Eigenverantwortung kommt billiger? FDP verteidigt Mietpauschale
28.05.2010, 16:30 Uhr
Eigenverantwortung bei 359 Euro plus Wohnkosten?
(Foto: picture alliance / dpa)
Die FDP fordert eine Mietpauschale für Hartz-IV-Empfänger. Während Sozialverbände eine zunehmende Ghettoisierung von Langzeitarbeitslosen fürchten, sehen die Liberalen ihren Vorstoß als würdewahrende Maßnahme mit Einsparungspotenzial.

Johannes Vogel hält die Mietpauschale für das "ethischere System".
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Die FDP hat Kritik an ihrem Vorschlag einer Mietpauschale für Hartz-IV-Empfänger zurückgewiesen. Es gehe nicht darum, dass Hartz-IV-Empfänger weniger Geld für Wohnkosten erhielten, sagte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Johannes Vogel. Der "unbestimmte Rechtsbegriff von den angemessenen Wohnkosten" führe jedoch zu einer Vielzahl von Prozessen gegen ALG-II-Bescheide, sagte Vogel n-tv.de. "Mit einer relativ einfachen regional differenzierten Pauschale könne man hier Bürokratiekosten sparen, ohne dass die Betroffenen weniger Geld bekommen."
Vogel betonte, in schwachen Zeiten könne kein Haushaltsbereich außer der Bildung vom Sparen ausgenommen werden. Gerade im Sozialbereich komme es aber darauf an, intelligent zu sparen. Dagegen wandte sich der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider. Bei Hartz-IV-Empfängern könne man "beim besten Willen nicht sparen", sagte Schneider n-tv.de.
FDP-Generalsekretär Christian Lindner hatte vorgeschlagen, Hartz-IV-Empfänger sollten künftig eine Mietpauschale erhalten. "Sie soll sich am örtlichen Mietniveau orientieren", sagte Lindner der "Bild"-Zeitung. "Dann ist es egal, wie groß und wie teuer die Wohnung der Betroffenen ist."
Gefahr von Ghettos
Dieser Vorschlag würde "zur Ghettoisierung von Hartz-IV-Beziehern führen", sagte Schneider. "Wir kommen hier in eine Situation, wo man arme Menschen dazu verleiten will, in Renovierungsgebiete zu ziehen. Die Konsequenz dieses Vorschlags wären neue soziale Brennpunkte."
Diesen Vorwurf wies Vogel zurück. Es gebe bereits heute klare Kostenkorridore für die Miet- und Energiekosten. "Ich sehe nicht, dass durch die Auszahlung einer Mietpauschale in derselben Höhe die Gefahr einer Ghettoisierung größer wird. Für die ALG-II-Empfänger überwiegen doch klar die Vorteile einer Pauschale. Diese müssten nicht mehr ihren Mietvertrag beim Amt offenlegen und die Kostenübernahme beantragen, sondern können wie jeder andere Bürger eigenverantwortlich über ihre Wohnung entscheiden. Das ist in meinen Augen würdewahrender und damit das ethischere System."

Ulrich Schneider befürchtet eine Ghettoisierung durch die Mietpauschale.
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Schneider hält dieses Argument für vorgeschoben. "Bei 359 Euro plus Wohnkosten" gebe es keinen Spielraum. "Hartz-IV-Empfänger sind froh, wenn sie es bis zum 20. eines Monats schaffen. Die letzten zehn Tage müssen viele sehen, wie sie irgendwie über die Runden kommen." Bei Umsetzung des FDP-Vorschlags würde ein "Sog" entstehen: "Die Leute würden möglichst billige Wohnungen suchen, um ein paar Euro zusätzlich zu haben. Dann hätten wir eine Ghettoisierung."
Widerspruch von Verfassungsrichtern
Zugleich betonte Schneider, dass der FDP-Vorschlag nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar ohnehin keine Chancen auf Umsetzung habe. Das Gericht habe festgelegt, dass besonderem, wiederkehrendem Bedarf auf Einzelantrag hin immer wieder entsprochen werden muss. "Die Folge einer Mietpauschale wäre eine Flut von Anträgen, denn im Existenzbereich der Wohnung gibt es unzweifelhaft häufig besonderen, wiederkehrenden Bedarf - da reicht der Nachweis, dass eine billigere Wohnung nicht zumutbar ist, etwa wenn eine Alleinerziehende die Kinder aus der Schule nehmen oder Betreuungsmöglichkeiten aufgeben müsste oder wenn jemand seine in der Nähe wohnenden Eltern pflegt."
Schneider zeigte sich erstaunt, "dass man nach diesem Urteil überhaupt noch auf die Idee kommen kann, bei Hartz IV etwas einzusparen". Der FDP-Vorschlag zeige, "dass einige Politiker völlig reflexhaft immer auf diejenigen schielen, die sich am wenigsten wehren können".
Die FDP wertet das Verfassungsgerichtsurteil hingegen in erster Linie als Entscheidung über den Regelsatz, nicht zu den Unterkunftskosten. "Die Verfassungsrichter haben unter anderem gesagt, es muss bei Sätzen eine Öffnungsklausel für besonderen Bedarf geben. Schon in der Urteilsbegründung haben die Richter übrigens klar gestellt, dass dies nur sehr wenige Fälle betreffen wird. Das ist aber völlig unabhängig davon, ob man die Mietkosten pauschal auszahlt oder nicht", so Vogel.
Quelle: ntv.de, hvo/sba