Politik

Fernverkehr um Berlin gestört Wieder Brandsatz gezündet

Die Berliner S-Bahn ist ein kompliziertes und unübersichtliches System - und daher anfällig.

Die Berliner S-Bahn ist ein kompliziertes und unübersichtliches System - und daher anfällig.

(Foto: REUTERS)

Wieder werden an der Berliner S-Bahn Brandsätze entdeckt. Einer zündet laut Polizei offenbar "irgendwie". Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Bosbach, sieht "massive Probleme insbesondere mit dem gewaltbereiten Linksextremismus". Das Bundesinnenministerium betrachtet dies etwas entspannter. Reisende müssen sich indes auf Verspätungen einstellen.

Ein Polizist untersucht einen Fundort.

Ein Polizist untersucht einen Fundort.

(Foto: REUTERS)

In Berlin sind an Bahnstrecken weitere entdeckt worden. Einer davon hat laut Polizei "in irgendeiner Weise irgendwie gezündet". Er wurde nahe dem Bahnhof Staaken im Westen Berlins gefunden. Verletzt wurde niemand. Weitere Funde gab es zwischen den Bahnhöfen Schöneberg und Südkreuz. Der Verkehr sei wegen der Polizeieinsätze an beiden Orten unterbrochen, teilte die Bahn mit. Fern- und Regionalzüge nach Westen und die S-Bahn im Süden werden umgeleitet.

Die Berliner Polizei verstärkt indes ihre Fahndung nach den vermutlich linksextremen Brandstiftern, die in den vergangenen Tagen den Bahnverkehr in der Hauptstadt aushebeln wollten. Der polizeiliche Staatsschutz übernahm die Ermittlungen.

Am Dienstag hatten Bahnmitarbeiter weitere Brandsätze an Gleisen der Bahn gefunden. Die Brandsätze wurden entdeckt, noch ehe sie zündeten. Möglicherweise hatte das Regenwetter Schlimmeres verhindert. Am Montag hatte ein Brandsatz westlich von Berlin Kabelstränge der Bahn zerstört. Zahlreiche Züge fielen aus oder hatten Verspätungen. Verletzt wurde niemand.

Am Grünauer Kreuz werden verschiedene Brandsätze entdeckt.

Am Grünauer Kreuz werden verschiedene Brandsätze entdeckt.

(Foto: AP)

Parallel zu den Anschlägen war am Montag im Internet ein Bekennerschreiben einer linken Gruppierung aufgetaucht. Dort hieß es, die Anschläge richteten sich gegen den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Sabotagehandlungen an mehreren Kabelschächten der Bahn sollten die Hauptstadt "in den Pausenmodus" zwingen, hieß es in der Erklärung. Gefasst werden konnte bislang niemand.

Verfassungsschutz: Kein Rückhalt in Bevölkerung

Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach, sagte bei n-tv, dass linksextremistische Gewalttaten in diesem Jahr deutlich gestiegen seien. Er rief dazu auf, "äußerst wachsam" zu sein. Deutschland habe "massive Probleme insbesondere mit dem gewaltbereiten Linksextremismus".

Zugleich kritisierte er es als einen "kapitalen politischen Fehler" des Senates hier in Berlin, dass in den letzten Jahren über 3000 Stellen im Polizeibereich abgebaut wurden. "In keiner anderen deutschen Großstadt hat es bei der Polizei einen so massiven Stellenabbau gegeben wie hier in Berlin. Hier brauchen wir die politische Trendwende." Die Bürger müssten wachsam sein.

Auch Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann zeigt sich in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" besorgt: "Der Linksextremismus eskaliert zum Linksterrorismus." Die jüngsten Anschlagsversuche auf Bahnanlagen seien keine Zufallstaten mehr. "Das ist eine weitere Verschärfung im Rahmen einer ganzen Kette linksextremistischer Anschläge." Schünemann erinnerte an die in den 70er Jahren aktiven Revolutionären Zellen: "Der Weg von Brandanschlägen zu gezielten Mordanschlägen ist nicht weit."

Innenministerium sieht keinen neuen Linksterrorismus

Das Bundesinnenministerium sieht dagegen nach den versuchten Brandanschlägen auf Bahnanlagen in Berlin noch keinen neuen Linksterrorismus in Deutschland. Es gebe bislang keine Hinweise darauf, dass aus den linksextremistischen Strukturen bereits linksterroristische Vereinigungen im Sinne des Strafgesetzbuches geworden seien, sagte Ministeriumssprecher Jens Teschke. "Trotzdem sind wir der Ansicht, dass wir auf der Hut sein und allen Strukturen im Ansatz entschieden entgegenwirken müssen, die sich zum Linksterrorismus entwickeln können."

Auch hunderte Polizisten mehr können nicht viel ausrichten.

Auch hunderte Polizisten mehr können nicht viel ausrichten.

(Foto: dpa)

Der Verfassungsschutz geht von einer isolierten Einzelgruppe aus. "Derartige Angriffe auf Infrastruktur, mit dem Ziel maximalen Schaden zu verursachen, sind auch für die gewaltbereite Szene in Berlin eine Besonderheit", sagte Verfassungsschutzchefin Claudia Schmid dem "Tagesspiegel". Die Sabotageaktion sei ein Eigentor für die Täter. "Für Anschläge in dieser Dimension gebe es kaum Rückhalt, weil damit die ganz normale Bevölkerung getroffen wird." Bereits der Brandanschlag auf Kabelstränge am S-Bahnhof Ostkreuz im Mai sei in der Szene umstritten gewesen.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich verurteilte die Anschlagsversuche. "Durch die versuchten Brandanschläge wird meine Sorge um den zunehmenden Linksextremismus leider bestätigt", sagte der CSU-Politiker der Tageszeitung "Die Welt".

Fernverkehr gestört

Nach der Strecke Berlin-Hamburg ist nun auch die zweite wichtige Fernbahnstrecke von und nach Berlin blockiert. Züge von und nach Hannover werden umgeleitet und brauchen zum Teil bis zu eine Stunde länger, wie eine Bahnsprecherin sagte. Wie die IC- und ICE-Züge von und nach Hamburg wird auch die Ost-West-Verbindung über die parallele Strecke über Stendal umgeleitet. "Dort ballt sich jetzt alles", hieß es.

Reisende müssen sich auf Verspätungen einstellen.

Reisende müssen sich auf Verspätungen einstellen.

(Foto: dpa)

Damit sind zwei der drei wichtigen Berliner ICE-Strecken blockiert. Über die Hannover-Strecke fahren auch Züge nach Frankfurt und ins Ruhrgebiet und das Rheinland. Das bedeutet auch zusätzliche Einschränkungen für Reisende von und nach Hamburg, deren eigentliche Strecke schon seit Montag gesperrt ist. Sie wird frühestens am Donnerstag freigegeben, teilte die Bahn mit.

Aus Sicht des Fahrgastverbands Pro Bahn müssen sich Reisende keine Sorgen machen. "Es wurde kein Brandsatz genau unter einem Zug gezündet", sagte Verbandsvorsitzender Karl-Peter Naumann.

Kontrollen verstärkt

Bahn und Bundespolizei verstärkten die Kontrollen deutschlandweit. In Berlin und Brandenburg wurde das Sicherheitspersonal aufgestockt. Ein Sprecher der Bundespolizei sagte, es seien sowohl uniformierte Polizisten als auch Zivil-Fahnder unterwegs. Auch ein Hubschrauber, der mit einer Wärmebildkamera ausgestattet ist, war im Einsatz. Die Bundesanwaltschaft übernahm inzwischen die Ermittlungen zu den Brandanschlägen. Das Bundeskriminalamt sei mit den weiteren Ermittlungen beauftragt, sagte ein Sprecher.

Quelle: ntv.de, ghö/dpa

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