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Daten aus dem Zentralregister Wie viele Syrer leben in Deutschland?

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Hoffnung für ein kriegszerstörtes Land: Kinder in ihrem Schulhof in der nordsyrischen Provinz Idlib Mitte Oktober.

Hoffnung für ein kriegszerstörtes Land: Kinder in ihrem Schulhof in der nordsyrischen Provinz Idlib Mitte Oktober.

(Foto: REUTERS)

Der Krieg in Syrien trieb Millionen Menschen in die Flucht: Auf der Suche nach Schutz und Sicherheit erreichen ab 2015 auch Tausende Deutschland. Bundeskanzler Merz sieht keine Asylgründe mehr und will mit "Rückführungen" aus Deutschland beginnen. Wie viele Menschen betrifft das?

Mit seinen Äußerungen zur Perspektive der Syrer in Deutschland hat Bundeskanzler Friedrich Merz Aufmerksamkeit auf die Lage der Flüchtlinge im Land gelenkt. Der CDU-Politiker hatte sich Anfang der Woche für eine Rückkehr der Schutzsuchenden in ihre Heimat ausgesprochen. "Der Bürgerkrieg in Syrien ist beendet", sagte Merz wörtlich. "Es gibt jetzt keinerlei Gründe mehr für Asyl in Deutschland und deswegen können wir auch mit Rückführungen beginnen."

Die Aussagen verändern die Aussichten für Hunderttausende Menschen im Land. Im kriegszerstörten Syrien zeichnet sich nach dem Sturz des Assad-Regimes vor knapp einem Jahr der Beginn einer neuen politischen Phase ab. Die neuen Machthaber rund um den früheren Rebellen-Anführer Ahmed al-Scharaa wollen das Land befrieden. Als Interimspräsident leitet al-Scharaa eine Übergangsregierung. Anfang Oktober fanden in Teilen des Landes Parlamentswahlen statt. Faktisch wird Syrien jedoch bisher weiterhin von unterschiedlichen Kräften kontrolliert.

Vor dem Krieg in Syrien sind einer UN-Schätzung zufolge insgesamt rund 7 Millionen Menschen ins Ausland geflohen. In Deutschland kamen davon nur ein Bruchteil unter. Die Mehrheit der Kriegsflüchtlinge kam vorübergehend in den Nachbarländern Türkei, Libanon, Jordanien, Irak und Ägypten unter. Millionen Syrer leben zudem als Binnenvertriebene im Land.

In Deutschland hielten sich laut amtlicher Zählung zuletzt weniger als eine Million Menschen mit syrischer Staatsbürgerschaft auf. Ende Dezember 2024 lebten nach Angaben des Statistischen Bundesamts rund 975.100 Syrer in Deutschland - Frauen, Männer, Alte und auch Kinder.

Zum Vergleich: Im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung in Deutschland entspricht das einem Anteil von knapp 1,2 Prozent. Als Schutzsuchende im Sinne der deutschen Asylgesetzgebung waren davon 712.985 Personen registriert.

Angaben zur Anzahl der Syrer in Deutschland lassen sich in verschiedenen Quellen finden. Das Statistische Bundesamt zum Beispiel wertet auf Grundlage einer eigenen Methodik die Zahlen aus dem Ausländerzentralregister aus. Daneben pflegt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) eine gesonderte Zählung, die sich auf die im Haus vorliegenden Asylanträge stützt. Zwischen beiden Zahlenwerken gibt es Abweichungen, die auf unterschiedliche Fragestellungen und teils auch abweichende Erhebungszeiträume zurückgehen.

Fallende Schutzquote, kaum noch Asyl für Syrer

Menschen aus Syrien, die sich in Deutschland integrieren und es bis zur Einbürgerung schaffen, werden in diesen Aufstellungen ebenso wenig erfasst wie alle übrigen syrischstämmigen Mitbürger, die womöglich schon in zweiter oder dritter Generation in Deutschland leben. Die Statistiker sprechen in diesem Zusammenhang von Menschen mit Einwanderungsgeschichte. Unter den Schutzsuchenden aus aller Welt bildete Syrien im zurückliegenden Jahr das zweitwichtigste Herkunftsland nach der Ukraine.

Die Überlegungen von Bundeskanzler Merz beziehen sich offenkundig auf jene Kriegsflüchtlinge, die in Deutschland in den Jahren ab 2015 Schutz gesucht haben. Einer Auswertung des Statistischen Bundesamts zufolge haben 60 Prozent dieser Menschen eine befristete Aufenthaltserlaubnis aus "humanitären Gründen" erhalten, weitere 10 Prozent dürfen in Deutschland zunächst aus "familiären Gründen" bleiben und weitere 10 Prozent haben einen sogenannten Aufenthaltstitel beantragt. Sie warteten zum Zeitpunkt der Erhebung noch auf eine Entscheidung.

Sieben Prozent halten eine unbefristete Niederlassungserlaubnis in Händen. Weniger als 1 Prozent sind vorerst geduldet. Weitere acht Prozent verteilen sich auf kleinere Gruppen, die entweder aufgrund einer laufenden Ausbildung eine befristete Aufenthaltserlaubnis bekamen, eben erst einen Asylantrag gestellt haben oder erst vor Kurzem ins Land kamen. 4,1 Prozent lebten demnach ohne Aufenthaltstitel in Deutschland.

Die Aussichten auf Asyl sind für Antragssteller mit syrischer Staatsbürgerschaft bereits deutlich geschwunden. Die Schutzquote, also der Anteil der bewilligten Asylbescheide, ist in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres von 86,1 Prozent auf 0,5 Prozent gefallen.

Das heißt: Syrer erhalten schon jetzt kaum noch Schutz in Deutschland. Die auffallend niedrige Schutzquote von 0,5 Prozent dürfte ausschließlich auf begründete Ausnahmefälle zurückgehen. "Ich setze darauf, dass ein großer Teil der Flüchtlinge, die aus Syrien sind, jetzt von sich aus in das Land zurückkehren und dort am Wiederaufbau teilnehmen", erklärte Friedrich Merz Anfang der Woche in Husum. Ohne diese Menschen sei der Wiederaufbau Syriens nicht möglich.

"Diejenigen, die sich dann in Deutschland weigern, in das Land zurückzukehren, die können wir selbstverständlich auch in Zukunft abschieben", fügte der CDU-Politiker hinzu. Merz sagte, dass es sicherlich viele Syrer geben werde, die von sich aus Deutschland verlassen würden. "Wir wissen ja, dass ein ganz großer Teil der Syrer zurückkehren will. Das werden wir fördern und wir werden auch dem Land helfen, es schnell wieder aufzubauen."

Zum Wiederaufbau nach Syrien?

Der deutsche Bundeskanzler blickt zuversichtlich auf die Sicherheitslage in Syrien. Merz bemühte sich, eine viel zitierte Äußerung von Außenminister Johann Wadephul zu relativieren. Der hatte sich bei seinem Besuch in der syrischen Hauptstadt Damaskus Ende Oktober an das "Deutschland von 1945" erinnert gefühlt. Nach einer "halbstündigen Fahrt durch eine apokalyptische Landschaft in der Mitte von Damaskus" sagte Wadephul, dort könne man "nicht menschenwürdig leben".

Der Außenminister habe sich damit nicht gegen Rückführungen ausgesprochen, betonte Merz - eine Einschätzung, die sein Parteifreund und Kabinettskollege mittlerweile bestätigte. Wadephul habe, so der Kanzler, einen Teil von Damaskus besucht, der nicht nur besonders stark zerstört, sondern zum Teil auch vermint sei. Unabhängig davon sehe er den Zeitpunkt für eine Rückkehr der in Deutschland aufgenommenen Syrer für gekommen.

Auf die Frage, warum immer wieder auch gut integrierte Menschen aus Deutschland abgeschoben würden, sagte der Kanzler, dass man künftig Asylverfahren und Arbeitszuwanderung voneinander trennen wolle. "Ich bin sehr unglücklich darüber, dass wir immer noch diejenigen, die wir eigentlich in den Arbeitsmarkt integrieren könnten oder zum Teil schon in den Arbeitsmarkt integriert haben, immer noch im Asylverfahren haben", sagte er.

"Unser Vorschlag ist, dass wir das durch ein komplett getrenntes Verfahren zwischen Asyl und Integration in den Arbeitsmarkt administrativ in Zukunft besser machen, und dazu dient diese sogenannte Work-and-Stay-Agentur. Und übersetzt heißt das: Ja, arbeiten und bleiben."

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Das deutsche Außenministerium beurteilt die Situation in Syrien offiziell deutlich skeptischer als Kanzler Merz. "Die Sicherheitslage in Syrien und der Region bleibt volatil", heißt es in einer aktuellen Einschätzung des Auswärtigen Amtes. "Es kommt immer noch zu bewaffneten Auseinandersetzungen in verschiedenen Teilen des Landes, zuletzt in der südlichen Region Suwaida, aber auch immer wieder im Nordosten und Westen des Landes."

Die Übergangsregierung in Damaskus hat demnach bisher noch keine Kontrolle über das gesamte Land erlangt. Politische Vereinbarungen, wie die Verkündung einer Verfassungserklärung am 14. März 2025 und Waffenstillstände hätten noch zu keiner nachhaltigen Beruhigung der Lage geführt.

Quelle: ntv.de, mmo/rts

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