FDP-Umweltexperte Michael Kauch "Das erhöht den Wettbewerb"
19.05.2011, 12:06 UhrDie großen Energieversorger werden im Zuge der Energiewende Marktanteile verlieren, sagt der FDP-Umweltpolitiker Michael Kauch. "Das finde ich auch gut, denn das erhöht den Wettbewerb."
n-tv.de: Kann das Energiesystem, wenn die erneuerbaren Energien einen höheren Anteil am Stromverbrauch erreichen, genauso organisiert sein wie bislang?

Michael Kauch ist umweltpolitischer Sprecher der FDP im Bundestag.
(Foto: picture alliance / dpa)
Michael Kauch: Nein, natürlich nicht. Wobei die Gleichung "erneuerbar gleich dezentral" falsch ist. Es gibt Erneuerbare, die zentral sind, und es gibt dezentrale konventionelle Technologien. Aber in der Summe wird ein auf erneuerbare Energien ausgerichtetes Energiesystem natürlich dezentraler sein. Dabei werden insbesondere die ländlichen Räume Energieversorgungsfunktionen für die Ballungsräume übernehmen müssen, die bislang zentralisiert in den Ballungsräume stattgefunden haben.
Welche Rolle bleibt für die großen Energieversorger, wenn die Energieversorgung auf ein stärker dezentrales System umgestellt wird?
Ich sehe das Thema Dezentralität zunächst einmal als Anlagendezentralisierung. Eine andere Frage ist, ob oder wie stark die vier großen Energieversorgungsunternehmen dann am Markt partizipieren. Ich glaube nicht, dass die Antwort darauf schwarz-weiß sein wird. Die großen Versorgen können sehr wohl auch in dezentrale Strukturen investieren. Aber ich gehe natürlich davon aus, dass der Anteil anderer Marktanbieter durch eine dezentralere Struktur steigt. Die sind einfach in der Fläche stärker.
Bisher scheint es so zu sein, als hätten die großen Unternehmen eher ein Interesse an zentralen Anlagen, auch im Bereich der erneuerbaren Energien.
Klar, das ist deren Stärke. Die können große Investitionssummen bewegen. Das macht es ihnen zugleich schwerer, in dezentrale Anlagen zu investieren, weil der Aufwand für sie unangemessen steigt. Deswegen werden sie Marktanteile verlieren. Das finde ich auch gut, denn das erhöht den Wettbewerb.
Damit stehen die Interessen der Allgemeinheit und die der großen Energieversorger in einem Konflikt.
Das sehe ich nicht ganz so zwingend. Wie gesagt, erneuerbar ist nicht gleich dezentral. Wir haben gerade im Bereich der Offshore-Windparks einen großen Block der Energieversorgung, der weiterhin zentral sein wird.
Aber Sie haben auch gesagt, die großen Energieversorgen werden Marktanteile verlieren.
Weil an anderen Stellen, etwa im Bereich der Biomasse oder der Onshore-Windkraft, im fossilen Bereich auch bei den Blockheizkraftwerken, die kleineren Anbieter stärker in den Regionen verortet sind und deswegen die Märkte auch schneller erschließen können. Das ist ein Wettbewerb, und wir stehen auf der Seite des Wettbewerbs.
Haben Sie den Eindruck, dass dieser Interessenkonflikt in den Parteien und in der Bundesregierung klar benannt und offen ausgetragen wird?
Wir richten unsere Energiepolitik nicht an der Frage aus, ob etwas dezentral oder zentral ist, auch nicht an der Frage, ob es einem großen oder kleinen Unternehmen gehört, sondern daran, ob die Funktionsfähigkeit des Gesamtsystems gewährleistet wird. Unser Ziel ist ja nicht zu planen, wer welche Marktanteile bekommt. Unser Ziel ist, dass möglichst viel Wettbewerb herrscht. Und dass wir eine Energieversorgung bekommen, die klimafreundlich, versorgungssicher und bezahlbar ist. In diesem Zieldreieck - Bezahlbarkeit, Netzstabilität und Klimaschutz - muss sich der Ordnungsrahmen bewegen. Wenn der festgelegt ist, dann wird der Wettbewerb zeigen, welche Anbieter welche Marktanteile bekommen. Da muss man sich aus meiner Sicht nicht auf die Seite des einen oder anderen Anbieters schlagen.
SPD-Chef Sigmar Gabriel hat gesagt, er wolle die Marktmacht der großen Energie-Unternehmen beschränken. Der Chef der nordrhein-westfälischen SPD-Landesgruppe hat ihm gleich widersprochen. Sie kommen selbst aus Nordrhein-Westfalen - wie stark ist denn der Druck der großen Energieversorger, beim zentralen System zu bleiben?
Wir haben hier in Nordrhein-Westfalen mit RWE und Eon nicht nur zwei der großen vier Energieversorger, sondern wir haben auch Kommunen und Stadtwerke, die mit diesen Konzernen eng verwoben sind. Die Ruhrgebietskommunen sind einer der größten Anteilseigner von RWE. RWE wiederum beteiligt sich an Tochtergesellschaften der Stadtwerke, zum Beispiel in Dortmund. Das erklärt die Interessenlage des SPD-Kollegen. Wir machen hier aber nicht Politik für einzelne Regionen, sondern für ganz Deutschland. Das Gesamtenergiesystem muss stimmen, das Licht darf an keiner Stelle ausgehen. Gleichzeitig müssen wir sicherstellen, dass unsere großen Industriebetriebe, die zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen sitzen, eine ausreichend stabile Energieversorgung haben. In Essen, in der Nähe meines Wahlkreises, gibt es ein Aluminiumwerk. Wenn da der Strom über mehrere Stunden ausfallen würde, dann können die das Werk dicht machen und neu bauen.
Aber Sie erwarten schon einen eher dezentralen Energiemarkt.
Das ist allein schon deshalb notwendig, weil wir einen wesentlichen Anteil aus der Biomasse brauchen, und die Biomasse ist nun einmal dezentral. Es macht keinen Sinn, nicht aus ökologischer, aber auch nicht aus ökonomischer Sicht, biologische Rohstoffe von Brandenburg nach NRW zu karren, um sie dort zu verstromen. So etwas macht man vor Ort.
Was halten Sie von der verstärkten Förderung von Offshore-Windkraft, die Minister Röttgen gerade plant?
Die FDP spricht sich für das sogenannte Stauchungsmodell bei der Offshore-Förderung aus. Das bedeutet: Die Vergütung fällt pro Jahr höher aus, wird aber für einen kürzeren Zeitraum gezahlt. In der Summe darf dies für den Verbraucher nicht teurer werden.
Welche Folgen hat ein eher dezentrales Netz für den Netzausbau? Ist wirklich ein so starker Bau von Nord-Süd-Trassen nötig, wenn Süddeutschland bei den Erneuerbaren ein wenig nachrüstet?
Ich würde die Gegenthese aufmachen: Eine stärker dezentrale Energieversorgung bedarf gerade eines stärkeren Netzausbaus. Das ist immer dieses kuschelige Bild eines Dorfes, das sich selbst versorgt. Das ist schön, aber auch diese Menschen kaufen Güter in ihrem Supermarkt, die woanders produziert werden. Wir müssen nicht nur das Licht für dieses Dorf bereitstellen, sondern auch den Strom für die Güter, die sie konsumieren. Wir haben die Situation ja schon in Sachsen-Anhalt und in Mecklenburg-Vorpommern. Das sind Strom-Exporteure - wegen der dort installierten Onshore-Windkraft. Das Netz in Mecklenburg-Vorpommern würde zusammenbrechen, wenn der dort produzierte Strom nicht in andere Bundesländer exportiert werden könnte. Je mehr dezentrale Windkraftanlagen wir in Mecklenburg-Vorpommern haben, desto stärker wird der Bedarf, diesen Strom auch abzutransportieren.
Mit Michael Kauch sprach Hubertus Volmer
Quelle: ntv.de