Einheitssatz von 25 Prozent Kirchhof will Steuer-Revolution
28.06.2011, 10:18 Uhr
Paul Kirchhof machte sich schon 2005 für einen einheitlichen Steuersatz stark.
(Foto: picture alliance / dpa)
Für seinen ersten Versuch, das deutsche Steuerrecht fundamental zu verändern, erntet der ehemalige Verfassungsrichter Kirchhof 2005 viel Häme. Nun wagt er einen zweiten Versuch. Sein "Bundessteuergesetzbuch" sieht vor allem eine radikale Vereinfachung des bisherigen Systems vor. Dabei kann sich der "Herr Professor" auf eine prominente Fürsprecherin verlassen.
Mitten in der Koalitionsdebatte über Steuersenkungen hat der Staatsrechtler Paul Kirchhof ein Konzept für eine radikale Steuervereinfachung vorgelegt. Der Entwurf für ein "Bundessteuergesetzbuch", den Kirchhof in Karlsruhe vorstellte, fasst das gesamte bisherige Steuerrecht in einem einzigen Gesetz zusammen. Zentrale Forderung Kirchhofs ist weiterhin ein einheitlicher Steuersatz von 25 Prozent, der sowohl für Arbeitseinkommen, Unternehmensgewinne und Kapitalerträge gelten soll.
"Ich glaube daran, dass sich der große Gedanke durchsetzt", sagte Kirchhof, der bereits im Bundestagswahlkampf 2005 als potenzieller Finanzminister für die Union aufgetreten war und damals für seine Idee eines einheitlichen Steuersatzes viel Häme einstecken musste. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) nannte den Schattenminister nur spöttisch "Herr Professor aus Heidelberg".
Der jetzige, viel umfassendere Entwurf entstand in einem Forschungsprojekt unter Beteiligung von sechs Bundesländern. Das bisherige Steuerrecht, das tausende von Einzelregelungen umfasst, die auf zahlreiche Gesetze verteilt sind, soll in einem einzigen Gesetz mit 146 Paragrafen zusammengefasst werden.
Vereinfachung auf allen Ebenen
Die Reform sei aufkommensneutral, erklärte Kirchhof. "Der Staat soll vor und nach der Reform die gleiche Summe bekommen - aber die Gesamtlast wird gerechter auf viele Schultern verteilt." Für niedrige Einkommen soll es Freibeträge geben: Die ersten 10.000 Euro bleiben steuerfrei, dann steigt die Steuerlast in zwei Stufen an, erst ab 20.000 Euro werden die vollen 25 Prozent fällig. Für Kinder soll es einen Freibetrag von 8000 Euro pro Kind geben. Steuervergünstigungen wie etwa die Pendlerpauschale oder die Steuerfreiheit für Nachtzuschläge sollen abgeschafft werden.
Die bisherige Unterscheidung zwischen verschiedenen Einkunftsarten soll entfallen. Auch die verschiedenen Steuersätze für Körperschaftssteuer (bislang 15 Prozent), privates Kapitalvermögen (25 Prozent) und Einkommenssteuer (14 bis 45 Prozent) sollen sich erübrigen. Der neue Entwurf regelt auch die Erbschafts- und Schenkungssteuer. Hier plant Kirchhof einen einheitlichen Satz von zehn Prozent. Eine Erbschaft unter Ehegatten soll steuerfrei sein, für Kinder sieht er einen Freibetrag von 400.000 Euro vor, für andere von 50.000 Euro. Für Hausrat kämen 20.000 Euro hinzu.
Auch die Umsatzsteuer will der Direktor des Instituts für Finanz- und Steuerrecht an der Uni Heidelberg mit einem Federstreich vereinfachen. Das komplizierte System des Vorsteuerabzugs bei zwischenunternehmerischen Umsätzen wird abgeschafft und nur noch die Leistung beim Endkunden belastet.
Schließlich sieht das Kirchhof-Modell eine Verbrauchssteuer auf Energie, Tabak und Alkohol vor - also den Verbrauch von Produkten, durch die der Allgemeinheit Kosten entstehen. Alle übrigen Verbrauchssteuern will er abschaffen.
Lieberknecht drängt ihre Partei

Thüringens Ministerpräsidentin Lieberknecht zeigt sich überzeugt von Kirchhofs Plänen.
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Eine prominente Fürsprecherin hat Kirchhof in Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht. "Das Steuerkonzept von Paul Kirchhof führt zu einer konsequenten und radikalen Vereinfachung", erklärte die CDU-Politikerin der "Mitteldeutschen Zeitung. "Und die Frage der Vereinfachung steht vor jeder Steuersenkungsdebatte. Es ist ein Gebot der Demokratie in unserem Land, dass der Bürger verstehen muss, was er tut. Und am Ende ist es auch die gerechtere Besteuerung."
Lieberknecht fügte hinzu: "Wir haben im Moment im Bundestag die Mehrheit, die man braucht, um ein solches Modell durchzusetzen. Die Debatte im Bundesrat muss man dann führen. Es spricht überhaupt nichts dagegen, dieses Modell aufzugreifen.
Poß fehlen die Neuerungen
Auch der Vorsitzende des Finanzausschusses im Bundestag, Volker Wissing, äußerte Sympathie für die Vorschläge. "Das Interesse an den Vorschlägen von Herrn Kirchhof zeigt, dass das Thema Steuervereinfachung nach wie vor für die Menschen ein ganz wichtiges Thema ist." Zugleich äußerte der FDP-Politiker Kritik an der Union: "Ich finde es bemerkenswert, dass die CDU-Ministerpräsidenten, die eine klare Absage an Steuervereinfachung gegenüber der FDP geäußert haben, jetzt plötzlich für Steuervereinfachungen im Sinne von Herrn Kirchhof eintreten."
Der SPD-Finanzexperte Joachim Poß äußerte sich skeptisch. "Das ist nichts Neues. Nur der zehnte Aufguss von Kirchhof", sagte er mit Blick auf die früheren Vorschläge des Heidelberger Professors. Wer alles in 146 Paragrafen unterbringen wolle, müsse überdies Rechte des Parlaments einschränken und Entscheidungsbefugnisse auf die Exekutive verlagern. "Unter verfassungsrechtlichen Aspekten halte ich das für fragwürdig." Verlierer einer Reform wären voraussichtlich geringverdienende Steuerpflichtige mit hohen Abzügen, etwa Pendler und Nachtarbeiter.
Quelle: ntv.de, dpa/rts