"Die Mitte" Abgrenzungsparteitag der CDU
25.11.2007, 16:16 UhrAngesichts der Zahl der Gegenanträge dürfte Kanzlerin Angela Merkel vor dem am kommenden Sonntag beginnenden CDU-Parteitag nur schwer zu erholsamem Schlaf finden. Satte 2.400 Änderungswünsche formulierte die eifrige Basis in den vergangenen Monaten zum Vorschlag für ein neues Grundsatzprogramm, das in Hannover verabschiedet werden soll. Und das, obwohl die CDU-Chefin und ihr Vorstand im Sommer einstimmig schon Ja zu den 97 Seiten gesagt hatten. Macht statistisch 24,7 Anträge pro Blatt, was für eine Partei wie die CDU ein Wert ist, der auf geheime umstürzlerische Umtriebe hindeuten könnte.
Nun wissen selbst Parteitags-Veteranen nie genau, wie solche Treffen ablaufen. Aber trotz der hohen Zahl der Wortmeldungen von der Basis, spricht wenig dafür, dass die Stimmung auf dem Messegelände von Hannover revolutionären Charakter annehmen und sich nicht der Vorfreude auf das langsam nahende Weihnachtsfest anpassen wird. Schon in den vergangenen Wochen versuchte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla, jeden auch nur ansatzweise erkennbaren Streit auszuräumen.
Insbesondere den Anhängern konservativen Gedankenguts in Partei kam Pofalla im Einklang mit der Kanzlerin entgegen. Unter denen hatte sich in den vergangenen Monaten zunehmende Unzufriedenheit breitgemacht, weil sie - die Bauchschmerzen der Linken in der SPD lassen grüßen - die Handschrift der Union in der großen Koalition vermissten. Es war, wie einige Abgeordnete in Berlin berichten, aber eher ein Murren in den Hinterzimmern, denn auf offener Bühne. Aber es fehlt den Konservativen seit einiger Zeit an Frauen und Männern, die ihre Stimme kraftvoll erschallen lassen können.
Betreuungsgeld für die Konservativen
Um alle Strömungen zufrieden zu stellen, ist nun auch die Parteispitze dafür, dass das Betreuungsgeld ins Programm aufgenommen wird. Der Voll-Mitgliedschaft der Türkei in der EU soll nun auch im Programm widersprochen werden. Schon zuvor war der Begriff der Leitkultur in die Schrift aufgenommen worden, mit der die Partei für die nächsten 20 Jahre ihre Position umreißen will. Und so dauerte die Sitzung der Antragskommission in der vergangenen Woche nicht wie vorgesehen anderthalb Tage, sondern nur einen verlängerten Vormittag. "Auf einmal waren wir schon fertig", meinte ein Mitglied selbst etwas erstaunt.
Möglich wenig soll in Hannover an Hamburg erinnern, wo die Genossen auf dem SPD-Parteitag vor drei Wochen im Grundsatz zwar SPD-Chef Kurt Beck gestützt, ihn aber beim wichtigen Thema Bahnreform in die Bredouille gebracht hatten. Nein, drei Wochen vor dem Weihnachtsfest möchten Merkel und Pofalla die CDU als die Partei in der großen Koalition präsentieren, die Deutschland ruhig weiter steuern möchte, die ihren Platz im Gegensatz zur SPD nicht verändert und schon gar nicht wie die Genossen nach links rückt. Und so soll das CDU-Parteitagsmotto denn auch schlicht heißen: "Die Mitte."
Merkel wird dies in ihrer Rede, über der sie am Wochenende brütete, verdeutlichen. Zur Untermalung der Worte hat die Parteispitze in den vergangenen Tagen noch einen weiteren Leitantrag ausgearbeitet. Damit will die CDU auch inhaltlich der SPD, aber vor allem den Wählern zeigen, wo ihre "rote Linie" ist, wie Pofalla das nennt.
Wahlkampf gegen den Koalitionspartner
Die Wortwahl erinnert an Papiere, die die Parteien normalerweise den Bürger vier Wochen vor einer Wahl in die Hand drücken. "Die SPD stellt in diesen Tagen und Wochen vieles infrage. Die CDU wird Kurs halten", ist zu lesen. In sieben Punkten folgt erst mehr oder weniger ein Vorwurf an die SPD und dann die Darstellung der eigenen Position.
Mit den eigentlichen Oppositionsparteien setzt sich die Union bemerkenswerterweise in dem Antrag gar nicht auseinander. Der große Gegner ist für die CDU auch wieder der alte von früher: die SPD. Und selbst die Konsens- und Moderatorenkanzlerin Merkel will auf diesem Abgrenzungsparteitag schon den Wahlkampf 2009 vorbereiten.
Quelle: ntv.de, Ulrich Scharlack, dpa