Rot-Grüne Koalitionsgespräche Wehrpflicht wird überprüft
07.10.2002, 00:01 UhrDie Wehrpflicht soll in der kommenden Legislaturperiode überprüft werden. Darauf einigten sich SPD und Grüne bei ihren Koalitionsverhandlungen in Berlin. Notwendige Strukturanpassungen dürften nicht auf die lange Bank geschoben werden, machte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) deutlich. "Das schließt eine Überprüfung der Wehrform ein", sagte der Kanzler.
Die Vorschläge der Kommission unter Altbundespräsident Richard von Weizsäcker, die eine Reduzierung der Truppenstärke auf 30.000 Rekruten angeregt hatte, seien "sehr, sehr ernst zu nehmen", erklärte Schröder. Gleichwohl betonte der Kanzler, die Kommission habe sich nicht für die Abschaffung der Wehrpflicht ausgesprochen.
Außenminister Joschka Fischer (Grüne) nannte die Vereinbarung zur Überprüfung der Wehrpflicht, die seine Partei abschaffen will, einen "sehr guten" Kompromiss. Die Grünen sollen in den Verhandlungen zwei Stunden auf eine Lösung der Streitfrage gedrungen haben.
Zuständigkeit für Europapolitik noch ungeklärt
Vor dem Hintergrund der belasteten Beziehungen zu den USA in der Irak-Frage betonten Schröder und Fischer die Bedeutung der transatlantischen Beziehungen. Diese solle im Koalitionsvertrag hervorgehoben werden.
Keine Entscheidung ist bislang über die künftige Zuständigkeit für Europapolitik gefallen. Schröder hatte eine Verlagerung der Kompetenzen vom Außenministerium ins Kanzleramt ins Gespräch gebracht. Der SPD-Außenpolitikexperte Gernot Erler erklärte, für den Kanzler sei die Frage noch nicht vom Tisch.
Überprüfung ab November
Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD) will nach Angaben Fischers bis November eine Aufstellung zum Stand der bisherigen Bundeswehr-Reform vorlegen. Dann könne die Überprüfung weiterer Anpassungen beginnen. Schröder betonte, die "internationalen Verpflichtungen" würden dabei "natürlich bedacht".
Struck hatte schon vor den Koalitionsverhandlungen angekündigt, alle Rüstungsprojekte auf den Prüfstand stellen zu wollen. Der Wehretat ist bis 2006 auf 24,4 Mrd. Euro eingefroren. Medienberichten zufolge fordert Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) eine Kürzung um weitere 600 Mio. Euro.
Entwicklungshilferessort bleibt
Weiterhin verständigten sich die beiden Parteien auf die Erhaltung des Entwicklungshilfeministeriums als eigenständiges Ressort. Die Ausgaben für die Entwicklungshilfe sollten deutlich erhöht werden, jedoch hinter den Vorgaben der Vereinten Nationen zurückbleiben, erklärte Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) am Rande der Verhandlungen.
Im Koalitionsvertrag solle festgeschrieben werden, dass der Anteil der Entwicklungshilfe am Bruttosozialprodukt bis 2006 von jetzt 0,27 auf 0,33 Prozent steigen solle, erklärte Wieczorek-Zeul. Dies entspräche einer Anhebung von etwa fünf Mrd. US-Dollar auf rund 7,1 Mrd. US-Dollar (7,1 Mrd. Euro). Ziel der UN ist, dass die Industriestaaten mindestens 0,7 Prozent ihres Bruttosozialprodukts für Entwicklungshilfe ausgeben.
Bei den bisherigen Verhandlungen hatten sich die Koalitionspartner gegen Steuererhöhungen ausgesprochen. Außerdem will die Regierung den Ausbau von Ganztagsschulen mit einer Anschubfinanzierung von vier Mrd. Euro fördern. Unklar ist bisher der Umfang zusätzlicher Einsparungen im Bundeshaushalt. Bis zum 14. Oktober soll die Koalitionsvereinbarung stehen.
Quelle: ntv.de