Politik

Rösler und Röttgen sind sich nicht grün Zank behindert Energiewende

Zwei Stühle, zwei Meinungen: Norbert Röttgen (links) und Philipp Rösler.

Zwei Stühle, zwei Meinungen: Norbert Röttgen (links) und Philipp Rösler.

(Foto: picture alliance / dpa)

Es hakt bei der Umsetzung der Energiewende. Wer nach den Gründen sucht, landet schnell bei zwei Personen: Wirtschaftsminister Rösler und Umweltminister Röttgen. Die Kabinettskollegen liefern sich aktuell einen Kleinkrieg um eine EU-Richtlinie zum Energiesparen. Es ist nicht der einzige Streit um Zuständigkeiten in der Energiepolitik.

Die Ausdrücke sind nicht sehr freundlich. Von einem Tollhaus ist die Rede. Und von einem gezielten Austricksen. Dass sich Bundeswirtschafts- und Bundesumweltminister getreu dem Gegensatz "Ökonomie versus Ökologie" reiben, ist nicht neu. Aber dass es ausgerechnet nach der weltweit einmaligen Stilllegung von acht Atomkraftwerken zu immer neuen Konflikten kommt, ist nicht nur für das schwarz-gelbe Erscheinungsbild unschön. Der Bürger bekommt den Eindruck, die Energiewende laufe nicht rund. Und der deutschen Wirtschaft fehlt wegen der Uneinigkeit die Planungssicherheit.

Was ist passiert? Am Dienstag trafen sich Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Umweltminister Norbert Röttgen (CDU), um endlich eine Haltung zu den EU-Vorschlägen zu finden, wie bis 2020 rund 20 Prozent weniger Energie als noch 2008 verbraucht werden kann.

Knackpunkt war der Artikel 6 des wesentlich von Deutschland betriebenen Richtlinienvorschlags von Energiekommissar Günther Oettinger (CDU). Der sieht vor, dass Energieversorger pro Jahr 1,5 Prozent weniger Strom und Wärme absetzen - indem sie Kunden zum Beispiel durch Energieberatungen oder mit Tipps für energiesparende Heizungen und Geräte helfen.

Rösler gegen "Planwirtschaft"

Rösler sah aber bei der Nachweispflicht für hunderte Versorger große bürokratische Hürden aufziehen. Nach dem Treffen hieß es, man sei sich einig. Rösler betonte, alles sei freiwillig. Doch anders als Rösler dachte, war das 1,5-Prozent-Ziel nicht so vom Tisch. Statt eines Zwangs für Energieversorger sollte die deutsche Position in Brüssel nun sein, dass die Einsparung auch anders erreicht werden kann. Ein Protokoll wurde angefertigt, dass Röttgen, Bauminister Peter Ramsauer (CSU) und Kanzleramtschef Ronald Pofalla absegneten.

Über den weiteren Verlauf gehen die Meinungen auseinander. In Regierungskreisen heißt es, Rösler habe Pofalla abends zugestimmt. Später aber habe Rösler die Zustimmung zum Kompromiss widerrufen. Röttgen verkündete in einer Debatte im Bundestag, er und Rösler seien sich einig beim verbindlichen Einsparziel von 1,5 Prozent.

Im Wirtschaftsministerium wird betont, Rösler habe dem Protokoll zu keiner Zeit zugestimmt. Das Ganze sei Planwirtschaft, da mache er nicht mit. In Röslers Haus ist man verärgert über Röttgen und droht nun mit einem Scheitern der ganzen EU-Richtlinie. Aber der Handlungsdruck ist groß. Das Thema Energieeffizienz wird im Vergleich zur Bedeutung bisher meist stiefmütterlich behandelt. Ohne weitere Einsparungen ist der Atomausstieg kaum zu schaffen. Und man braucht tausende Kilometer neue Netze und mehr neue Kraftwerke.

Streit um Zuständigkeiten

Eine Fraunhofer-Studie für den Europaabgeordneten Peter Liese (CDU) kommt zu dem Ergebnis, dass Deutschland mit den jetzigen Maßnahmen, etwa energetischen Gebäudesanierungen, nur 10 Prozent Einsparungen bis 2020 schaffen würde - mit dem zusätzlichen festen Minderungsziel der EU von jährlich 1,5 Prozent könnte die Lücke geschlossen werden. Laut einer anderen Studie könnten bis zu 120.000 neue Jobs im Bereich der deutschen Energieeffizienzbranche entstehen.

Unions-Politiker wie Energieexperte Thomas Bareiß (CDU) fordern schon länger ein Energieministerium, da es wegen der gemeinsamen Zuständigkeiten von Wirtschafts- und Umweltressort immer wieder zu Streit bei der Gestaltung der Energiewende kommt. So stritten Röttgen und Rösler schon in der Nacht des Atomausstiegs im Kanzleramt, wer welche Zuständigkeiten bekommt. Rösler darf nun Kraftwerks- und Netzausbau überwachen, Röttgen den Ausbau der erneuerbaren Energien.

Streit auf Streit

Der aktuelle Konflikt ist die zweite Missstimmung binnen einer Woche. Als Rösler Röttgen empfahl, er solle doch die Solarförderung auf 1000 Megawatt begrenzen, war man im Umweltministerium überrascht - aber auch in der FDP-Fraktion. Schließlich hatte sich der Parteitag im Mai, bei dem Rösler zum Vorsitzenden gewählt wurde, gegen einen festen Deckel ausgesprochen. Stattdessen will man wie Röttgen eine ständige Kappung der Förderung, wenn eine bestimmte Anzahl neuer Anlagen ans Netz geht. SPD und Grüne kritisieren, Rösler torpediere die Energiewende und schaffe Unsicherheit, statt Probleme zu lösen. Rösler selbst warnt vor "grünen Träumereien", ihm geht es darum, dass die Energiepolitik nicht zu sehr die deutsche Industrie belastet.

Klaus Töpfer, der als Vorsitzender der Ethikkommission für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den Masterplan für den Atomausstieg und die Energiewende entwickelt hatte, sagte jüngst an die Adresse Röslers, die Wende sei "zu tiefgreifend, als dass man sie nur als Nebensache betrachten kann". Röttgen sei doch der einzige im Kabinett, "der das Thema wirklich aktiv verfolgt und vorantreibt".

Quelle: ntv.de, Georg Ismair, dpa

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