Schwulsein ist okay Bundeswehr modernisiert
22.01.2008, 10:40 UhrMarine-Reservist Burkhard hat dem Szene-Magazin "hinnerk" seinen Wunsch anvertraut, wenn er einmal einer guten Fee begegnen würde: Für einen Tag sollten alle Schwulen in der Bundeswehr eine rote Zipfelmütze tragen. "Was glaubst du, wie viele das wären?" fragt der 29-Jährige in der Januar-Ausgabe des Blattes. Wie viele Homosexuelle in den Streitkräften dienen, weiß niemand. Sexualität ist kein Auswahlkriterium bei der Bundeswehr. Für Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan zählt nur eines: ein offener Umgang auch mit Schwulen und Lesben und keinerlei Diskriminierungen.
Dies ist nur ein Punkt von vielen der nun erstmals seit 1993 überarbeiteten Zentralen Dienstvorschrift "Innere Führung" - das ethische Regelwerk für das Verhalten der Soldaten als Staatsbürger in Uniform. Wesentliche Änderungen gibt es nach Angaben des Verteidigungsministeriums unter anderem beim "Betonen von Persönlichkeitsbildung, ethischer und interkultureller Kompetenz und moralischer Urteilsfähigkeit". Neu aufgenommen wurde das "Gestaltungsfeld Vereinbarkeit von Familie und Dienst."
Neue Lebensformen akzeptieren
Die Bundeswehr stelle weiterhin hohe Anforderungen an die Mobilität und Flexibilität der Soldaten. Im Gegensatz zu früher seien aber deren Ehefrauen vielfach erwerbstätig und damit häufig ortsgebunden. "Wir reagieren auf das gravierend veränderte Werteverständnis in unserer Gesellschaft. Wir versuchen, uns auf neue Lebensformen einzustellen", sagt Vier-Sterne-General Schneiderhan. "Dazu gehört durchaus die Öffnung für Homosexuelle."
Mit der heutigen Führungskultur hätte es eine Affäre nie gegeben: Vor fast 25 Jahren wurde der Vier-Sterne-General Günter Kießling der Homosexualität bezichtigt, als "Sicherheitsrisiko" eingestuft und vom damaligen Verteidigungsminister Manfred Wörner (CDU) vorzeitig pensioniert. Die "Vorwürfe", die der Militärische Abschirmdienst (MAD) kolportiert hatte, ließen sich aber nie belegen. Kießling wurde rehabilitiert, kurzzeitig wieder eingestellt und dann ehrenhaft in den Ruhestand versetzt. Heute dürfte einem Soldaten Homosexualität gar nicht erst zum Vorwurf gemacht werden.
1994 schaffte der Bundestag den Paragrafen 175 im Strafgesetzbuch ab. Nach dem bis dahin geltenden sogenannten "Schwulenparagrafen" waren homosexuelle Handlungen mit männlichen Jugendlichen unter 18 Jahren strafbar. Bei der Armee galt: Schwule durften zwar dienen, wurden aber als charakterlich ungeeignet für die Offizierslaufbahn gehalten.
Offener Umgang seit 2000
Im Jahr 2000 veröffentlichte der damalige Generalinspekteur Harald Kujat einen Erlass zum Umgang mit Sexualität in der Bundeswehr. Anlass war die Öffnung der Streitkräfte für Frauen. Aber er forderte auch einen toleranten Umgang mit Homosexuellen ein. Mit diesem neuen Geist trauten sich viele Schwule aus der Deckung. 2002 gründete sich der "Arbeitskreis homosexueller Angehöriger der Bundeswehr".
Dessen Vorsitzender Jan Trautmann kann die frühere Denkweise nicht mehr nachvollziehen. Schwule hätten als erpressbar gegolten, weil es eine Drohung war, ihre sexuelle Einstellung öffentlich zu machen. "Damit kann man uns nicht mehr drohen." Gegen Verunglimpfungen von schwulen Soldaten gingen heute die Vorgesetzten vor, sagt der 36-Jährige. "In den 90er Jahren war das noch ganz anders." Der Hauptbootsmann, der vor 17 Jahren zur Bundeswehr kam, hat sich erst später "geoutet" und dann "nie negative Erfahrungen gemacht". Nur noch von Truppeneinheiten wie den Fallschirmspringern hielten sich viele Schwule lieber fern.
Ungleiche Aktenlage
Die heutigen Probleme ranken sich vor allem um Bürokratie. Schwule Männer, die in eingetragenen Lebenspartnerschaften leben, bekommen keinen Familienzuschlag, kein Trennungsgeld und keine Hinterbliebenen-Rente. "Der Partner steht vor dem Nichts, als würde er gar nicht existieren", sagt Trautmann. Sein Arbeitskreis kämpft für die Gleichberechtigung auch bei Finanz- und Steuerangelegenheiten. Um die menschliche Anerkennung muss er sich nicht mehr sorgen: "Ich kann ganz normal sagen kann, dass ich mit einem Mann zusammenlebe."
Von Kristina Dunz, dpa
Quelle: ntv.de