Merkel: Koalition ist einer Meinung Warum die CSU trotzdem falsch liegt
03.01.2014, 20:21 Uhr
Gerda Hasselfeldt leitet die CSU-Landesgruppe im Bundestag. Angela Merkel kann in ihren Forderungen nichts falsches erkennen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Bundeskanzlerin Merkel findet gar nicht schlimm, was die CSU in Sachen Zuwanderung fordert. Im Grunde schlagen die Christsozialen gar nichts anderes vor als CDU und SPD. Das stimmt - ist aber nicht das Problem.
Als Gerda Hasselfeldt erklärte, was sie eigentlich gemeint hatte, war es schon längst zu spät. Die "Süddeutsche Zeitung" hatte von einem Positionspapier Hasselfeldts berichtet, in dem Zuwanderer nicht besonders gut wegkommen. Anstatt schnell mit einer kurzen Pressemitteilung zu reagieren, gab die Chefin der CSU-Abgeordneten im Bundestag den "Passauer Neuesten Nachrichten" ein Interview. Es erschien 48 Stunden nach der ersten Meldung der "Süddeutschen" - in der Mediendemokratie ist das eine Ewigkeit, die auch schon ausgiebig für eine öffentliche Debatte genutzt worden war. Der Linken-Vorsitzende sprach von "übler Hetze, mit der die CSU braune Banden zur Gewalt ermutigt". Ein SPD-Politiker meinte, die Christsozialen wollten "mit Stammtischressentiments bei Kommunal- oder Europawahlen punkten". Und ein Abgeordneter der Grünen sagte, die CSU würde mit ihrem Slogan "an NPD-Wahlplakate wie 'Gute Heimreise' erinnern".
Die CSU tat erst einmal nichts, was diesen Eindruck hätte korrigieren können.
Nun steht der zitierte Entwurf des Positionspapiers offen im Internet. Der betreffende Abschnitt beginnt mit dem knappen Satz: "Wir stehen zur Freizügigkeit in der EU." Es folgen Politik-Empfehlungen, die wenig spektakulär wirken: Es wird geprüft, Sozialleistungen für EU-Ausländer für die ersten drei Monaten auszusetzen (das ist in der Regel heute schon so). Scheinselbstständigkeit und Schwarzarbeit sollen stärker bekämpft werden und ausgewiesene Personen sollen an der Einreise gehindert werden können. Das klingt nur logisch. Eine rassistische Politik ist es auf keinen Fall. Die Errungenschaft der freien Grenzen in Europa will die CSU nicht antasten.
Gleichzeitig würzen die Christsozialen ihren Beschluss aber mit einer gehörigen Portion Populismus. Dazu gehört nicht nur der viel zitierte und inhaltlich völlig überflüssige Satz "Wer betrügt, der fliegt". Es ist von einem "fortgesetzten Missbrauch der europäischen Freizügigkeit durch Armutszuwanderung" die Rede, wodurch "Kommunen an die Grenzen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit" gebracht würden. Das lässt sich kaum halten. Sogar der CDU-Politiker Armin Laschet verweist darauf, dass eine Einwanderung in die Sozialsysteme europarechtlich praktisch ausgeschlossen sei. Und: "Die ernsthaften Probleme, die es in Duisburg, Dortmund und Köln gibt, haben logischerweise nichts mit der neuen Freizügigkeit zu tun, denn die beginnt ja erst am 1. Januar."
Dass die CSU die ernsthaften sozialen Probleme in deutschen Großstädten mit den neuen Rechten von Bulgaren und Rumänen zusammenbringt, ist unredlich. Denn das Gegenteil ist richtig: Bisher leben viele Zuwanderer in ärmlichen Verhältnissen, weil es ihnen gar nicht erlaubt war, arbeiten zu gehen. Erst am 1. Januar hat sich das geändert. Das Datum bringt für die betroffenen Städte also vor allem eine Chance mit sich.
"Wer betrügt, der fliegt", ist darüber hinaus eine Ausdrucksweise, die an die Schule oder einen Sportverein erinnert. Die Deutschen sind dabei die Lehrer. Bulgaren und Rumänen sind die dummen Schuljungen, die nach Belieben aus der Mannschaft geworfen werden können.
Angela Merkel lässt über ihren Sprecher ausrichten, dass es zwischen den Koalitionsparteien gar keine Unstimmigkeiten gebe. Politiker der Union verweisen darauf, dass im Koalitionsvertrag ja schon aufgeschrieben sei, dass man gegen den Missbrauch von Sozialleistungen vorgehen will. Dass man das Thema mit populistischer Stimmungsmache garnieren möchte, steht dort allerdings nicht.
Quelle: ntv.de