Politik

Brennpunkt Cottbus Wo Gewalt für Hass genutzt wird

Fremdenhass unter dem Deckmantel der Heimatliebe: Teilnehmer der Kundgebung des Vereins "Zukunft Heimat" am am 20. Januar in Cottbus.

Fremdenhass unter dem Deckmantel der Heimatliebe: Teilnehmer der Kundgebung des Vereins "Zukunft Heimat" am am 20. Januar in Cottbus.

(Foto: dpa)

Gewaltbereite Flüchtlinge auf der einen Seite, ausländerfeindliche Deutsche auf der anderen, dazwischen die Unbescholtenen. Bei einer solchen Gemengelage entsteht Energie. Zu sehen am Wochenende in Cottbus.

Cottbus, im südöstlichen Zipfel Brandenburgs an der Grenze zu Sachsen gelegen. Mit knapp 100.000 Einwohnern ist sie die zweitgrößte Stadt des Bundeslandes. Die meisten Menschen sind heimatverbunden. Ausländerfeindlich sind sie deshalb nicht. Auch dann nicht, wenn der rechtspopulistische Bürgerverein "Zukunft Heimat" und die AfD zu einer Demonstration gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung aufrufen, so wie am vergangenen Samstag. Zwei gewalttätige Übergriffe durch syrische Flüchtlinge innerhalb weniger Tage waren der Anlass.

Mehr als 1500 Menschen folgten dem Aufruf, "um den öffentlichen Raum zu verteidigen", wie es auf der Webseite des Vereins hieß. Wie RBB-Reporter Sebastian Schiller im Gespräch mit n-tv.de sagte, waren auch viele bekannte Rechtsextremisten vor Ort. Aber auch "ganz normale Bürger", die sich mit den "Opfern solidarisieren" wollten.

Als dann auf der Rednerbühne Christoph Berndt, Vorsitzender des Bürgervereins, über den "Kontrollverlust an unseren Grenzen" sprach und von den "Rotzlöffeln", die "nichts für unser Land getan" hätten und dennoch den "Vortritt gegenüber Einheimischen" beanspruchten, sei die Stimmung gekippt. Es seien "Ausländer raus"-Rufe skandiert worden sowie "Lügenpresse" und "Volksverräter".

Aufruf zum Medienhass

RBB-Reporter Schiller berichtet von der bedrückenden Situation: "Wir Journalisten wurden sehr schnell Gegenstand des Hasses und standen bei den Demonstranten auf einer Stufe mit den gewaltbereiten Syrern." Von Rednern auf der Bühne seien ein RBB-Beitrag "regelrecht auseinandergenommen" und Namen von Redakteuren genannt worden, die "heute auch unter uns sind". Vereinzelt hätten die Menschen gefragt, wo "der Kerl sei", man sich "Namen und Gesichter für später" merke. Schließlich hätten die Demonstranten "Scheiß RBB" skandiert.  

Inmitten der Gemengelage schubste ein 44-jähriger Mann eine auf einer Bank stehende Journalistin, die gerade Fotos machte. Die Frau konnte sich abfangen und blieb unverletzt. Fast zeitgleich rempelte ein 25-Jähriger einen Journalisten an. Dadurch sei das Handy des Journalisten zu Boden gefallen und beschädigt worden, berichtet der Redakteur weiter. Die Polizei konnte beide Tatverdächtige stellen. Sie ermittelt nun wegen Sachbeschädigung und versuchter Körperverletzung.

Unschöne Grüße von der Feuerwehr

Als besonders verstörend fand Schiller, als "hinter uns ein Feuerwehrwagen vorbeifuhr, seinen Lautsprecher einschaltete und 'die Patrioten in Cottbus' begrüßte." Gegen den Mann sei ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden. "Es kann nicht angehen, dass über Fahrzeuge der Verwaltung politische Überzeugungen verbreitet werden. Das widerspricht dem Neutralitätsgebot", sagte der Pressesprecher der Stadt, Jan Gloßmann, später dem RBB.

Am Schluss der Demonstration bedankten sich die Veranstalter bei der Polizei sowie ausdrücklich auch bei der Feuerwehr der Stadt Cottbus.

Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter hatte bereits in der vergangenen Woche drastische Schritte wegen der jüngsten Gewaltvorfälle in Cottbus angekündigt. So würde in den kommenden Monaten keine weiteren Flüchtlinge mehr der Stadt zugewiesen. Diese Einschränkung gelte allerdings nur für die Erstaufnahme. "Tatsächlich ist es aber so, dass allein durch den Zuzug von Familien oder Angehörigen der in der Stadt untergebrachten erstaufgenommenen Flüchtlinge wohl auch weiter neue Bürger in die Stadt gelangen werden", stellt Schiller klar. Den Nachzug von Angehörigen der Flüchtlinge aus anderen Regionen könne das Innenministerium gar nicht beeinflussen. Das müssten die Kommunen unter sich regeln.

Sebastian Schiller, selbst ein Cottbusser, glaubt indes nicht daran, dass seine Heimatstadt ein größeres Problem mit Asylbewerbern hat als andere Städte in Deutschland. "In den 1990er-Jahren hat es hier viel mehr rechte Gewalt gegeben als jetzt. Cottbus ist genauso wenig eine Nazi-Stadt, wie ein syrischer Messerstecher nicht gleich für alle syrischen Flüchtlinge steht." Genauso sei nicht gleich jeder AfD-Wähler ein Neonazi. Gleichwohl würden die AfD und andere rechte Gruppen solche Zwischenfälle wie in Cottbus für sich nutzen, um politisch einen Vorteil daraus zu ziehen. "Was heute in Cottbus passiert ist, kann morgen auch in anderen Städten geschehen. Das ist kein Ost-Problem und auch kein West-Problem. Das ist ein Problem, das die Bundesregierung in Angriff nehmen muss."

Quelle: ntv.de, ppo

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