, Träger des Deutschen Umweltpreises von 1996.
Nach der Ernennung im Präsidentenpalast fuhren Tusk und seine Minister in einem Kleinbus in die Regierungszentrale, um die Amtsgeschäfte zu übernehmen. Der abgewählte Regierungschef Kaczynski war wegen Urlaubs nicht anwesend. Er hinterließ seinem Nachfolger einen Brief mit Erfolgswünschen, der aus drei Sätzen bestand. Am Nachmittag trat Tusks Kabinett zur ersten Sitzung zusammen, um über den Haushaltsentwurf für 2008 zu beraten. Das Etatgesetz muss bis Ende Januar dem Staatspräsidenten übergeben werden, sonst kann dieser das Parlament auflösen.
Der neue Außenminister Radoslaw Sikorski kündigte auf seiner ersten Pressekonferenz einen "neuen Stil" in der polnischen Außenpolitik an. Sein erster Gesprächspartner nach der Ernennung werde Wladyslaw Bartoszewski sein, ehemaliger Chef des Außenamtes und ausgewiesener Kenner Deutschlands. Tusk hatte die Kandidatur des früheren Kriegsreporters durchgesetzt, obwohl der Präsident Sikorskis Qualifikationen für das Amt öffentlich in Frage gestellt hatte. Die jetzt abgelöste Kaczynski-Regierung hatte sich in der EU als äußerst schwieriger Verhandlungspartner erwiesen und mehrmals mit einem Veto gedroht.
Quelle: ntv.de