Politik

Thomas Strobl im Interview "Es geht allein um Rechthaberei"

"Selbstverständlich gibt es eine Grenze, wo man vielleicht sagen muss: Jetzt ist das Projekt zu teuer, jetzt müssen wir eine Reißleine ziehen", sagt der neue baden-württembergische CDU-Chef Thomas Strobl im Interview mit n-tv.de. Zugleich betont er, er habe "keinerlei Anzeichen dafür, dass es eine solche Entwicklung gibt".

Thomas Strobl

Thomas Strobl

(Foto: dpa)

n-tv.de: Die Bahn hat den Stresstest bestanden, glauben Sie, dass die Grünen ihren Widerstand gegen Stuttgart 21 nun aufgeben werden?

Thomas Strobl: Ich glaube, dass es den Gegnern von Stuttgart 21 insgesamt sehr schwer fällt, überhaupt irgendetwas zu akzeptieren. Es gab ein Schlichtungsverfahren, moderiert durch den von den Grünen vorgeschlagenen Schlichter Heiner Geißler, und als den Gegnern von Stuttgart 21 das Ergebnis nicht in den Kram gepasst hat, waren auf einmal Schlichter und Schlichterspruch nicht mehr akzeptabel. Dann wurde von den Gegnern die Schweizer Gesellschaft sma für den Stresstest vorgeschlagen. Jetzt liegt das Ergebnis vor und man will es nicht akzeptieren. Ich glaube, dass die Gegner, und dazu gehören ja auch die Grünen, Argumenten einfach nicht mehr zugänglich sind. Es geht allein um Rechthaberei.

Heiner Geißler bemängelt nun, dass die Bahn es mit dem neuen Bahnhof nicht schaffe, Verspätungen abzubauen, außerdem fordert er, dass der Bahnhof behinderten- und familienfreundlich gebaut wird. Das klingt ein bisschen danach, als sollten die Kosten in die Höhe getrieben werden, um doch noch einen Ausstieg zu schaffen.

Heiner Geißler hat ja am Ende des Schlichtungsverfahrens "Stuttgart 21 plus" vorgeschlagen, also ein optimiertes Stuttgart 21. Ich selber finde auch, nichts ist so gut, dass es nicht noch besser werden könnte. Wenn es weitere Optimierungen gibt - im Bereich der Familienfreundlichkeit, im Bereich der Behindertengerechtigkeit -, dann ist das nur zu begrüßen. Wie ich höre, bewegen sich die dafür notwendigen Summen in einem zweistelligen Millionenbereich. Angesichts der Gesamtkosten ist das ein eher überschaubarer Betrag. Stuttgart 21 bleibt mit diesen Optimierungen im Kostenrahmen.

Aus Aktenvermerken des Verkehrsministeriums geht hervor, dass man dort bereits im November 2009 Schätzungen von mehr als 5 Milliarden Euro für realistisch hielt; damals amtierte noch CDU-Ministerin Tanja Gönner. Offiziell liegen die Kosten für den Bahnhof derzeit bei 4,1 Milliarden Euro, der Gesamtkostenrahmen wurde auf 4,5 Milliarden begrenzt. Glauben Sie, dass diese Grenze zu halten sein wird?

Ganz offen gesprochen: Ich kann dies nicht hinreichend beurteilen. Hier fehlen mir einfach die Fachkenntnisse. Ich gehöre auch nicht zu den Hobby-Eisenbahnern, die besser als alle Ingenieure, alle Techniker, alle Kaufleute, die sich seit anderthalb Jahrzehnten professionell mit diesem Thema beschäftigen. Ständig alles besser wissen, das überlasse ich Grünen wie dem Tübinger Oberbürgermeister Palmer. Dessen Argumente allerdings so schwach sind, dass er nicht einmal in seinem eigenen Gemeinderat überzeugen kann. Der Gemeinderat von Tübingen hat sich ja mehrheitlich für Stuttgart 21 ausgesprochen.

Was würde denn passieren, wenn die Kostenobergrenze nicht gehalten werden kann? Wenn die Bahn irgendwann sagen muss, es wird teurer als 4,5 Milliarden Euro?

Dann wird es sein, wie es immer ist, wenn ein Großprojekt sich verteuert: Dann werden diejenigen, die es bezahlen müssen, sich darüber verständigen müssen, in welcher Art und Weise das geschieht. Selbstverständlich gibt es eine Grenze, wo man vielleicht sagen muss: Jetzt ist das Projekt zu teuer, jetzt müssen wir eine Reißleine ziehen. Ich füge aber ganz klar hinzu, ich habe keinerlei Anzeichen dafür, dass es eine solche Entwicklung gibt.

Wie geht es nun weiter? Glauben Sie, dass die Volksabstimmung im Herbst stattfindet?

Die grün-rote Landesregierung muss liefern, was sie möglicherweise etwas leichtfertig, möglicherweise auch vorsätzlich, im Wahlkampf versprochen hat. Sie will die Volksabstimmung über ein Ausstiegsgesetz ermöglichen, das im Kabinett bereits verabschiedet wurde und im Landtag durchfallen soll. Die Opposition wird genau prüfen, ob dieses Gesetz verfassungsgemäß ist. Wenn es Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit gibt oder wenn es sogar so ist, dass erkennbar ein verfassungswidriges Gesetz gemacht wurde, nur um Stuttgart 21 zu verhindern, dann muss die CDU den Staatsgerichtshof einschalten.

Das Quorum für den Volksentscheid liegt bei 33,33 Prozent. Grün-Rot wollte die Hürde auf 20 Prozent senken. Warum haben Sie nicht zugestimmt? Das derzeitige Quorum ist ja deutlich höher als in den meisten anderen Bundesländern.

Das ist wahr. Deshalb hatte die CDU, unabhängig von Stuttgart 21, bereits einmal angeboten, das Quorum abzusenken. Die Grünen haben das damals abgelehnt. Sie haben dann unter der geltenden Rechtslage im Wahlkampf versprochen, eine Volksabstimmung durchzuführen. Sie haben das nie konditioniert, sie haben nie gesagt, wir führen die Volksabstimmung nur durch, wenn wir das Quorum absenken können. Sie haben die Volksabstimmung ohne Vorbehalt versprochen. Das ist angesagt worden, das muss jetzt eingelöst werden.

Halten Sie es für denkbar, dass der Landtag von Baden-Württemberg das Quorum nach einer Volksabstimmung zu Stuttgart 21 doch noch absenkt?

Alles fließt, nichts ist in Beton gegossen. Darüber kann man sicherlich sprechen. Es ist ein hohes Quorum, wir waren schon einmal bereit, es abzusenken. Ich schließe nicht aus, dass es zu einem späteren Zeitpunkt dazu kommt.

Wie bewerten Sie eigentlich die Arbeit des Schlichters?

Heiner Geißler hat einen wirklich guten Job gemacht. Ich erinnere mich noch sehr gut, welch aufgeheizte, welch hasserfüllte, ja, auch welch gewaltbereite Stimmung wir im Herbst vergangenen Jahres in Stuttgart hatten. Ich bin jetzt seit über 30 Jahren im politischen Nahkampf und habe so viel Feindseligkeit, so viel Hass und Gewaltbereitschaft noch nicht erlebt. Heiner Geißler ist es gelungen, das zu versachlichen. Es ist nicht mehr nur geschrien und gepöbelt worden, sondern es wurden Argumente ausgetauscht. So muss das in einer Demokratie sein.

Mit Thomas Strobl sprach Hubertus Volmer

Quelle: ntv.de

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