US-Wahl 2024

Schmutziger Wahlkampf droht Trumps Anti-Harris-Kampagne läuft schon heiß

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Im Wahlkampf: Kamala Harris.

Im Wahlkampf: Kamala Harris.

(Foto: picture alliance / abaca)

Scheinbar nahtlos schwenkt Trumps Wahlkampf-Team nach Bidens Rückzug auf Kamala Harris um. Bereits jetzt sind die Attacken heftig. Sogar eine jahrzehntealte Liebesbeziehung ist plötzlich Thema. Es könnte noch viel schmutziger werden.

Alles war vorbereitet. Nur wenige Minuten, nachdem Joe Biden seinen Verzicht auf die US-Präsidentschaftskandidatur offiziell gemacht hatte, schaltete das "Republican National Committee" in wichtigen Swing States Fernseh- und Online-Werbung mit dem Titel: "Die Wahrheit über Kamala Harris." "Wenn Sie sich je gefragt haben, wie Joe Biden die Grenze so vermasseln konnte, denken Sie daran: Er hatte Hilfe", steigt die Off-Stimme ein.

Das Video macht Harris für die "Flutung" der US-Südgrenze mit illegalen Migranten verantwortlich. In einem gezeigten Interviewschnipsel wirkt es so, als wüsste sie nicht, ob sie jemals an der Grenze war. Zudem wird behauptet, sie habe als Staatsanwältin in San Francisco "illegal immigrierten Drogendealern" Ausbildungsprogramme ermöglicht und deren Kriminalakte weißgewaschen. Angeblich habe ein von Harris befreiter illegaler Immigrant einen SUV gestohlen und eine junge Frau überfahren.

Dazwischen wird immer wieder eine laut lachende Harris eingespielt. Eine Charaktereigenschaft, die Trump jüngst bei einer Wahlveranstaltung aufgriff. "Haben Sie sie lachen sehen? Sie ist verrückt. An einem Lachen kann man viel erkennen. Sie ist verrückt", sagte Trump und verpasste ihr den Spitznamen "Lachende Kamala".

"Wir sind zu hundert Prozent bereit"

Trumps Wahlkampfteam hatte sich in den vergangenen Monaten vollumfänglich auf US-Präsident Biden eingeschossen: auf sein Alter, seine Patzer und Aussetzer, seine vermeintlich katastrophale Politik. Im Hintergrund bereitete man sich zuletzt allerdings auch auf seinen Rückzug vor. "Seien Sie versichert, wir sind zu hundert Prozent bereit", sagte Trumps leitender Berater Tony Fabrizio auf dem Parteitag der Republikaner vergangene Woche laut der Nachrichtenagentur AP. Anti-Harris-Videos stünden in den Startlöchern. Auch wenn Harris noch nicht offiziell als Kandidatin feststeht: Trumps Strategen legten nach Bidens Entscheidung sofort los.

Einige Vorwürfe gegen Biden werden nun schlicht auf seine Vizepräsidentin umgemünzt. Trumps zweiter Mann J. D. Vance schrieb auf X, Harris habe "Bidens Politik der offenen Grenzen und des grünen Betrugs mitunterzeichnet, die die Kosten für Wohnraum und Lebensmittel in die Höhe getrieben hat". Sie sei "für all diese Misserfolge verantwortlich". Andere Vorwürfe werden einfach reaktiviert, etwa, sie sei als Generalstaatsanwältin von Kalifornien zu lasch mit Drogen-Ersttätern umgegangen. Das wurde ihr schon bei den demokratischen Vorwahlen 2020 nachgesagt.

Im Zentrum der Attacken auf Harris steht die Situation an der Grenze zu Mexiko. Die Migration ist eines der wichtigsten Wahlkampfthemen der Republikaner. Als Vizepräsidentin hatte Harris den Auftrag, die illegalen Grenzübertritte zu reduzieren und Fluchtursachen in Lateinamerika zu bekämpfen, mit mäßigem Erfolg. Auf einer Wahlkampfveranstaltung Anfang Juli sagte Trump, Harris sei für die "schlimmste Grenze" der Geschichte verantwortlich. Auch für den Ukraine-Krieg gab er Harris eine Mitverantwortung. Sie habe dabei "versagt", Russland vom Angriff auf die Ukraine abzuhalten, so Trump.

Harris soll Bidens Zustand verschwiegen haben

Überdies bemühen die Republikaner die Theorie, Harris habe den geistigen Zustand Bidens verschleiert. Die mit Trump verbundene Lobbygruppe "Make America Great Again Inc." veröffentlichte umgehend nach Bidens Rückzug Anzeigen in den Bundesstaaten Pennsylvania, Georgia und Arizona, in denen die Behauptung aufgestellt wird, Harris habe an Bidens Gesundheit gezweifelt. Zugleich habe sie versucht, geheim zu halten, wie es wirklich um den US-Präsidenten steht. Eine anonyme Quelle aus dem Umfeld der Lobbygruppe sagte ABC News, man wolle die Kampagne ausweiten. "Es wird in der Demokratischen Partei ein enormes Chaos geben und unsere Aufgabe ist es nun, das auszunutzen."

Trump wäre nicht Trump, wenn er nicht schon längst dabei wäre, ebenjenes Chaos auszuschlachten. Dass Biden sich im Wahlkampf zum Verteidiger der Demokratie aufgeschwungen hatte, ist für ihn eine Steilvorlage. "Die Demokraten haben Biden das Rennen gestohlen, nachdem er es in den Vorwahlen gewonnen hatte", schrieb Trump bei Truth Social. "Diese Leute sind die wahre Gefahr für die Demokratie!" Mit Beleidigungen geizt er ebenfalls nicht, nennt Harris "gescheitert und unfähig" sowie "dumm wie ein Stein".

Trump-Team hoffte wohl auf Biden

Es wirkt so, als habe die republikanische Wahlkampfmaschine flexibel auf die voraussichtliche neue Gegenspielerin Trumps reagiert. Wunschkandidatin war sie laut einem Bericht der "New York Times" jedoch nicht. Demnach hatte man in Trumps Wahlkampfteam gehofft, dass Biden auf dem Parteitag der Demokraten offiziell nominiert wird und die Attacken gegen ihn nach dem desaströsen TV-Duell heruntergefahren. Das Kalkül: Die durchwachsenen Zustimmungswerte und die verbreiteten Zweifel an seiner Fitness würden Biden mehr oder weniger von selbst erledigen.

Harris war in der Wahlkampf-Rhetorik lediglich Begleiterscheinung. Erst, als Bidens Rückzug möglich schien, habe es "ein plötzliches Gefühl der Dringlichkeit, Kamala Harris zu definieren und ein glanzloses Image zu zementieren" gegeben, sagte Liam Donovan, ehemaliger Berater des National Republican Senatorial Committee, der Zeitung.

"Harris ist in vielen Bereichen der amerikanischen Öffentlichkeit ohne Profil", sagte der Politikwissenschaftler Thomas Jäger zu ntv. Dies sei einerseits eine Chance für Harris, den US-Amerikanern ein Angebot zu machen, andererseits aber auch eine Chance für Trump, Harris zu definieren. "Das versucht er, in dem er sie jetzt als eine Frau charakterisieren will, die man nicht ernst nehmen kann", so Jäger.

In Trumps Umfeld gehe derweil die Furcht um, Harris könnte Trump gefährlicher werden als Biden, berichtet die "New York Times" unter Berufung auf nicht namentlich genannte Trump-Mitarbeiter. Etwa beim Abtreibungsrecht, mit dem die Demokraten bei den Zwischenwahlen 2022 punkten konnten, oder mit Blick auf die zahlreichen Klagen gegen Trump.

Vance nannte Harris "kinderlose Katzenfrau"

Jedenfalls steht dem republikanischen Kandidaten nun eine deutlich jüngere, schwarze Frau gegenüber. Beobachter erwarten, dass dieser Umstand den Wahlkampf der nächsten Wochen und Monaten beeinflussen wird. "Werden ihre Rasse und ihr Geschlecht ein Thema sein? Auf jeden Fall", sagte die politische Strategin LaTosha Brown der Nachrichtenagentur Reuters. Trump-Vize Vance war Harris bereits 2021 sexistisch angegangen. Sie sei eine "kinderlose Katzenfrau", unzufrieden mit ihrem Leben und zeige keinen Einsatz für Amerika, weil sie keine Mutter sei.

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Eine Studie des Wilson Centers identifizierte Harris 2021 als die US-Politikerin, die am meisten von Hasskommentaren betroffen war. Und kaum hatte Biden seinen Verzicht verkündet, fluteten rechte Influencer das Internet mit teils aberwitzigen Verschwörungsmythen. So soll Harris als Escort gearbeitet haben, außerdem wird ihr Kontakt zum mutmaßlichen Sexualstraftäter P. Diddy angedichtet. Gefälschte Fotos zeigen sie mit Jeffrey Epstein. Trump-Unterstützer Elon Musk verbreitete auf X die Behauptung, Harris werde von der Familie des jüdischen Milliardärs George Soros kontrolliert. Belege für all das gibt es nicht.

Ausgegraben wurde zudem eine kurze Beziehung von Harris aus ihrer Zeit als Staatsanwältin mit dem kalifornischen Politiker Willie Brown Mitte der 1990er Jahre. X-Accounts mit hoher Reichweite behaupten, Harris sei eine Affäre des verheirateten Brown gewesen, dabei war der längst geschieden. Im Gegenzug zur Beziehung soll Brown die politische Karriere von Harris protegiert haben. Auf Truth Social griff Trump diese Behauptung bereits auf, bezeichnete Harris sarkastisch als "hochtalentiert". Wer daran Zweifel habe, solle doch ihren "Mentor" fragen, "den großen Willie Brown aus San Francisco".

Quelle: ntv.de

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