Dossier

Frankreichs Rückkehr in die NATO Angst vor dem Ärger danach

Frankreich wird wieder ein "richtiges" NATO-Mitglied. Aber von Aufregung oder überschäumender Begeisterung kann in der NATO-Zentrale in Brüssel keine Rede sein. "Der Normalzustand wird wieder hergestellt", sagt ein hochrangiger NATO-Diplomat zu der von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy angekündigten Rückkehr in die integrierte Kommandostruktur des Bündnisses. Die auf den ersten Blick eher unscheinbare Äußerung über den "Normalzustand" ist politisch durchaus von Belang.

Denn wo der Normalzustand wieder hergestellt, wo also kein neues Mitglied aufgenommen wird, dort ist auch der von der NATO stets gepriesene "Konsens" nicht nötig. Anders ausgedrückt: Niemand kann per Veto verhindern, dass Frankreich in allen Gremien wieder mitreden will, die es 1966 auf Anweisung von General Charles de Gaulle mit lautem Türenschlagen verließ. Doch es gibt noch jede Menge Streit im Zusammenhang mit Frankreichs Rückkehr - und auch die Angst vor einem Veto, sobald der feierliche Teil der Aktion vorbei ist.

De Gaulle hatte die gesamte NATO, die damals in und um Paris beheimatet war, vor die Tür gesetzt. Das Bündnis fand Unterschlupf in notdürftigen barackenartigen Zweckbauten in Belgien, die es heute noch bewohnt. Und dort hat es sich schon seit Monaten auf Frankreichs Rückkehr in die integrierte Kommandostruktur vorbereitet. Die soll beim Gipfel zum 60. Jubiläum der NATO am 3. und 4. April in Straßburg und Baden-Baden gebührend zelebriert werden.

Das Gründungsmitglied Frankreich hatte bisher zwar Sitz und Stimme im NATO-Rat als dem wichtigsten politischen Gremium des Bündnisses. Frankreich nahm auch an vielen wichtigen Militäroperationen der NATO teil. Aber im militärischen NATO-Hauptquartier SHAPE in Mons durften etwa 70 französische Offiziere nur als Beobachter zuschauen, im strategischen Planungshauptquartier in Norfolk (Virginia) waren es 30. Im wichtigen Verteidigungsplanungsausschuss (DPC) blieben die Franzosen gänzlich draußen vor. In der Nuklearen Planungsgruppe (NPG) wollen sie auch künftig nicht Platz nehmen.

Vorbereitete Offiziersgeneration fehlt

Die integrierte NATO-Kommandostruktur: Das sind rund 12.000 Militärstellen, von denen Frankreich künftig etwa 800 bis 1000 besetzen darf. Mindestens je einen Vier- und einen Drei-Sterne-General darf Paris entsenden. Alles deutet darauf hin, dass Frankreich die Leitung des Planungshauptquartiers in Norfolk und eines Regionalkommandos in Lissabon übernimmt. Der bisherige Chef in Norfolk, US-General James Mattis, ist schon als künftiger Oberkommandeur der NATO im Gespräch, wenn US-Präsident Barack Obama demnächst General Bantz Craddock in den Ruhestand schickt.

Die Zuordnung einzelner Posten zu bestimmten Nationen (NATO-Jargon: "Flag the Post"), die erst im Mai von den Generalstabchefs beraten wird, ist jedoch "konsenspflichtig" - hier gibt es also Veto-Möglichkeiten. Aller Augen richten sich in der NATO-Zentrale auf die Türkei. Die Regierung in Ankara ist derzeit nämlich gar nicht glücklich mit der NATO. Sie fürchtet, bei der laufenden Kommando-Strukturreform könne das NATO-Luftwaffenkommando in Izmir gestrichen werden. Und die Türkei sieht mit großem Missvergnügen, dass ihre Blockade der Zusammenarbeit zwischen NATO und EU - eine Nebenwirkung des Streits um Zypern - bei wichtigen Einsätzen wie beispielsweise in Afghanistan durch "pragmatische Lösungen" ausgehebelt wird.

Frankreichs Rückkehr macht Entscheidungen über Personal- und Strukturfragen zwingend - und die NATO damit für Druck anfällig. Zugleich verlangt sie auch den Franzosen viel ab. Sie müssen, wenn sie im Verteidigungsplanungsausschuss Platz nehmen, "die Hosen runterlassen", sagt ein Diplomat. "Dort müssen sie sagen, was sie militärisch haben und was nicht." Vor allem aber haben französische Militärs und Diplomaten bei Gesprächen mit NATO-Kollegen eingeräumt, dass sie sich mit der Besetzung der neuen Posten schwertun könnten. Es fehle eine ganze Offiziersgeneration, die auf die Arbeit in internationalen Stäben vorbereitet sei. Schon vor Monaten habe man aber in einem Teilaspekt gehandelt: Die Zahl der Englischkurse für französische Offiziere wurde stark erhöht.

Quelle: ntv.de, Dieter Ebeling, dpa

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