Ausgeliehen und abgezockt Zeitarbeitsfirmen öfter unseriös
07.07.2010, 17:17 Uhr
Leiharbeiter gibt es heute in zahlreichen Branchen. Oft gibt es starke Unterschiede im Vergleich zu den "normalen" Beschäftigten.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Zeitarbeitsfirmen haben nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums in den vergangenen Jahren häufig die gesetzlichen Vorschriften missachtet. Die Zahl der Bußgeldverfahren wegen Verstößen gegen die Leiharbeits-Regelungen habe sich von 510 im Jahr 2005 auf 2139 im Jahr 2008 erhöht. Dies geht aus einer Antwort des Arbeitsministeriums hervor, die der "Süddeutschen Zeitung" vorliegt. Die Zahl der Beschäftigten in der Leiharbeiter-Branche stieg seit 2004 (300.000) auf nun etwa 750.000.
Als besonders gravierende Verfehlungen nennt das Ministerium unter anderem die falsche Anwendung von Tarifverträgen. Außerdem zahlten Zeitarbeitsunternehmen bei Krankheit den Lohn teilweise nicht weiter, gäben Sozialversicherungsbeiträge oder Steuern unzureichend oder verspätet ab oder gewährten Urlaubsansprüche und Urlaubsgeld nicht vollständig.
"Offensichtlich nimmt die Bundesregierung in Kauf, dass Tarifverträge in der Leiharbeitsbranche gegen Gesetze verstoßen", kritisierte die Grünen-Sprecherin für Arbeitnehmerrechte, Beate Müller-Gemmeke. Die Bundesregierung prüfe die Gesetzmäßigkeit der Tarifverträge nicht selber, sondern berufe sich auf die Zuständigkeit der Gerichte. "Daran muss sich etwas ändern", so Müller-Gemmeke. "Die Bundesregierung muss die Leiharbeitsbranche dringend regulieren und dafür sorgen, dass der Missbrauch endlich eingedämmt wird."
Staat prüft weniger
Trotz der Verstöße ging die Zahl der Prüfungen bei den Firmen im vergangenen Jahr leicht auf 1429 zurück. Bezogen auf die Zahl der Zeitarbeitsfirmen sank die Prüfquote damit von 9,02 Prozent (2008) auf 8,58 Prozent 2009. Das Arbeitsministerium hat dem "SZ"-Bericht zufolge inzwischen erste Konsequenzen gezogen. Von Mitte Juli an erhält die Bundesagentur 25 zusätzliche Prüfer, die befristet bis Ende 2011 die Zeitarbeitsfirmen durchleuchten sollen. Die Zahl der Prüfer steigt damit auf etwa 100.
Es habe sich gezeigt, dass die Kontrollen ungenügend seien und die verhängten Bußgelder kaum Wirkung zeigten, sagte Müller-Gemmeke. Die 25 zusätzlichen Prüfer seien "nur ein Tropfen auf den heißen Stein." Auch die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linken, Sabine Zimmermann, zeigte sich empört. Leiharbeitskräfte seien gesetzlich ohnehin in fast allen Belangen schlechter gestellt. "Es ist deshalb ein Skandal, dass viele Unternehmen sich noch nicht einmal an diese unzureichenden Bestimmungen halten."
Der Chef des SPD-Arbeitnehmerflügels, Ottmar Schreiner, forderte mehr Prüfer bei der Bundesagentur für Arbeit. Die Ankündigung der Regierung, die Zahl der Prüfer 100 zu erhöhen, sei "völlig unzureichend", erklärte Schreiner. Unternehmen müsse bei Missbrauch künftig auch die Lizenz entzogen werden können.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP