Frankreich wieder in der Mitte Volle Rückkehr in NATO
03.04.2008, 17:09 UhrDie älteste Spaltung der NATO könnte bald ein Ende haben: Nach 42 Jahren will Frankreich in die Militärstruktur der Allianz zurückkehren. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy kündigte beim NATO-Gipfel in der rumänischen Hauptstadt Bukarest an, sein Land wolle zurück "in die Mitte der Allianz". Wichtig sei eine gemeinsame Verteidigung im nordatlantischen Bündnis und ein starkes Europa, betonte er. Beide Fragen schlössen sich nicht gegenseitig aus.
General Charles de Gaulle hatte die französischen Truppen 1966 auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges dem Kommando der NATO entzogen. Er wollte damit nach eigenen Worten gegen die Vormachtsstellung der USA in Europa protestieren. Zugleich verwies er das NATO-Hauptquartier des Landes, das bis dahin in Paris und Fontainebleau stand. Auch nach diesem Bruch hat Frankreich eng mit der NATO-Militärhierarchie zusammengearbeitet und an fast allen Einsätzen teilgenommen. Die Rückkehr zur Vollmitgliedschaft wäre politisch jedoch ein starkes Symbol, weil das Land nach vier Dekaden seinen Außenseiterstatus aufgeben würde.
Bis zum Jahresende will Sarkozy über die Vollmitgliedschaft entscheiden, was in Frankreich aber nicht unumstritten ist. Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßte die französische Ankündigung. Mit der vollen Rückkehr Frankreichs in die NATO kehre das Militärbündnis zu den Ursprüngen der europäischen Einigung zurück. Der für 2009 von Frankreich und Deutschland geplante gemeinsame Gipfel zum 60. Jahrestag der NATO sei nur durch diese Entscheidung möglich geworden. Daher werde das Treffen, das in Straßburg (Frankreich) und Kehl (Deutschland) stattfinden soll, einen sehr hohen symbolischen Wert haben.
Der Entschluss soll nach Sarkozys Worten am Ende der französischen EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte fallen. Die Zeit an der Spitze der EU will der Präsident auch nutzen, um auf eine stärkere Integration der europäischen Verteidigungspolitik zu drängen. "Am Ende der französischen Präsidentschaft wird der Moment gekommen sein, diesen Prozess zu beschließen und die nötigen Entscheidungen zu treffen, damit Frankreich seinen vollen Platz in den NATO-Strukturen einnehmen kann", sagte Sarkozy bei seinem ersten NATO-Gipfel.
Zugleich dankte er dem amerikanischen Präsidenten für seine "energische Ermutigung", die europäischen Militärkapazitäten auszubauen und die Atlantische Allianz zu erneuern. George W. Bush habe einen "historischen Wendepunkt" in den Beziehungen zwischen der NATO und Europa eingeleitet. Bush habe beim NATO-Gipfel in Bukarest erklärt, dass neben der NATO auch ein "Europa der Verteidigung" bestehen sollte, sagte Sarkozy. "Das ist eine Geste, auf die wir gewartet haben." Sarkozy sagte, Frankreich nehme nun an der Seite Deutschlands "die Rolle in der Mitte seiner Verbündeten" ein. Es solle ein Europa der Verteidigung entstehen. Ein starkes Europa müsse im Interesse der USA sein.
Darüber hinaus erklärte sich Sarkozy bereit, 700 zusätzliche Soldaten in den umkämpften Osten Afghanistans zu entsenden. Der französische Präsident deutete auch vorsichtige Zustimmung zu US-Plänen an, in Europa ein Raketenabwehrsystem zu installieren.
Im eigenen Land stößt Sarkozy mit seinen Plänen allerdings auf Widerstand. Viele Franzosen sind noch heute dafür, dass die Republik eine unabhängigere und Außen- und Verteidigungspolitik betreibt. Sarkozy muss sich daher auf die Gegenwehr der oppositionellen Sozialisten, Kommunisten und einiger eher konservativer Gaullisten einstellen. Schon in den vergangenen Tagen war seine Regierung im Parlament in die Defensive geraten, weil sie eine Aufstockung der Soldaten in Afghanistan angekündigt hatte.
Quelle: ntv.de