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Der Kriegstag im Überblick Ukrainische Truppen im Osten unter Druck - Scholz und Macron für EU-Beitritt des Landes

In Lyssytschansk werden bei einem russischen Luftangriff Gebäude zerstört.

In Lyssytschansk werden bei einem russischen Luftangriff Gebäude zerstört.

(Foto: picture alliance/dpa/AP)

Zwei Mal schrillt der Luftalarm während des lang erwarteten Kiew-Besuchs des Bundeskanzlers. Scholz machte bei der Reise mit den Staats- und Regierungschefs von Frankreich, Italien und Rumänien ein wichtiges Versprechen. Derweil berichtet die Ukraine von schweren russischen Angriffen in Luhansk und Donezk und Selenskyj fordert ein siebtes Sanktionspaket gegen Moskau ein. Der 113. Kriegstag im Überblick.

Scholz will, dass Ukraine EU-Beitrittskandidat wird

Die Ukraine bekommt kräftige Unterstützung auf dem Weg in die Europäische Union. Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron machten sich erstmals dafür stark, dass das kriegsgeplagte Land ein EU-Beitrittskandidat wird. Gemeinsam mit Italiens Regierungschef Mario Draghi und Rumäniens Präsident Klaus Iohannis sicherten sie dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zudem weitere militärische Unterstützung für den Kampf gegen Russland zu. "Meine Kollegen und ich sind heute hier nach Kiew gekommen mit einer klaren Botschaft: Die Ukraine gehört zur europäischen Familie." Er ergänzte zur EU-Beitrittsperspektive: "Deutschland ist für eine positive Entscheidung zugunsten der Ukraine. Das gilt auch für die Republik Moldau." Konkrete Zusagen für weitere Waffenlieferungen an die Ukraine machte der Bundeskanzler nicht.

"Bis zum Sieg": Macron verspricht Kiew zusätzliche Panzerhaubitzen

Macron hält es anders und wird in Sachen militärischer Unterstützung in Kiew konkret. Frankreich will der Ukraine weitere sechs Caesar-Haubitzen von der kommenden Woche an liefern. Zwölf dieser schweren Geschütze hatte Paris bereits geschickt. Auf Wünsche des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nach Waffen zur Verteidigung seines Landes habe Frankreich immer zeitnah reagiert, sagte Macron. Die auf Lastwagen montierten Caesar-Geschütze mit einem Kaliber von 155 Millimeter können Ziele in einer Entfernung von bis 40 Kilometern präzise treffen.

US-Präsident Biden sagt weitere umfangreiche Waffenlieferung zu

Kiew hat auch eine bedeutende Zusage für die eigene Verteidigung seitens der US-Regierung erhalten. Diese will das Land mit einer Waffenlieferung im Umfang von einer Milliarde Dollar unterstützen. Präsident Biden verkündete die Entscheidung in Washington nach einem Telefonat mit Selenskyj. Außerdem stellten die USA 225 Millionen Dollar (rund 217 Millionen Euro) an humanitärer Unterstützung bereit. Seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges haben die USA nach eigenen Angaben Waffen und Ausrüstung im Wert von 4,6 Milliarden Dollar (4,42 Milliarden Euro) zugesagt oder geliefert. Mit der neuen Zusage steigt die Summe auf 5,6 Milliarden US-Dollar.

Schwere Gefechte im Donbass - Ukrainer kämpfen um Sjewjerodonezk

In der Ostukraine lieferten sich ukrainische und russische Truppen weiter schwere Kämpfe in den Gebieten Luhansk und Donezk. In Richtung der Stadt Bachmut gebe es russische Angriffe "zur Verbesserung der taktischen Lage", teilte der ukrainische Generalstab mit. Die Angaben sind nicht unabhängig überprüfbar. Unter Artilleriebeschuss stünden demnach die Orte Wessele, Soledar, Berestowe und Wowtschojariwka. Schwere Kämpfe gebe es auch bei der Separatistenhochburg Donezk. Im benachbarten Luhansker Gebiet sei weiter die Stadt Sjewjerodonezk besonders hart umkämpft. Im Gebiet Charkiw hinderten die russischen Truppen mit Artilleriefeuer die Ukrainer daran, dichter auf die Grenze zwischen beiden Ländern vorzurücken, hieß es in dem Bericht des Generalstabs.

Bundeskanzler: Niemand wird Ukraine zu Vereinbarung mit Moskau drängen

Kanzler Scholz hat Vermutungen zurückgewiesen, westliche Staaten könnten die ukrainischen Führung zu einem Friedensschluss mit Russland drängen. Die westlichen Sanktionen gegen Russland würden nicht aufgehoben, bevor es nicht zu einer fairen Vereinbarung Russlands mit der Ukraine komme, sagt Scholz in der ARD. Nur die Ukraine selbst könne entscheiden, was aus ihrer Sicht fair sei. "Das wird niemand in Europa ihnen vorschreiben können und wollen", fügt Scholz hinzu. Die US-Regierung äußerte sich ähnlich. "Wir werden sie unterstützen und mit ihnen beraten, während sie darüber nachdenken, wie sie eine Einigung mit den Russen angehen wollen", sagte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan. "Wir sind der Meinung, dass diese Angelegenheit auf diplomatischem Wege beendet werden muss." Es sei aber nicht die Aufgabe der USA, Bedingungen oder Ziele für Verhandlungen festzulegen.

Zwei Mal Luftalarm in Kiew während EU-Besuch

Beim Kiew Besuch von Scholz in Kiew ist gleich nach seiner Ankunft sowie kurz vor der gemeinsamen Pressekonferenz Luftalarm ausgelöst worden. Während die Sirenen heulten, hatten sich Scholz, Macron, Draghi und Iohannis im Präsidentenpalast befunden. Auch in weiteren Landesteilen wurde Luftalarm ausgelöst. "Die Luftalarm-Sirenen zeigen, dass Russland nicht wählt, wen und wann es attackiert", kommentierte Selenskyj.

Selenskyj fordert siebtes Sanktionspaket gegen Russland

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Deutschland, Frankreich, Italien und Rumänien eine Liste mit neuen Sanktionen gegen Russland übergeben. Nach Angaben des ukrainischen Präsidialamts war das Thema Gegenstand des Treffens von Selenskyj mit Bundeskanzler Olaf Scholz, Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron, Italiens Regierungschef Mario Draghi und Rumäniens Präsident Klaus Iohannis. "Wir müssen den Druck auf den Aggressor erhöhen, an einem siebten Sanktionspaket arbeiten mit einem Gas-Embargo", erklärt Selenskyjs Berater Andrij Jermak auf Telegram.

Kreml: Weitere Aufrüstung der Ukraine "sinnlos"

Das Treffen zwischen dem Bundeskanzler und dem ukrainischen Präsidenten wird auch von Moskau mit großem Interesse verfolgt. Moskau hoffe, dass die Vertreter der EU-Staaten den ukrainischen Präsidenten "dazu bringen, dass er auf die Lage der Dinge schaut, wie sie wirklich sind", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Bei dem Besuch dürfe es nicht nur um die weitere Ausrüstung der Ukraine mit Waffen gehen. "Das ist absolut sinnlos, das führt zum Leiden der Menschen und wird diesem Land einfach noch weiteren Schaden zufügen", betonte Peskow. Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew hinterfragte generell den Sinn der Reise von Scholz. Er bezeichnete die Visite als den Besuch der "europäischen Fans von Fröschen, Leberwurst und Spaghetti".

Lambrecht sichert Ukraine baldige Waffenlieferung zu

Die für die Ukraine bestimmten schweren Artilleriegeschütze aus Deutschland können nach Aussage von Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht demnächst dorthin gebracht werden. "Die Ausbildung ist fast abgeschlossen. Und jetzt können die ukrainischen Soldaten, die daran ausgebildet wurden, mit den Panzer-Haubitzen dann auch in die Ukraine verlegt werden", sagte die SPD-Politikerin im ZDF. Auch die zugesagte Lieferung ausgemusterter Flugabwehrpanzer vom Typ "Gepard" steht ihr zufolge bald bevor. Außerdem warb Lambrecht bei den NATO-Alliierten für den deutschen Vorstoß zum Aufbau einer multinationalen Kampftruppen-Brigade für die Ostflanke in Litauen.

Russischer Botschafter: Nord Stream 1 könnte komplett ausfallen

Nach der Reduzierung der russischen Gaslieferungen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 ist auch ein komplettes Runterfahren der wichtigsten Versorgungsleitung für Deutschland nicht ausgeschlossen. Russlands EU-Botschafter sagte beim Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg, wegen der Probleme bei der Reparatur von Turbinen in Kanada könne die Leitung gänzlich stillgelegt werden. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck nannte die Situation ernst, sie gefährde die Versorgungssicherheit in Deutschland aber nicht. Entgegen der Darstellung Gazproms, der Grund für die Drosselung seien Verzögerungen bei Reparaturarbeiten, vermutet Habeck dahinter eine politische Entscheidung. Für Gazprom-Chef Alexej Miller liegt die Lösung des Problems auf der Hand. Es müsse nur die wegen des Ukraine-Konflikts auf Eis gelegte Pipeline Nord Stream 2 in Betrieb genommen werden.

Russischer Autoabsatz fällt um mehr als 80 Prozent - Putin verspricht Stütze

Russlands Präsident Wladimir Putin weist die Regierung an, neue Möglichkeiten zur Unterstützung der einheimischen Autoindustrie auszuarbeiten. Dabei solle trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Land die Nachfrage angekurbelt werden, sagt Putin während eines Treffens mit Regierungsvertretern, das im staatlichen Fernsehen übertragen wird. Nach Daten der Association of European Businesses (AEB) ist der Autoabsatz in Russland im Mai um 83,5 Prozent eingebrochen.

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Quelle: ntv.de, ysc/dpa/rts

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