Politik

Deutscher Außenminister hält Fäden zusammen Wie Steinmeier das Ukraine-Problem lösen will

Frank-Walter Steinmeier auf dem Weg zu einem Außenministertreffen in Paris. Eigentlich hatte es um den Libanon gehen sollen, wegen der aktuellen Lage wurde aber auch über die Ukraine gesprochen.

Frank-Walter Steinmeier auf dem Weg zu einem Außenministertreffen in Paris. Eigentlich hatte es um den Libanon gehen sollen, wegen der aktuellen Lage wurde aber auch über die Ukraine gesprochen.

(Foto: AP)

Die EU ist schwach, die Amerikaner mit den Russen zerstritten. Nun ist es an Deutschland, in der Ukraine-Frage zu vermitteln. Außenminister Steinmeier nimmt die Aufgabe dankend an.

Auf einmal ist Frank-Walter Steinmeier wieder in seinem Element. Von Berlin aus pfeift er seine osteuropäischen Kollegen zurück, die sofortige Sanktionen fordern. In Brüssel gibt den Ton für die Krisendiplomatie vor. In Genf nimmt er seinen russischen Kollegen ins Gebet.

Der Chef des Auswärtigen Amtes tut so, als sei er nie weg gewesen. Und das ist gut so: In der Krise um die Ukraine ist der deutsche Außenminister so gefragt wie kein anderer. Seine Arbeit kann darüber entscheiden, wie sie ausgeht.

Deutschland hat eine besondere Stellung, weil viele der anderen möglichen Akteure ausfallen. Steinmeier dagegen will aktiv sein und die Lücke füllen, die sein Amtsvorgänger Guido Westerwelle hinterlassen hat. Der konnte zwar seiner FDP ein ungeahnt gutes Wahlergebnis verschaffen, dann aber blieb er als Außenminister blass und löste mit der Enthaltung zum Libyen-Einsatz international Verwirrung aus.

Eigentlich wäre die EU gefragt

Steinmeier dagegen hatte als Spitzenkandidat 2009 das schlechteste Wahlergebnis der SPD-Nachkriegsgeschichte zu verantworten, obwohl er davor als Außenminister Punkte gesammelt hatte. Gerade in der Ostpolitik hatte er sich einen Namen gemacht. Er profitierte davon, dass er schon unter Putin-Freund Gerhard Schröder Kanzleramtsminister war. Westerwelle und auch Angela Merkel waren den Russen auf einer persönlichen Ebene nie besonders nahe gekommen.

Eigentlich ist die EU in der Pflicht. Ihr Angebot eines Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen hat Russland aufgeschreckt. Seine Ablehnung hat die Demonstrationen auf dem Maidan ausgelöst, die den Umsturz in Kiew und letztlich die aktuelle Krise zur Folge hatten. Doch die EU ist zu schwach, um Krisendiplomatie zu betreiben.

Das monatelange Aushandeln eines Abkommens funktioniert in Brüssel gut. Die Außenbeauftragte Catherine Ashton hat sich in anderen, lange schwelenden Konflikten verdient gemacht. Aber Krisendiplomatie gehört nicht zu den Stärken ihres diplomatischen Dienstes – um es freundlich auszudrücken. Hinderlich ist vor allem die Tatsache, dass Ashton sich für weitreichende Entscheidungen der Unterstützung aus 28 Hauptstädten versichern muss. Um auf akute Krisen zu reagieren ist die EU damit einfach noch viel zu langsam.

Abgekühlte Männerfreundschaft

Die USA haben das erkannt. Präsidenten-Beraterin Victoria Nuland machte das Anfang Februar in einem Telefongespräch mit dem US-Botschafter in der Ukraine sehr deutlich. Das Gespräch wurde von Unbekannten mitgeschnitten und ins Internet gestellt und sorgte in Brüssel für Irritationen. Denn Nuland hatte einen deftigen Ausdruck gebraucht, um ihre Sicht darzustellen: "Fuck the EU."

Viel besser machen es die Amerikaner aber auch nicht. Das persönliche Verhältnis zwischen Barack Obama und Wladimir Putin gilt als unterkühlt. Außenminister John Kerry hatte im vergangenen Jahr noch mühsam versucht, gute Beziehungen zu seinem russischen Kollegen Lawrow aufzubauen. Wenn sie sich trafen, klopften sie sich vor den Kameras auf die Schultern und inszenierten eine Art Männerfreundschaft. Dass der syrische Machthaber Baschar al-Assad seine Chemiewaffen abgibt, verkauften sie als gemeinsamen Erfolg. Trotzdem ist die Syrienkrise weiter eskaliert und sie USA und Russland verfolgen dabei gegenteilige Interessen.

Zu Wort melden sich auch die östlichen EU-Staaten von Estland bis Ungarn. Sie haben die Befürchtung, dass Russland durch eine erfolgreiche Besetzung der Ostukraine neues Selbstbewusstsein schöpft und versucht, seine Hegemonie auf ehemalige Ostblockstaaten auszudehnen. "Wir wissen, dass das Raubtier durch das Fressen immer mehr Appetit bekommt", sagte Polens Außenminister Radoslaw Sikorski. Die Osteuropäer rufen nach möglichst schnellen und harten Sanktionen.

Deutsche Vorschläge finden Gehör

Steinmeier verhinderte, dass diese Forderung zur offiziellen EU-Position wurde. Er fürchtete, dass in diesem Fall die Gesprächsfäden abreißen. Seit Tagen telefoniert Steinmeier mit Außenministern und Regierungschefs um solche Störungen zu vermeiden und die Diplomatie in Gang zu halten.

Erste kleine Erfolge kann er vorweisen. Eine "Kontaktgruppe", bestehend aus den Außenministern der Ukraine, Russlands, Deutschlands und weiterer Staaten soll sicherstellen, dass die Diplomatie aufrechterhalten wird. Gleichzeitig soll die OSZE Beobachter auf die Krim schicken um die Lage objektiv einschätzen zu können. Beide Vorschläge kommen aus Deutschland und sind von Russland zumindest noch nicht zurückgewiesen worden. Die nächste Aufgabe wird sein, auf dem Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag in Brüssel eine gemeinsame Position herzustellen.

Für Steinmeier persönlich ist die Mission Ukraine die erste Bewährungsprobe seiner ambitionierten außenpolitischen Vorstellungen. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz hatte er verkündet, Deutschland müsse sich "früher, entschiedener und substantieller einbringen." Nun kann er zum ersten Mal zeigen, was er sich darunter vorstellt.

Quelle: ntv.de

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