Libanon vor der Wahl Aufgeheiztes Klima
24.09.2007, 18:06 UhrParlamentspräsident Nabih Berri hat die Abgeordneten des libanesischen Parlaments für diesen Dienstag eingeladen, einen neuen Staatspräsidenten zu wählen. Doch steht schon vorab fest, dass es keine gültige Abstimmung geben wird. Denn die pro-syrische Opposition will die Wahl nach eigener Aussage so lange blockieren, bis sie mit der anti-syrischen Mehrheitsfraktion einen "Kompromiss" erzielt hat. In dem durch die Protestaktionen der Opposition und die Morde an anti-syrischen Politiker aufgeheizten Klima, das derzeit in Beirut herrscht, zeichnet sich eine friedliche Einigung zwischen den beiden Lagern allerdings nicht ab.
Einen Tag vor der Parlamentssitzung goss der anti-syrische Christen-Führer Samir Geagea zusätzlich Öl ins Feuer. Vor der Presse in Beirut erklärte er, eine Untersuchung der Attentate der vergangenen Monate sei überflüssig. Da sich alle Anschläge gegen Politiker gerichtet hätten, die gegen den syrischen Einfluss gekämpft hätten, sei ohnehin klar, dass die Schuldigen in Damaskus säßen. Der Abgeordnete Antoine Ghanem, der vergangene Woche in seinem Auto in die Luft gesprengt wurde, war das sechste Opfer aus der anti-syrischen Fraktion von Ministerpräsident Fuad Siniora.
Mit Morden zur Mehrheit
Die Siniora-Fraktion, die vom Westen unterstützt wird, hat zwar immer noch die Mehrheit im Parlament. Zyniker in Beirut haben jedoch schon ausgerechnet, wie viele Abgeordnete noch getötet werden müssten, damit das pro-syrische Lager unter Führung der schiitischen Hisbollah die Oberhand gewinnt. Die anti-syrischen Kräfte belegen nach dem Tod Ghanems noch 68 Sitze, die Opposition 59 Sitze.
Laut Verfassung müssen bei der ersten Runde der Präsidentenwahl zwei Drittel der 128 Abgeordneten anwesend sein, und der Präsident muss mit einer Zweidrittel-Mehrheit gewählt werden. Setzt sich im ersten Wahlgang kein Kandidat durch, was zu erwarten ist, dann kann der Präsident im zweiten Wahlgang mit einer einfachen Mehrheit gewählt werden. Die Opposition ist allerdings der Auffassung, dass bei diesem zweiten Wahlgang auch zwei Drittel der Abgeordneten anwesend sein müssen. Sie hat jetzt schon angekündigt, dass sie einen Präsidenten, den die Siniora-Fraktion mit einfacher Mehrheit wählen könnte, nicht akzeptieren würde.
Hisbollah droht mit Gegen-Präsident
Die Hisbollah hat gedroht, einen Gegen-Präsidenten zu bestimmen und eine zweite Regierung aufzustellen, falls die Siniora-Fraktion den anti-syrischen Kandidaten Nassib Lahoud - einen Cousin des derzeitigen pro-syrischen Präsidenten mile Lahoud - alleine zum Präsidenten wählen sollte. "Wenn die andere Seite die Wahl manipuliert und eine Person auswählt, die für den Posten nicht geeignet ist, dann werden wir uns gezwungen sehen, das Vakuum zu füllen", sagte der Vize-Generalsekretär der Hisbollah, Scheich Naim Kasim, vor der Wahl der arabischen Zeitung "Al-Sharq Al-Awsat".
Eine Situation, in der es zwei Präsidenten und zwei Regierungen gibt, könnte die Libanesen nach Einschätzung arabischer Beobachter in einen neuen Bürgerkrieg führen. Diese Vorstellung macht vor allem der älteren Generation Angst, die sich noch gut an den letzten Bürgerkrieg von 1975 bis 1990 erinnern kann.
Was der Krieg zwischen der Hisbollah und Israel im Sommer 2006 nicht ausgelöst hat, das haben nun die seit zehn Monaten andauernde Regierungskrise und die Serie von Anschlägen geschafft: Die Zahl der Auswanderer wächst, weil viele Libanesen kein Vertrauen mehr in die Stabilität ihres Landes haben.
Von Anne-Beatrice Clasmann, dpa
Quelle: ntv.de