Merry Old England Zwei Lords suspendiert
20.05.2009, 20:45 Uhr Der Spesen-Skandal und Korruptionsvorwürfe haben binnen 28 Stunden in den beiden Kammern des britischen Parlaments historische Ereignisse heraufbeschworen. Erstmals seit dem 17. Jahrhundert wurden zwei Lords aus dem britischen Oberhaus ausgeschlossen. Sie sollen sich bereit gezeigt haben, gegen Zahlung hoher Geldsummen für Gesetzesänderungen einzutreten. Die einstimmige Entscheidung des Oberhauses (House of Lords) fiel nur einen Tag, nachdem der Präsident des Unterhauses (House of Commons) Michael Martin wegen des Spesenmissbrauchs von Abgeordneten seinen Rücktritt angekündigt hatte. Martin war der erste "Speaker" seit mehr als 300 Jahren, der auf Druck der Abgeordneten zurücktreten musste.
Die beiden Oberhaus-Mitglieder hatten bestritten, Geld für Gefälligkeiten kassieren zu wollen. Eine Untersuchungskommission hatte sie jedoch des ungebührlichen Verhaltens für schuldig befunden. Den beiden Lords waren Reporter der "Sunday Times" auf die Schliche gekommen. Die Journalisten hatten sich als Lobbyisten eines ausländischen Geschäftsmanns ausgegeben, der eine Ladenkette in Großbritannien ansiedeln wollte und mit ihrer Hilfe auf Steuererleichterungen hoffte.
Vor Martin legte ein Justiz-Staatssekretär sein Amt nieder, zwei Abgeordnete der regierenden Labour-Partei wurden aus ihrer Fraktion ausgeschlossen, ein Abgeordneter der oppositionellen Konservativen stellte seine Arbeit für Parteichef David Cameron ein.
Vom Unterhaus in Großbritannien werden alle Gesetze auf den Weg gebracht. Das Oberhaus hat vor allem beratende Funktion für Gesetzentwürfe des House of Commons. In einigen Bereichen können die nicht gewählten Lords auch ein Veto mit aufschiebender Wirkung einlegen.
Brown will keine Neuwahlen
Unterdessen lehnte Premierminister Gordon Brown nach der Rücktrittsankündigung des Parlamentspräsidenten Forderungen nach Neuwahlen ab. "Wir haben die Pflicht, das Problem zu lösen", sagte Brown. Angesichts des Spesenskandals hatte Oppositionschef Cameron in einem Schlagabtausch mit dem Regierungschef erneut für eine Neuwahl geworben, um die "Lähmung" der Regierung zu beenden. In Großbritannien muss spätestens Mitte 2010 gewählt werden. Brown kann den Termin aber auch vorziehen.
Seit bald zwei Wochen stehen Unterhaus-Politiker aller Parteien wegen Missbrauchs von Steuergeldern am Pranger. Sie hatten im Zusammenhang mit ihren Zweitwohnungen dubiose und teils betrügerische Spesen und Ausgaben verrechnet. So war in den Medien enthüllt worden, dass Steuerzahler für Arbeiten an einem Swimmingpool, einem Tennisplatz oder für Luxusrenovierungen in Wohnungen ihrer Volksvertreter geradestehen mussten. Zudem wurde Geld für Hypotheken eingestrichen, die längst abbezahlt waren. Aber auch für Mäusegift, Glühlampen, Hundefutter oder das Entfernen von Maulwurfslöchern kamen die Steuerzahler ungewollt auf.
Mittlerweile hat die Regierung eine neue Spesenordnung angekündigt. Außerdem stellte Brown eine baldige Reform des Unterhauses in Aussicht. Das Unterhaus könne künftig nicht mehr wie ein "Klub von Gentlemen" geführt werden, dessen Mitglieder die Regeln selbst festsetzen, sagte der Premier. Vielmehr müsse es ein "System der externen Kontrolle" geben. Nur so könne das Vertrauen der Öffentlichkeit zurückgewonnen werden.
Quelle: ntv.de