"Kassen verbrennen Geld" Versicherte kriegen nichts zurück
09.06.2012, 07:53 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Krankenkassen schwimmen im Geld, doch die Versicherten werden davon nichts haben. Kassenchefin Pfeiffer erteilt Prämienzahlungen erneut eine Absage. Stattdessen legen die Krankenversicherungen die Überschüsse lieber an. Aus der Union kommt Kritik: Wegen schlechter Zinskonditionen machen die Kassen dabei Verluste.
Trotz neuer Rekordüberschüsse im Gesundheitssystem werden die 50 Millionen Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen in diesem Jahr wahrscheinlich vergeblich auf eine Beitragsrückerstattung warten. Das stellte die Vorsitzende des Krankenkassen-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer, klar.
Die Finanzlage sei zwar "so gut wie seit langem nicht mehr". Das Polster sei aber angesichts zu erwartender Ausgabesteigerungen für die Gesundheit von knapp zehn Milliarden Euro in den kommenden beiden Jahren und der konjunkturellen Risiken im Euro-Raum nicht so reichlich, "dass man nun das Geld zum Fenster rauswerfen kann".
Genau das tun in den Augen von CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn die Kassen aber. "Die Kassen verbrennen Geld", sagte er der "Welt". Gemeint ist, die gering verzinste Anlageform, zu der die Krankenkassen verpflichtet sind. Laut Sozialgesetzbuch darf nur in bestimmte, sehr sichere Anlagen investiert werden. Der Durchschnittszins für deutsche öffentliche Anleihen, die sogenannte Umlaufrendite, liegt aktuell bei 1,05 Prozent, so die "Welt". Die Inflationsrate in Deutschland lag zuletzt bei 2,16 Prozent. "Es ist sinnvoller, Prämien an Versicherte auszuschütten, als es für ein Prozent Zinsen mit Wertverlust anzulegen", sagte Spahn.
Überschüsse decken Ausgaben eines Monats ab
Und die Kassen werden in diesem Jahr noch mehr an Überschüssen anhäufen. Fest stehe schon jetzt, dass das Finanzpolster weiter wachse, so Pfeiffer. Koalitionsinterne Prognosen, dass die Überschüsse im System der gesetzlichen Krankenversicherung in diesem Jahr um 7 Milliarden Euro auf dann knapp 27 Milliarden Euro steigen werden, wollte die Kassen-Chefin jedoch nicht bestätigen. Dies müsse für langfristige Stabilität genutzt werden. Vom Überschuss des Vorjahres in Höhe von 19,5 Milliarden Euro seien aber allein 5 Milliarden Euro als Reserve und für den Sozialausgleich gebunden.
Die aktuellen Überschüsse bei den Kassen decken derzeit nach Pfeiffers Angaben die Ausgaben von 29 Tagen ab. Im vergangenen Jahr gab es - bedingt durch den Einmaleffekt einer Beitragserhöhung - ein überdurchschnittliches Einnahmeplus von 4,5 Prozent. In diesem Jahr dürfte der Zuwachs mit gut einem Prozent deutlich geringer ausfallen. Die Einnahmesteigerungen könnten die bereits jetzt erkennbaren Steigerungen auf der Ausgabenseite zum Teil ausgleichen.
Die Forderung der Kassenärzte nach Aufstockung des Honorartopfs um 3,5 Milliarden Euro wies die Verbandschefin als nicht nachvollziehbar zurück. Bei den Kassen hält man einen Zuschlag von maximal einer Milliarde für akzeptabel. Eine Notwendigkeit dafür gebe es aber grundsätzlich nicht.
Keine Zusatzbeiträge bis Ende 2013
Zugleich zeigte sich Pfeiffer vom Plan der Kassenärztlichen Bundesvereinigung befremdet, ein Internetportal einzurichten, bei dem Ärzte die Krankenkassen im Hinblick auf ihre bürokratische Vorgaben bewerten sollen. "Die Krankenkassen haben kein Problem damit, bewertet zu werden. Nur was soll es dem Patienten bringen, wenn er weiß, dass eine Kasse vom Arzt vermeintlich zu viel Schreibarbeit abfordert." Möglicherweise verordne der Mediziner ja auch Dinge, die einer besonderen Dokumentationspflicht bedürften.
Von einem Zwang zur Beitragsrückerstattung, wie ihn Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr ins Gespräch gebracht hat, hält Pfeiffer wenig. Sie bekräftigte vielmehr die Forderung, den Kassen wieder ihre Beitragsautonomie zurückzugeben. Dann könnten sie ihre Beiträge selber festsetzen - und die Bürger könnten sich dann bei der Auswahl ihrer Kasse am Beitragssatz orientieren.
Seit Anfang 2009 gilt ein bundesweit einheitlicher Satz von 15,5 Prozent. Eine allgemeine Beitragssatzerhöhung oder Zusatzbeiträge einzelner Kassen schloss Pfeiffer bis Ende 2013 - dem Jahr der nächsten Bundestagswahl - aus.
Kritisch wird von den Kassen auch die geplante, vom Staat mit fünf Euro monatlich bezuschusste Pflege-Zusatzversicherung gesehen. Der Zusatzbedarf zur Abfederung der finanziellen Risiken für den Einzelnen sei besser im System der solidarischen Pflegeversicherung abzusichern, auch durch Bildung von Rücklagen. Aus Sicht von GKV-Verbands-Vorstandsmitglied Gernot Kiefer sind die Regierungspläne kein Beitrag zur nachhaltigen Absicherung des Pflegerisikos in einer weiter alternden Gesellschaft.
Quelle: ntv.de, jog/dpa