Thorsten Schäfer-Gümbel Verlierer mit Perspektiven
15.01.2009, 08:15 UhrThorsten Schäfer-Gümbel wird am kommenden Sonntag vermutlich eine bittere Niederlage einstecken müssen. Umfragen sagen der SPD bei der hessischen Landtagswahl ein Debakel voraus, doch ihrem Spitzenkandidaten wird dies wohl kaum angelastet werden. In den gut zwei Monaten seit seiner überraschenden Nominierung im vergangenen November erarbeitete sich der 39-jährige Landtagsabgeordnete vielmehr den Ruf des kommenden Mannes der hessischen SPD. Daran dürfte auch die allseits erwartete Wahlschlappe nichts mehr ändern. Denn der bis vor kurzem weitgehend unbekannte Spitzenkandidat machte im Wahlkampf eine ausgesprochen gute Figur.
Niemand hatte seinen Namen auf der Rechnung, als die hessische SPD einen neuen Spitzenkandidaten suchte. Hessens SPD-Chefin Andrea Ypsilanti konnte nicht noch einmal in die Auseinandersetzung mit Ministerpräsident Roland Koch (CDU) ziehen, nachdem sie zum zweiten Mal mit der Bildung einer von den Linken tolerierten rot-grünen Minderheitsregierung gescheitert war. Ypsilanti blieb dann zwar Partei- und Fraktionsvorsitzende, doch Herausforderer von Koch wurde zur allgemeinen Überraschung Schäfer-Gümbel.
Jünger und Hinterbänkler
Hinterbänkler war noch eine der freundlicheren Beschreibungen für den Ypsilanti-Vertrauten, der wie die Parteichefin eher dem linken Parteiflügel zugerechnet wird. Die "Süddeutsche Zeitung" titelte nach seiner Nominierung "Thorsten Schäfer-Wer?". Und die CDU nannte ihn einen "Jünger" der Parteichefin. Viel schlechter konnte die Ausgangslage für Schäfer-Gümbel kaum sein. Bezeichnend war auch, dass sich anfangs das Interesse der Öffentlichkeit auf Äußerlichkeiten konzentrierte. Diskussionen über seine Brille und seinen Doppelnamen musste Schäfer-Gümbel führen. Doch der verheiratete Vater von drei Kindern ertrug das alles mit Geduld und einer guten Prise Humor. Und er zeigte nach und nach, dass er keineswegs als Bauernopfer für seine glücklose Parteichefin herhalten will.
Stück für Stück nabelte sich der 39-Jährige ab, der seit 2003 im hessischen Landtag sitzt. Vorsichtig distanzierte sich der Politikwissenschaftler Anfang Dezember von Ypsilanti in der Frage des gebrochenen Versprechens, nicht mit den Linken zusammenzuarbeiten. Den Wortbruch bezeichnete er als Fehler - im Widerspruch zu Ypsilanti, die den Fehler eher darin sah, eine Zusammenarbeit mit der Linken im Wahlkampf ausgeschlossen zu haben. Im jetzigen Wahlkampf spielt Ypsilanti keine herausragende Rolle mehr. Vielmehr ist dieser ganz auf den neuen Spitzenkandidaten zugeschnitten.
Schäfer-Gümbel scheint es auch gelungen zu sein, die Partei zumindest für den Wahlkampf hinter sich zu einen. Nachgesagt werden dem als pragmatisch eingeschätzten Sozialdemokraten große integrative Fähigkeiten. Er sagt auch über sich selbst, dass er zusammenführen könne. Zugleich lässt er keinen Zweifel daran aufkommen, dass er nach der Wahl der starke Mann der SPD bleiben will. Und so wird es wohl auch kommen.
Ypsilanti vor Abgang
Bereits Mitte Dezember kündigte Ypsilanti auf einem Landesparteitag an, dass sie auch für das Wahlergebnis am kommenden Sonntag die Verantwortung übernehmen wolle. Genährt wurden Spekulationen über eine Neuordnung der Parteispitze zuletzt, als SPD-Generalsekretär Norbert Schmitt seinen Rückzug ankündigte. Schmitt zählt zu Ypsilantis engsten Vertrauten und gilt als ein Architekt des gescheiterten rot-grün-roten Bündnisses.
So könnte es also gut sein, dass Schäfer-Gümbel trotz schwerer Verluste nach der Wahl als der große Hoffnungsträger der SPD dasteht. Dies gilt erst recht, wenn die Sozialdemokraten auch nur ein wenig besser als allgemein erwartet abschneiden sollten. Schäfer-Gümbel macht im Wahlkampf jedenfalls alles andere als einen geknickten Eindruck. Fast scheint es so, als wisse er, dass seine Zeit so oder so noch kommen wird.
Quelle: ntv.de, Von Carsten Hauptmeier, AFP