Fliegende Steine "Widerstand" gegen Sarkozy
08.05.2007, 06:58 UhrIn Frankreich haben erneut Tausende linke Jugendliche in mehreren Städten zum "Widerstand" gegen den gewählten Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy aufgerufen. In Demonstrationen vor allem in Paris kam es wie in der Nacht zum Montag auch am Dienstag zu Ausschreitungen. 200 meist vermummte Jugendliche randalierten in der Hauptstadt und warfen Scheiben ein. Die Zielscheibe ihrer Gewalt, der konservative frühere Innenminister, erholte sich unterdessen auf einem Segeltörn im Mittelmeer von den Strapazen des Wahlkampfs.
Nach Aufrufen der Trotzkisten zu "Widerstand gegen Sarkozy" waren am Montagabend tausende Jugendliche durch Großstädte wie Paris, Lyon und Lille gezogen. Die Demonstranten riefen "Sarko Fascho" oder "Sarko Gesindel, verschwinde". Dabei nahmen sie ein Wort Sarkozys auf, der als Innenminister erklärt hatte, er wolle die Einwanderer-Vorstädte mit dem Hochdruckreiniger "von Gesindel befreien". Die Polizei nahm in Paris 218 Personen vorübergehend fest. In Toulouse wurden drei Polizisten verletzt, es kam zu 22 Festnahmen. Die Vorstädte, wo es im Herbst 2005 zu wochenlangen Unruhen gekommen war, blieben ruhig.
In der Nacht nach Sarkozys Wahlsieg waren landesweit 730 Autos in Brand gesteckt und 592 Randalierer festgenommen worden. Die Schäden entsprachen nach offiziellen Angaben denen einer Silvesternacht. Sozialistenchef Franois Hollande rief die Demonstranten zu friedlichem Verhalten auf. "Ich kann die Wut und Enttäuschung verstehen", sagte der Lebenspartner der unterlegenen Kandidatin Sgolne Royal mit Blick auf den Wahlausgang. Die einzige demokratische Reaktion auf Sarkozys Wahl sei allerdings die Teilnahme an der Parlamentswahl am 10. Juni.
Schnelles Treffen mit Merkel
Nach seiner für den 16. Mai geplanten Amtsübernahme will Sarkozy "sehr schnell" Bundeskanzlerin Angela Merkel treffen. Ihm gehe es dabei darum, die "Stärke des deutsch-französischen Paares" zu betonen und über die Zukunft der EU-Verfassung zu sprechen, sagte sein früherer Wahlkampfmanager Claude Guant am Dienstag in Paris. Sarkozy werde Merkel vor dem G-8-Gipfel (6. bis 8. Juni) in Heiligendamm sehen. Sarkozy schlägt vor, die Krise um die in Frankreich und in den Niederlanden abgelehnte EU-Verfassung mit einem vereinfachten "Mini-Vertrag" zu beenden.
Sarkozys Segelpartie nannte Guant eine "innere Inspektionsreise". Er fügte aber hinzu: "Für jemanden, der sich erholt, ist Sarkozy viel am Telefon. Es vergeht keine Stunde, ohne dass wir über die Zukunft reden." Sarkozy stelle sein Kabinett zusammen, sagte Guant, der Generalsekretär im lysepalast werden soll. Unklar ist dem Vernehmen nach die Rolle von Sarkozys Frau Ccilia als Präsidentengattin. Im Wahlkampf hatte sie sich nicht gezeigt. Ihr wird nachgesagt, sie wolle die Medien meiden.
Fillons Ernennung offenbar sicher
In Paris gilt es als so gut wie sicher, dass Sarkozys Berater, der frühere Arbeitsminister Franois Fillon, zum Premierminister ernannt wird. "Fillon bereitet die neue Regierung vor", an seiner Ernennung sei kaum zu zweifeln, schrieb der konservative "Figaro" am Dienstag. Der 53-Jährige vertritt als Linksgaullist den sozialen Flügel der Regierungspartei UMP und steht auch für die von Sarkozy gewollte Öffnung. Die "Financial Times" hatte berichtet, Sarkozy habe am Wahlabend im Telefongespräch mit dem britischen Premier gefragt, ob Tony Blair nicht "ein paar Worte mit dem nächsten Premierminister Frankreichs" wechseln wolle und sein Handy an Fillon weitergereicht.
Der noch amtierende Präsident Jacques Chirac hat am Dienstag bei der Feier des alliierten Sieges über Nazi-Deutschland am 8. Mai 1945 ein letztes Mal eine öffentliche Zeremonie als Staatschef geleitet. Umgeben von mehreren Ministern legte Chirac am Grabmal des Unbekannten Soldaten unter dem Pariser Triumphbogen einen Kranz nieder. Er wird am 16. Mai die Amtsgeschäfte an Sarkozy übergeben.
Quelle: ntv.de