Politik

USA und Frankreich erhöhen Druck Berlin bereitet offenbar Panzer-Lieferungen an Ukraine vor

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Der "Leopard 2" wäre für die Ukraine fraglos von hohem Kampfwert, doch bislang lehnt die Bundesregierung die Lieferung ab.

(Foto: picture alliance/dpa)

Paris liefert Spähpanzer in die Ukraine, Washington prüft, Schützenpanzer zu schicken. Und Berlin? Gerät zunehmend unter Druck, schwere Waffen bereitzustellen. Medienberichten zufolge ist ein "qualitativ neuer Schritt" in Planung. Andeutungen macht auch die Außenministerin.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat einen Kurswechsel in Bezug auf die mögliche Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine angedeutet. Deutschland und seine Verbündeten dürften keinen Zweifel an der Unterstützung für Kiew aufkommen lassen und "schauen, was wir mehr tun können, gerade auch bei der militärischen Unterstützung", sagte Baerbock bei einer Pressekonferenz mit ihrem britischen Amtskollegen James Cleverly in London. Sie fügte hinzu: "Dazu gehören Defensiv-Waffen, dazu gehören aber eben auch Mittel, Waffen, die die Ukraine braucht, um besetztes Gebiet und damit die Menschen, die dort unter russischem Terror leiden, zu befreien", so die Grünenpolitikerin weiter. Konkrete Zusagen für Kiew machte Baerbock trotz Nachfragen von Journalisten nicht.

Zuvor hatten Medien berichtet, die Bundesregierung könnte zeitnah ihre Position zur Lieferung von Panzern westlicher Bauart an die Ukraine ändern. Von einem "qualitativ neuen Schritt" berichten "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und "Süddeutsche Zeitung" aus Regierungskreisen. Nach Informationen der "Süddeutschen" könnte Berlin den Weg für die Lieferung von Schützenpanzern vom Typ "Marder" frei machen. Die "FAZ" schreibt von einem gemeinsamen Schritt Deutschlands und der USA.

Nach Informationen von ntv soll der Entscheidung ein Telefonat von Bundeskanzler Olaf Scholz mit dem amerikanischen Präsidenten Joe Biden vorausgehen. Wie aus Regierungskreisen verlautet, könnte das Gespräch noch heute stattfinden. Im Anschluss soll es grünes Licht für die Lieferung von deutschen "Marder"-Panzern geben. Zuvor war berichtet worden, Washington prüfe die Bereitstellung des Schützenpanzers Bradley.

Am Mittwoch war eines der zentralen Argumente, mit denen die Bundesregierung bislang ihre ablehnende Haltung begründet hatte, vom Tisch gefegt worden: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gab bekannt, der Ukraine Spähpanzer vom Typ AMX-10 RC zu schicken. Bislang hatten Kanzler Scholz und andere prominente SPD-Vertreter stets argumentiert, dass andere Staaten dem von Russland angegriffenen Land auch keine Kampfpanzer westlicher Bauart lieferten, und deutsche "Alleingänge" ausgeschlossen. Nach Macrons jüngster Ankündigung und den Berichten über eine mögliche Bradley-Lieferung hatten Politiker von Grünen, FDP und Union ihre Forderungen bekräftigt, dass auch Deutschland der Ukraine Kampf- und Spähpanzer bereitstellen müsse.

Anzeichen für ein Umdenken

Angesprochen auf eine mögliche Lieferung des modernen Kampfpanzers "Leopard 2", sagte SPD-Chefin Saskia Esken am Donnerstag zu ntv: "Der Bundeskanzler ist dazu in engen Gesprächen mit den besonderen Partnern und Freunden, und das wird auch weiterhin der Fall sein. Und dann werden wir entsprechende Entscheidungen auch treffen." Auch das passt zur Meldung eines "qualitativ neuen Schrittes".

Der "Spiegel" vermeldete am Donnerstag Anzeichen für ein Umdenken in der SPD: Es gebe nun die Möglichkeit, "mit westlichen Partnern die nächste Stufe der Unterstützung der Ukraine abzustimmen", sagte der SPD-Verteidigungspolitiker Andreas Schwarz dem Hamburger Nachrichtenmagazin. Er erwarte, dass die französische Ankündigung nun "wieder mehr Bewegung in die deutsche Diskussion bringen" werde. Der SPD-Abgeordnete Adis Ahmetovic begrüßte "die Ankündigungen der USA und Frankreichs, unter anderem Spähpanzer in die Ukraine liefern zu wollen". Ahmetovic sagte dem "Spiegel": "Sollte es zu Panzerlieferungen aus Deutschland kommen, wird dies in Kooperation und in Absprache mit unseren euro- und transatlantischen Partnern erfolgen."

Noch am Dienstag hatte der SPD-Außenpolitiker Michael Müller in der ARD "unüberlegte Alleingänge" ausgeschlossen und davor gewarnt, "dass die NATO direkt Kriegspartei" werde. Neben Waffenlieferungen müsse es auch Gesprächsangebote in Richtung Russland geben. "Bedauerlich, dass Grüne und FDP das nicht verstehen." Müllers Breitseite zeigt, wie entnervt Teile der SPD inzwischen auf Forderungen ihrer Koalitionspartner nach der Lieferung von Kampfpanzern reagieren. Seit Monaten belastet das Thema die an Konfliktthemen nicht eben arme Ampel-Koalition. Dabei spaltet der Panzer-Streit auch die SPD selbst. Jüngere Sozialdemokraten wie Ahmetovic, Schwarz und der Europaausschuss-Vorsitzende Michael Roth sehen sich Politikern wie Müller, dem Partei-Linken Ralf Stegner oder dem niedersächsischen Bundestagsveteran Bernd Westphal gegenüber, die auf mehr diplomatische Initiativen im Umgang mit Russland pochen.

Grünen-Politikerin Nanni: "Es ist eine Materialschlacht"

Tatsächlich fühlen sich Politiker von Grünen und FDP durch die Signale aus Washington und Paris in ihren Forderungen bestätigt. "Der Ukraine deutsche Kampfpanzer zu liefern, war auch schon vor der französischen Entscheidung eine sehr gute Idee. Aber ich habe die Hoffnung, dass die Lieferung französischer Spähpanzer auch entsprechende Entscheidungen der Bundesregierung befördert", sagte die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Sara Nanni, am Donnerstag zu ntv.de. "Die Lieferung von "Leopard 1" und "Mardern" muss schnellstmöglich umgesetzt werden. Dinge, die bei der Industrie rumstehen, haben keinen Nutzen, weder für die Ukraine noch für Deutschland."

Die Ukraine führe seit dem Frühling, seit dem Abbruch des russischen Zangenangriffs auf Kiew, einen Rückeroberungsfeldzug. "Und seitdem stellt sich die Frage, wie der gelingen soll. Kampfpanzer sind da ein wichtiges Element", sagte Nanni. "Kampfpanzer fallen aber nicht vom Himmel, sondern müssen in möglichst großer Zahl von den Partnerinnen der Ukraine zur Verfügung gestellt werden." Die Anzahl der zur Verfügung stehenden Waffen werde über den Ausgang des Krieges entscheiden, sagte Nanni. "So bitter und brutal das ist: Es ist eine Materialschlacht, weshalb die Ukraine auf Lieferungen der europäischen und US-amerikanischen Rüstungsindustrie angewiesen ist."

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Strack-Zimmermann: Scholz blockiert "Leopard 2"-Lieferung

Doch nicht nur die auf Halde stehenden "Leopard 1" und "Marder" stehen zur Debatte. Als echter Game Changer, als eine den Kriegsverlauf entscheidende Waffe, gilt der Kampfpanzer "Leopard 2". Die den "Leopard 2" nutzenden Länder hätten Deutschland angeboten, eine gemeinsame Lieferung dieses Modells an die Ukraine auf den Weg zu bringen, sagte Marie-Agnes Strack Zimmermann am Mittwoch zu ntv. "Das müsste aber die Bundesrepublik erlauben, weil er ein deutscher Panzer ist, der hier hergestellt wird. Das ist bis dato nicht geschehen." Auch vom Schützenpanzer "Marder" gebe es genug Fahrzeuge sowie ausreichend passende Munition in Europa. Eine Verlegung in die Ukraine sei "überhaupt kein Problem", so die FDP-Politikerin und Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag.

Von allen Partnerländern, mit denen sie in Europa und Amerika gesprochen habe, hätte "keiner ein Problem damit", wenn Deutschland der Ukraine Kampf- und Schützenpanzer westlicher Bauart liefere. De facto bezichtigte Strack-Zimmermann damit den Bundeskanzler der Falschdarstellung, denn der bestreitet seit Monaten die Existenz eines solchen Konsenses. 13 europäische Länder verfügen nach Angaben des Thinktanks European Council on Foreign Relations (ECFR) über insgesamt 2000 "Leopard 2". Wie viele davon einsatzfähig sind, ist unklar.

Der ECFR hat schon im September einen Vorschlag unterbreitet, wie zumindest 90 dieser als kampfstärkste Panzer der Welt eingeschätzten Modelle der Ukraine zur Verfügung gestellt werden könnten. Dass die Türkei, Schweiz oder Ungarn Kampfgeräte abgeben, ist maximal unwahrscheinlich. Dagegen haben Finnland, Dänemark und Spanien Medienberichten zufolge zumindest Gesprächsbereitschaft signalisiert. Aber ohne die Zustimmung des Herstellerlandes Deutschland geht nichts. Weitere europäische "Leopard 2"-Nutzer sind demnach Griechenland, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal und Schweden.

Scholz hat es in der Hand

Frankreich wiederum nutzt den "Leopard" nicht, sondern das französische Modell Leclerc, von denen aber keine nennenswerte Zahl abzugeben wäre, berichtet die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Die amerikanischen Abrams-Panzer in der Ukraine einzusetzen, gilt wiederum als zu aufwändig: Die Geräte müssten nach Europa transportiert werden, brauchen speziellen Sprit und gelten auch sonst als weniger effizient im Vergleich zum "Leopard 2".

So hat die Bundesregierung - oder vielmehr haben Scholz und die SPD - entscheidenden Einfluss auf den weiteren Kriegsverlauf und auf das Offensivpotenzial der ukrainischen Armee. Weder ihre Koalitionspartner noch die Union würden sich einer Lieferung von "Marder", "Leopard" 1 oder 2 verwehren. Eine ablehnende Haltung wird damit immer schwerer durchzuhalten, zumal ein Ende des Krieges in der Ukraine bei dem derzeitigen Frontverlauf nicht absehbar ist: Kiew ist entschlossen, nicht mit Russland zu verhandeln, solange Moskau derart große Flächen des Landes besetzt hält. Sie würden in Friedensgesprächen unweigerlich zu Verhandlungsmasse. Gut möglich also, dass sich im Kanzleramt die Position durchgesetzt hat, stattdessen ein Kriegsende herbeizuführen, indem Russland möglichst schnell eine vollständige militärische Niederlage erleidet. Und das geht bekanntlich nicht ohne moderne Kampfpanzer.

Quelle: ntv.de, mit dpa

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