"Was für ein loses Gerede" Biden zeigt Zähne
12.10.2012, 07:20 Uhr
Die Vize-Kandidaten für die US-Präsidentenwahl liefern sich bei der TV-Debatte einen lebhaften Schlagabtausch. Vize-Präsident Biden zeigt sich angriffslustig und versucht, seinen Kontrahenten Ryan in die Defensive zu drängen. Allerdings muss Biden wegen seines Lächelns später einigen Spott einstecken.
US-Vizepräsident Joe Biden hat dem republikanischen Präsidentschaftsduo Mitt Romney und Paul Ryan eine sozial ungerechte Steuerpolitik vorgeworfen. "Sie nehmen die Mittelschicht als Geisel, um die Steuern für die Superreichen zu senken", sagte Biden bei dem Fernsehduell mit Vizekandidat Ryan in Danville im Bundesstaat Kentucky. Unter Präsident Barack Obama würde dagegen der wohlhabendste Teil der US-Bevölkerung "etwas mehr zahlen", um die Mittelschicht zu entlasten und dem Land aus der Krise zu helfen.
Ryan entgegnete, dass die republikanischen Steuerpläne zu mehr Wachstum und Arbeitsplätzen führten. Schätzungen würden von sieben Millionen neuen Jobs ausgehen, sagte er. Zugleich bestritt er, dass die Steuerlast der Reichen sinken werde, da Romney Schlupflöcher im Steuerrecht schließen werde. "Wir haben unterm Strich drei Punkte", sagte Ryan. Das Haushaltsdefizit dürfe nicht steigen, die Steuern für die Mittelschicht nicht erhöht werden und der Beitrag der Menschen mit hohem Einkommen zu den Staatseinnahmen nicht sinken.
Streit um die "47 Prozent"
Biden nahm in der Debatte die umstrittene Aussage Romneys über die "47 Prozent" der Wähler ins Visier, die keine Steuern zahlten und wegen ihrer Abhängigkeit vom Staat ohnehin für Obama stimmen würden. "Diese Leute sind meine Mutter und mein Vater, meine Nachbarn", sagte der Vizepräsident. "Sie zahlen mehr Steuern als Gouverneur Romney."
Romney war wegen seiner Verschwiegenheit zu seinen Steuererklärungen in die Kritik geraten. Der Multimillionär hatte lediglich offengelegt, in den Jahren 2010 und 2011 Steuersätze von um die 14 Prozent gezahlt zu haben. Die Steuerbescheide aus früheren Jahren hält Romney dagegen unter Verschluss. Dies nährte Spekulationen, dass der Republikaner womöglich Geld am US-Fiskus vorbei in Steueroasen geparkt haben könnte.
Biden und Ryan lieferten sich auch einen Schlagabtausch über die Außenpolitik. In den ersten Minuten der Debatte warf der 42-jährige Republikaner Obama vor, die USA in der Welt als eine schwache Nation darzustellen. Dies ließ der 69-jährige Biden nicht auf sich sitzen: "Mit allem Respekt, das ist vollkommener Quatsch!"
Die Ausführungen Ryans zum Thema Libyen und Nahost kritisierte Biden scharf: "Was für ein Haufen Schwachsinn ... Nicht ein einziges Wort daran ist wahr." Zudem hielt er den Republikanern vor, die Bedrohung durch das iranische Atomprogramm zu übertreiben. "Was für ein loses Gerede", sagte Biden.
Patzer bleiben aus
Beide Kontrahenten waren vor allem anfangs sichtlich nervös und versprachen sich mehrfach. Kommentatoren wiesen darauf hin, dass Biden seinen Kontrahenten häufig unterbrach und ein demonstrativ breites Lächeln aufsetzte, wenn der Jüngere sprach. Weder Biden noch Ryan leisten sich aber echte Patzer. Es gab auch keinen eindeutigen Sieger oder Verlierer der Debatte.
Allerdings musste Biden mit seinem wiederholten Lachen und Belächeln des politischen Gegners in der TV-Debatte viel Spott einstecken. "Bidens Lächeln ist außer Kontrolle geraten", stellte der Kommentator des Senders NBC, David Gregory, fest. Der politische Gegner griff Bidens auffälliges Verhalten dankbar auf. "Sein Lachen und sein herablassendes Verhalten ist ein Disaster", schrieb der politische Berater der Republikaner, Brad Dayspring.
Die Debatte war wesentlich lebhafter als das Duell zwischen Obama und seinem Herausforderer Mitt Romney vor einer Woche. Verglichen mit seinem Vize hatte Obama vor einer Woche einen eher schwachen und müden Eindruck gemacht. Romney war als klarer Sieger aus der Debatte hervorgegangen und verzeichnete seitdem in Umfragen deutlich steigende Popularitätswerte.
Obama und Romney zufrieden
Nach der Debatte zwischen Biden und Ryan zeigten sich sowohl Obama als auch Romney zufrieden. "Ich bin sehr stolz auf ihn", sagte Obama mit Blick auf Biden. Bei einer eher ungewöhnlichen Erklärung direkt unter dem Flügel der Präsidentenmaschine lobte Obama seinen Vizepräsidenten vor allem für seinen Einsatz für die Mittelschicht. Obama kam gerade von einer Wahlkampfreise aus Miami zurück, er verfolgte das Fernsehduell an Bord der Air Force One.
Auch Romney zeigte sich höchst zufrieden mit seinem Vize. Er habe Ryan bereits angerufen und ihm gesagt, dass "seine Familie stolz auf ihn" sein könne, erklärte der republikanische Herausforderer. Ryan habe sich "phantastisch" geschlagen.
Nach der enttäuschenden Vorstellung von Obama beim ersten Fernsehduell mit dem Republikaner Mitt Romney stand Biden unter Druck, mit seinem Auftritt wieder einen Vorsprung herauszuarbeiten. Gegenwärtig liegt Obama in Umfragen leicht hinter Romney. Biden und Ryan haben im Wahlkampf bislang einen aggressiveren Ton angeschlagen als Obama und Romney.
Biden saß ein Vierteljahrhundert im Senat, auch als Vorsitzender der Ausschüsse für Auswärtiges und Justiz. Bei der Wahl vor vier Jahren machte er bei seiner Debatte mit Sarah Palin eine gute Figur und zeigte sich bei seiner gescheiterten Präsidentschaftsbewerbung als starker Redner. Ryan hat dagegen vergleichsweise wenig Erfahrung mit derartigen Debatten. Er gilt als Experte für Haushaltsfragen und eher schwach in der Außenpolitik.
In diesem Jahr gab es nur eine Debatte der Vize-Kandidaten. Am 16. und 22. Oktober finden dann zwei weitere TV-Duelle zwischen Obama und Romney statt. Die Wahl selbst ist am 6. November. Alles deutet derzeit auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hin.
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP