US-Wahl

TV-Duell im US-Wahlkampf Heißlüfter debattiert mit Clown

Bill O'Reilly und Jon Stewart reden frei von der Leber weg.

Bill O'Reilly und Jon Stewart reden frei von der Leber weg.

Zwei TV-Schwergewichte beweisen, wie erhellend politische Debatten sein können: Der konservative TV-Talker Bill O'Reilly und Comedian Jon Stewart liefern sich im Internet ein großartiges Rededuell. Der eine spricht für die rechten, der andere für die linken USA. Profitiert haben dürfte am Ende das ganze Land.

Man stelle sich vor: eine Präsidentschaftsdebatte in den USA, bei der beide Kandidaten einfach mal ganz offen und ehrlich sind. Barack Obama wirft den schlecht sitzenden Mantel des unparteiischen Messias' ab und spricht frei von der Leber weg, und Mitt Romney legt sich endlich mal auf ein paar Ansichten fest, ohne gleich den Zorn seiner radikalisierten Partei fürchten zu müssen. Eine Vorstellung, die bis November wohl kaum Realität wird, zu eng ist das politische Korsett, das die beiden Kandidaten tragen. Doch zum Glück ist die Reservebank des amerikanischen Polit-Zirkus gut aufgestellt.

Am Samstagabend erfolgte der von vielen Wählern herbeigesehnte Doppelwechsel: Bill O'Reilly und Jon Stewart bekamen Zeit hinter dem Rednerpult. Oder vielmehr: Sie wechselten sich einfach selber ein. Bei einer mal lustigen, mal ernsten Debatte krachten zwei der faszinierendsten Egos der Unterhaltungsindustrie aufeinander. Der konservative Scharfmacher O'Reilly auf der einen Seite, der liberale Satiriker Stewart auf der anderen. Das Ergebnis war eine Show, die zwischen schweren Inhalten und leichten Albernheiten hin und her wechselte - und die mehr über den aktuellen Zustand des Wahlkampfes verriet als alle politischen Werbespots, Spendengalas und Politikerauftritte zusammen.

Krawallmacher gegen Humor-Zwerg

O'Reilly, seit Jahren ein besonders meinungsstarkes Zugpferd des TV-Senders Fox News, kam vorbereitet. Für fast jedes Thema hatte er Karten mit simplen Slogans vorbereitet, dazu eine Kladde mit Notizen. Stewart stolzierte mit leeren Händen auf die Bühne, er hatte sich lediglich eine Hebebühne besorgt, um mit dem drei Köpfe größeren O'Reilly auf Augenhöhe zu diskutieren.

So klar wie der Größenunterschied war auch die Rollenverteilung. O'Reilly gab erwartungsgemäß den rechten Populisten, der "20 Prozent der Bevölkerung" für arbeitsscheue Schmarotzer hält - eine geringfügige Korrektur zu Romneys "47 Prozent"-Fiasko. Obama hielt er vor, dieser habe "mehr Schulden gemacht als alle Präsidenten vor ihm zusammen ", während der Einfluss der USA im Ausland unter seiner Beschwichtigungskultur gelitten habe.

"Bürgermeister des Bullshit-Berges"

Die Debatte endete nur leidlich versöhnlich.

Die Debatte endete nur leidlich versöhnlich.

Stewart hingegen spielte wie immer den medienkritischen Satiriker und ernannte seinen "guten Freund Bill O'Reilly" zum "Bürgermeister des Bullshit-Berges", zum Chefideologen des konservativen Paralleluniversums auf Fox News. Dort würden "Probleme überbetont und die Lösungen dafür vereinfacht", sagte Stewart mit staatsmännischer Bassstimme, und er fügte hinzu: "Aber ich glaube, heute Abend werden wir dich von diesem Berg herunterholen."

Ein Versprechen, das Stewart genauso wenig einhalten konnte wie Obama das von "Hoffnung und Wandel". So wie der Präsident und sein Herausforderer schienen Stewart und O'Reilly in zwei völlig verschiedenen Staaten zu leben - oder zumindest leben zu wollen.

Als O'Reilly einmal zu oft die heilende Kraft des freien Marktes beschwor und Sozialhilfeempfängern eine "griechische Lebenseinstellung" vorwarf, reagierte Stewart mit leidenschaftlicher Occupy-Rhetorik. "Warum ist man ein smarter Geschäftsmann, wenn man Löcher im Steuersystem ausnutzt, aber ein Schmarotzer, wenn man Hilfe annimmt, um nicht zu verhungern?" Auch bei O'Reillys Kritik an der Finanzierung des halbstaatlichen öffentlichen Rundfunks, in seinen Augen "Robin Hood auf Steroiden", hatte Stewart einen passenden Konter parat. Wenn O'Reilly sein hart verdientes Geld nicht für Medien ausgeben will, die ohnehin nur rund 130 Millionen Dollar im Jahr vom Staat bekommen, dann wolle er, Stewart, seinen Anteil an den 800 Milliarden zurück, die der Irakkrieg gekostet hat. Und Ölkonzerne wie Exxon Mobil würden ja auch Millionen an Subventionen bekommen. "Die Welt ist so einfach", schob Stewart hinterher", "wenn man sie durch eine Klopapierrolle hindurch betrachtet."

Momente, in denen der erfolgreichste Fernsehkomiker der USA die rote Clownsnase abstreifte und zum leidenschaftlichen Sozialpolitiker wurde. Wenige Tage zuvor hatte Stewart den zehnten Emmy in Folge abgeräumt. Auf der Bühne in Washington zeigte er einmal mehr, warum seine "Daily Show" auf Comedy Central trotz ihres Überangebotes an kindischem Klamauk (Penis-Witze im Überfluss) zu den besten Informationssendungen im US-Fernsehen zählt. Wenn es um Fakten, Zahlen und Zusammenhänge geht, kann kaum einer Stewart das Wasser reichen. Als O'Reilly zum wiederholten Male über die Unfähigkeit der Regierung dozierte, erinnerte ihn Stewart kurzerhand an dessen eigene Herkunft. Schließlich war O'Reilly einst in Levittown bei New York aufgewachsen, einer mit Staatsgeldern kofinanzierten Planstadt, die zur Mustersiedlung für das ganze Land wurde.

Ehrlicher als Romney

Per Hebebühne brachte sich Jon Stewart auf Augenhöhe.

Per Hebebühne brachte sich Jon Stewart auf Augenhöhe.

Dem menschlich schwierigen O'Reilly musste man zugute halten, dass er sich auch unter Druck treu bleibt: Stewart hatte wenig Mühe, ihn in die Rolle des verärgerten weißen Mannes zu zwingen. Die nämlich nimmt O'Reilly freiwillig an, auch deshalb, weil er sie nicht wirklich spielen muss. Der 63-Jährige teilt die diffusen Ängste der konservativen USA, wo Veränderung mit Misstrauen begegnet und wo der Glaube an die Väter der Verfassung nur durch den Glauben an den Vater im Himmel übertrumpft wird. Es ist die Wählergruppe, die den harten Kern der Republikaner ausmacht und die Romney am 6. November unbedingt gewinnen muss.

Doch so ehrlich, wie O'Reilly mit ihnen spricht, wird es Romney wohl nie tun, jedenfalls nicht öffentlich. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass er seine harten Positionen vom Vorwahlkampf wieder aufweicht. Die Wohltaten von Obamas viel kritisierter Gesundheitsreform will er nun doch behalten und von Steuererleichterung für Superreiche will Romney nichts mehr hören. Trotzdem sollen alle weniger an den Fiskus abgeben, auch die Industrie und der Finanzsektor, während das Militär noch mehr Geld erhalten soll als bisher. Wie er für all das bezahlen soll, sagt Romney nicht. Unabhängige Experten stellen unterdessen Rechnungen auf, die sehr viel konkreter sind als der Kandidat selbst: Am Ende zahle der Mittelstand, so das Ergebnis, und die Geringverdiener seien sich dann noch mehr selbst überlassen als ohnehin schon.

Leidenschaftlicher als Obama

Doch Obama fiel zu all dem in der ersten TV-Debatte kaum etwas ein. Statt Romneys Plänen auf den Zahn zu fühlen, lieferte der als großer Redner gefeierte Präsident eine lustlose Vorstellung ab.

Nicht so Jon Stewart: Der zeigte eine demokratisch-blaue Leidenschaft, die viele Obama-Anhänger derzeit bei ihrem Kandidaten vermissen. Trotzdem ging es Stewart am Ende nicht um einen argumentativen K.o.-Sieg. Und das, obwohl das Event als "Rumble 2012" angepriesen wurde, eine Referenz zum "Rumble in the Jungle", dem Jahrhundertkampf zwischen Muhammad Ali und George Foreman. "Bill sagt ehrlich seine Meinung", lobte Stewart auf Nachfrage der Moderatorin. "Diese Vorstellung, dass man mit jemandem, der deine Meinung nicht teilt, nicht reden kann, ist lächerlich." O'Reilly tat sich seinerseits ein bisschen schwer, Nettigkeiten zu verteilen, als er eine gute Seite an seinem vielleicht schärfsten Kritiker nennen sollte. "Stewart trifft sich morgen mit verwundeten Veteranen", sagte er schließlich anerkennend. Die 1500 Zuschauer im ausverkauften Auditorium der Washington University jubelten.

Vorlage für nächste Präsidentschaftsdebatte

"Sich uneinig sein, ohne dabei unerträglich zu sein", dieses Ziel hatte Obama vor vier Jahren ausgegeben. Der aktuelle Wahlkampf zeigt: Es ist nichts daraus geworden. Zu groß ist der Unterschied zwischen Konservativen und Liberalen geworden, zu negativ der Ton zwischen den beiden großen Volksparteien.

Und natürlich lagen auch Jon Stewart und Bill O'Reilly am Schluss genauso weit auseinander, wie zuvor. Nur konnten sie am Ende eine 90-minütige Unterhaltung mit ehrlichem Inhalt und noch mehr Unterhaltungswert vorweisen. Das müssen ihnen Barack Obama und Mitt Romney erst noch nachmachen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen