USA größter Waffenlieferant Was die Midterms für die Ukraine bedeuten
18.11.2022, 14:57 Uhr
Viele Waffen, mit denen sich die Ukraine gegen Russland wehrt, bekommt Kiew aus den USA geliefert.
(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)
Ein Erdrutschsieg der Republikaner bei den US-Zwischenwahlen ist ausgeblieben. Im Gegenteil: Die Demokraten kontrollieren weiter den Senat und verlieren entgegen der Erwartungen "nur" die Mehrheit im Repräsentantenhaus. Darüber wird sich auch die ukrainische Regierung in Kiew freuen.
"Unter den Republikanern wird kein einziger Penny an die Ukraine gehen. Unser Land steht an erster Stelle." Das hat Marjorie Taylor Greene im Wahlkampf vor den Midterms, den amerikanischen Zwischenwahlen, gesagt. Die 48-jährige Republikanerin ist eine radikale Kongressabgeordnete, Verschwörungstheoretikerin, eine der treuesten Trump-Anhängerinnen in ihrer Partei und gegen weitere Militärhilfen für Kiew.
Die Drohung von Marjorie Taylor Greene wird aber nicht Realität. Die USA werden die Ukraine auch weiterhin unterstützen.
Denn die "rote Welle" oder gar der "rote Tsunami" ist bei den Zwischenwahlen in den USA ausgeblieben. Die Republikaner haben bei den Midterms viel schlechter abgeschnitten als erwartet. Nach dem Ende zweier Auszählungsmarathons in Arizona und Nevada ist klar: Die Demokraten haben in beiden Staaten umkämpfte Senatorensitze gewonnen und damit auch in den nächsten zwei Jahren 50 Sitze im US-Senat sicher, behalten also die Kontrolle.
Georgia nicht mehr entscheidend
Damit ist nur noch ein Platz im US-Senat offen. Am 6. Dezember treten der amtierende Senator Raphael Warnock von den Demokraten und der republikanische Kandidat Herschel Walker in Georgia bei einer Stichwahl gegeneinander an. Im ersten Wahlgang haben beide weniger als 50 Prozent der Stimmen bekommen. Aber selbst wenn es Herausforderer Walker - einem strammen Trump-Mann - gelingen sollte, den Senatorenposten in Georgia zu holen, reicht das 50-50-Patt den Demokraten immer noch für die Kontrolle über den Senat. In diesem Fall hat Vizepräsidentin Kamala Harris die entscheidende Stimme bei Abstimmungen. So wie in den vergangenen zwei Jahren auch.
Die volle Kontrolle über die US-Politik haben die Demokraten aber trotzdem nicht mehr. Bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus haben die Republikaner die Mehrheit zurückgewonnen. Doch der Sieg in einer der beiden Kammern ist ein schwacher Trost. Vor allem die von Donald Trump unterstützten MAGA-Kandidaten ("Make America Great Again") und auch der Ex-Präsident selbst, waren vor den Zwischenwahlen überzeugt, dass es eine rote Welle geben werde, einen haushohen Republikaner-Sieg.
Kein "Blankoscheck" für die Ukraine?
Denn nur mit der Kontrolle über beide Kammern hätten die Republikaner jedes politische Vorhaben von den Demokraten und US-Präsident Joe Biden blockieren können. Zum Beispiel in der Ukraine-Politik, die im Wahlkampf nicht nur Marjorie Taylor Greene infrage gestellt hatte. Auch Kevin McCarthy, Fraktionschef der Republikaner im Repräsentantenhaus, hatte vor den Wahlen angekündigt, dass die Republikaner der Ukraine keinen "Blankoscheck" ausstellen werde.
Die Ukraine sei wichtig, aber die Biden-Regierung kümmere sich zu wenig um die eigenen Landsleute, werfen die Republikaner ihrem politischen Gegner vor.
Das ließ die Ukraine natürlich aufhorchen. Schließlich bekommt das Land aus keinem anderen Land so viele Waffen und so viel Geld wie aus den Vereinigten Staaten. Militärbeobachter sind sich einig, dass amerikanisches Gerät wie die HIMARS-Raketenwerfer großen Anteil an den bisherigen ukrainischen Erfolgen hatte. Bröckelt die US-Unterstützung, dürfte davon nur der russische Präsident Wladimir Putin profitieren.
Radikale Trump-Anhänger verlieren Einfluss
Das Weiße Haus teilte aber bereits vor den Zwischenwahlen mit, dass sich an der Unterstützung für die Ukraine nichts ändern werde. Man werde auch weiterhin "unerschütterlich und unbeirrt" helfen, kündigte Biden-Sprecherin Karine Jean-Pierre an. "Die Vereinigten Staaten werden die Ukraine weiterhin in einer Reihe von Bereichen unterstützen. Die Mitglieder des Kongresses, Republikaner und Demokraten, haben ihre Unterstützung für die Ukraine klar zum Ausdruck gebracht. In jedem Fall ist Präsident Biden entschlossen, mit allen Parteien zusammenzuarbeiten."
Vor allem, weil die Wählerinnen und Wähler bei den Midterms viele republikanische Hardliner abgestraft haben, ist davon auszugehen, dass die USA die Ukraine weiterhin so stark unterstützen wie bisher.
Denn, ob und - wenn ja - wie stark die Ukraine-Hilfen künftig eingeschränkt werden, hängt nämlich vor allem von der Macht der radikalen Trump-Anhänger ab. Und deren Einfluss dürfte nach den schwachen Ergebnissen bei den Midterms eher gesunken sein.
Biden muss mit Republikanern zusammenarbeiten
Dennoch wird das Regieren für Präsident Biden ohne die Kontrolle über beide Kammern natürlich komplizierter. Er ist zur Kooperation mit den Republikanern gezwungen. "Will er weiterhin mit ordentlichen Gesetzen das Land regieren, dann muss er mit Republikanern zusammenarbeiten und muss darauf hoffen, dass sie mit ihm zusammenarbeiten. Die Republikaner werden von ihm viel verlangen. Das ist politische Tradition in den USA, denn Mehrheiten bekommt man bekanntlich nicht geschenkt", analysiert ntv-USA-Korrespondent Christopher Wittich.
Für Biden ist der Weg der Kooperation die einzige Möglichkeit, um halbwegs ungestört weiter regieren zu können. Und es sieht gut aus, dass Biden seine Ukraine-Politik auch ohne demokratische Kontrolle im Repräsentantenhaus fortsetzen kann. Kevin McCarthy jedenfalls hat seine "Blankoscheck"-Aussage inzwischen entschärft: Die Hilfe für die Ukraine sei "sehr wichtig". Er wünsche sich, dass man damit vorankomme, "um Russland zu besiegen". Es gehe ihm nur darum, dass die Steuergelder nicht blind, sondern sinnvoll investiert werden.
Offen für Kooperation scheint auch der Minderheitsführer im Senat zu sein: Mitch McConnell, mittlerweile einer der größten Trump-Gegner innerhalb der republikanischen Partei, hat sich in den vergangenen Monaten sogar mehrfach für eine Ausweitung der Ukraine-Hilfen ausgesprochen. In einer geheimen Abstimmung unter den republikanischen Senatoren um den Posten des Fraktionschefs hat er sich gegen Rick Scott, Senator aus Florida und Anhänger des Trump-Lagers, durchgesetzt.
Für Biden und für die Ukraine ist das ein gutes Ergebnis: Es sorgt dafür, dass der Einfluss des Trump-Lagers bei den Republikanern nicht größer wird.
Ein mögliches Szenario: Die Republikaner könnten mit ihrer Mehrheit im Repräsentantenhaus versuchen, Biden Zugeständnisse in anderen Politikfeldern abzuringen, beispielsweise in der Einwanderungspolitik oder anderen innenpolitischen Fragen. Im Gegenzug stellen sich die Republikaner bei den Ukraine-Hilfen nicht quer. Mehrheiten bekommt man schließlich nicht geschenkt.
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Quelle: ntv.de