Dossier

Erstmals Spannung in Bayern CSU bangt um Alleinherrschaft

Diesmal ist alles anders. Diesmal kommt vor der bayerischen Landtagswahl tatsächlich Spannung auf - ein Begriff, der vor Urnengängen im Freistaat in den vergangenen Jahrzehnten meist fehl am Platz war. Rund 100 Tage vor der Wahl am 28. September muss die bislang stets übermächtige CSU nach wie vor um ihre absolute Mehrheit im Landtag bangen. Und auch wenn die SPD als größte Oppositionspartei in Umfragen bislang nicht von der Schwäche der CSU profitieren konnte, auch wenn eine Ablösung des amtierenden CSU-Ministerpräsidenten Günther Beckstein durch seinen SPD-Herausforderer Franz Maget unwahrscheinlich scheint: Der Mythos CSU wankt. Und schon das wertet die Opposition als einen ersten Erfolg.

Dass die CSU wieder an das 60,7-Prozent-Rekordergebnis von Edmund Stoiber aus dem Jahr 2003 herankommen würde, damit hatten selbst die größten Optimisten in der CSU nicht gerechnet. "50 plus X" lautet das Wahlziel der beiden Stoiber-Erben, Beckstein und CSU-Chef Erwin Huber. Doch selbst diese Marke scheint heute nur schwer zu knacken zu sein. Zumal der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter feststellt, dass die von den Christsozialen so gerne beschworene Einheit zwischen CSU und Freistaat mittlerweile "zerbröselt" sei.

Umfrageergebnisse von unter 50 Prozent

Mehrere Umfragen hatten die CSU in den vergangenen Monaten unter 50 Prozent gesehen - nach dem Landesbank-Desaster, dem Transrapid-Aus, der Kommunalwahl-Schlappe, den Querelen um das Rauchverbot und einer neuerlichen Führungsdebatte. Und obwohl ein Ergebnis von etwas unter 50 Prozent nicht sofort den Verlust der absoluten Mehrheit im Landtag bedeuten würde, war die CSU alarmiert.

Bereits auf ihrer Vorstandsklausur Anfang April in Kreuth waren die Christsozialen deshalb mit Seitenhieben auf die große Koalition in Berlin wieder in die Offensive übergegangen. Endgültig zum Angriff blies Erwin Huber dann mit der Vorlage seines 28-Milliarden-Euro-Steuerentlastungspakets im Mai. Damit habe man vor allen anderen Parteien, auch vor der Schwesterpartei CDU, einen Trend gesetzt und alle anderen Mitbewerber übertrumpft, freuen sich die CSU-Oberen nun - und wollen sich im Wahlkampf auch mit ihrer Forderung nach einer raschen Wiedereinführung der alten, großzügigeren Pendlerpauschale profilieren.

Drei-Parteien- oder Sechs-Parteien-Parlament

Die Opposition wittert nichtsdestotrotz Morgenluft - und arbeitet mit vereinten Kräften darauf hin, die absolute Mehrheit der CSU zu brechen. Doch was dann folgen könnte, ist ungewiss - schon allein deshalb, weil völlig offen ist, wie viele und welche kleineren Parteien am 28. September in den Landtag einziehen. Von einem Drei- Parteien- bis hin zu einem Sechs-Parteien-Parlament sei theoretisch "alles möglich", sagt Politologe Oberreuter. Eine Umfrage hatte zuletzt sowohl die FDP, die Freien Wähler als auch die Linken neu im Landtag gesehen. Bislang sind dort nur CSU, SPD und Grüne vertreten.

SPD-Spitzenkandidat Maget jedenfalls würde sich gerne von einem Bündnis aus SPD, Grünen, FDP und Freien Wählern zum neuen Regierungschef wählen lassen. Dies sei zwar derzeit noch eine "Fantasie", räumt er ein, aber mit einem "realen Hintergrund". Zudem, freut er sich, sei es ja bereits die "halbe Miete", wenn die alleinregierende CSU schon vor einer "Viererkoalition" warnen müsse. Einziger Haken für Maget: Die FDP lehnte seine Avancen ab.

Bayern steht somit bis zur Wahl am 28. September ein heißer politischer Sommer bevor. Vor allem in den Wochen unmittelbar vor dem Wahltermin werden dabei auch Spitzenpolitiker aus dem Bund in Scharen im Freistaat einfallen, um ihre jeweiligen Parteifreunde zu unterstützen. Denn diesmal, darauf weisen Oberreuter und auch Vertreter der Parteien hin, dürfte der Ausgang der Wahl bis zu ersten aussagekräftigen Hochrechnungen am Wahlabend offen sein.

Von Christoph Trost, dpa

Quelle: ntv.de

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