Weitere Razzien, weitere Festnahmen Wie nah sind sich Islamisten aus Paris und Brüssel?
25.03.2016, 20:16 Uhr
Bei dem spektakulären Einsatz im Brüsseler Bezirk Schaerbeek kamen auch Sprengstoffspezialisten zum Einsatz.
(Foto: dpa)
Im November starben 130 Menschen in Paris, diese Woche mehr als 30 in Brüssel. Täter beider Anschläge standen in Verbindung, das ergeben nun die Ermittlungen. Bei neuen Hausdurchsuchungen werden derweil weitere Verdächtige verhaftet.
Die Verflechtungen zwischen den islamistischen Milieus in Belgien und Frankreich werden immer deutlicher sichtbar. In Brüssel wurden im Tagesverlauf insgesamt drei Verdächtige festgenommen. Die Razzien standen in Zusammenhang mit einem erst kurz zuvor vereitelten Anschlagsplan in Frankreich. Wegen der offenbar konkreten Vorbereitungen war dabei ein in Belgien verurteilter Islamist nahe Paris festgenommen worden. Der 34-jährigen Reda Kriket wurde am Donnerstagabend in einer Wohnung in Argenteuil nahe der französischen Hauptstadt festgesetzt.
Kriket soll Verbindungen zu dem mutmaßlichen Drahtzieher der Pariser Anschläge, Abdelhamid Abaaoud, gehabt haben. Abaaoud war wenige Tage nach den Pariser Anschlägen bei einem Polizeieinsatz getötet worden. Laut Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve wurde nun mit der Festnahme Krikets ein "im fortgeschrittenen Stadium geplantes Attentat in Frankreich vereitelt". Bei der Durchsuchung der Wohnung in Argenteuil fanden die Ermittler mehrere Schnellfeuergewehre sowie Sprengstoff, unter anderem TATP, das bei den Anschlägen von Paris und vermutlich auch von Brüssel verwendet wurde.
Die gestrige Festnahme Krikets löste zudem drei neue Anti-Terror-Einsätze in Brüssel aus. Laut der Staatsanwaltschaft wurde bei Wohnungsdurchsuchungen in den drei Stadtteilen Forest, Schaerbeek und Saint-Gilles jeweils ein Verdächtiger festgenommen. Der Festgenommene in Schaerbeek wurde dabei verletzt: In einer dramatischen Aktion an einer Straßenbahnhaltestelle schossen Beamte ihm ins Bein. In dem Stadtteil, von dem aus die Brüsseler Attentäter am Dienstagmorgen gestartet waren, war in dieser Woche bereits eine Bombenwerkstatt entdeckt worden. In der Nacht zu Freitag waren im Zuge der Ermittlungen zu den Brüsseler Anschlägen bereits sechs Verdächtige festgenommen worden. Die Terrorwarnstufe im Land wurde allerdings bereits am Donnerstagabend von der höchsten Stufe 4 auf 3 gesenkt.
Pannen sollen Folgen haben
Weiter flüchtig sind dagegen zwei Männer, die auf Bildern von Überwachungskameras neben den drei Selbstmordattentätern vom Dienstag zu sehen sind. Zwei der Attentäter - Ibrahim El Bakraoui und Najim Laachraoui - hatten sich am Brüsseler Flughafen in die Luft gesprengt. Ibrahims Bruder Khalid El Bakraoui zündete in einer U-Bahn-Station im Brüsseler Europaviertel einen Sprengsatz. Insgesamt wurden bei den Anschlägen 31 Menschen getötet und rund 300 weitere verletzt.

Die Lage ist nach wie vor angespannt: Das Gepäck einer Frau wird an einer Brüsseler U-Bahn-Station durchsucht.
(Foto: REUTERS)
Laachraoui war bereits im Zusammenhang mit den Pariser Anschlägen gesucht worden, bei denen am 13. November 130 Menschen getötet wurden. Der belgischen Staatsanwaltschaft zufolge wurde seine DNA auf Sprengsätzen gefunden, die bei den Pariser Anschlägen verwendet wurden, sowie auf einem in der Pariser Konzerthalle Bataclan gefundenen Stofffetzen.
Die während der Ermittlungen zu den Terroranschlägen in Brüssel bekannt gewordenen Fahndungspannen sollen derweil konkrete Folgen haben: Nach dem Willen des belgischen Innenministers Jan Jambon soll es ein Disziplinarverfahren gegen einen Polizisten geben, der als Verbindungsoffizier in Istanbul tätig war. "Jemand aus dem Polizeiapparat hat gepatzt", sagte der Minister laut Nachrichtenagentur Belga. Der Polizist habe im vergangenen Jahr erfahren, dass die Türkei Ibrahim El Bakraoui wegen Terrorverdachts festgenommen und schließlich in die Niederlande ausgewiesen hatte. Auf diese Information habe der Verbindungsoffizier nicht schnell genug reagiert, so Jambon. Angesichts der Affäre um die Ausweisung El Bakraouis haben sowohl Jambon als auch Justizminister Koen Geens ihren Rücktritt angeboten, was Premier Charles Michel jedoch ablehnte.
Hollande warnt vor weiteren Netzwerken
Frankreichs Präsident François Hollande sagte, das Netzwerk der Attentäter von Paris und Brüssel sei dabei, "vernichtet zu werden". Aber es gebe "andere Netzwerke", die eine "Bedrohung" darstellten, sagte er bei einem Treffen mit dem früheren israelischen Präsidenten Schimon Peres in Paris. US-Außenminister John Kerry zeigte sich bei einem Besuch in Brüssel solidarisch: "Je suis Bruxellois" und "Ik ben Brussel", sagte Kerry in den Landessprachen Französisch und Flämisch. Mindestens zwei US-Bürger - ein Bruder und eine Schwester aus New York - wurden bei den Anschlägen getötet.
Unter den aus insgesamt neun Nationen stammenden Todesopfern ist auch eine Frau aus Aachen, wie die Aachener Polizei bestätigte. Ihr Mann liegt noch schwer verletzt in einer belgischen Klinik. Alle anderen Verletzten aus Deutschland konnten dagegen entlassen werden. In Deutschland wurden zudem im Zusammenhang mit den Brüsseler Anschlägen zwei Verdächtige festgenommen. Sie sollen Verbindungen zu den Attentätern gehabt haben, hieß es in Medienberichten. Die Festnahmen fanden im Raum Düsseldorf und im Raum Gießen statt.
Der am 18. März in Brüssel festgenommene Paris-Attentäter Salah Abdeslam will derweil seit den Anschlägen vom Dienstag nicht mehr mit den Ermittlern reden. Das sagte Belgiens Justizminister Koen Geens vor Parlamentariern. Laut der Nachrichtenagentur Belga bezog sich der Minister auf Informationen der Staatsanwaltschaft. Diese bestätigte, dass der vor einer Woche festgenommene Abdeslam unmittelbar nach den Anschlägen am vergangenen Dienstag verhört wurde, aber nichts gesagt habe. Der 26-Jährige war den bisherigen Ermittlungen zufolge an den Pariser Anschlägen beteiligt und stand in Kontakt zu den Brüsseler Attentätern. Frankreich fordert Abdeslams Auslieferung, dieser stemmt sich inzwischen nicht mehr dagegen.
Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP