Dossier

Raul verspricht Kontinuität Castro für Castro

Dieses Mal warteten die Kubaner mit großer Anspannung auf die Entscheidung der Nationalversammlung. Die 614 Deputierten wählen am Sonntag zum ersten Mal seit Jahrzehnten einen anderen zu ihrem Präsidenten als Fidel Castro. Dass es wieder ein Castro werden würde, damit rechneten die meisten Menschen in Kuba von vorneherein. Doch dann erklärte der kranke Revolutionsführer am vergangenen Dienstag selbst seinen Verzicht und hat damit einer jüngeren Generation Platz gemacht, die langsam unter Bruder Raul in die Lage versetzt werden soll, die Führung des Landes zu übernehmen. Eine politische Wende ist in Kuba nicht in Sicht, aber eine andere Führung mit anderen Ideen.

Raul hochgelobt

In Kuba hat die Entscheidung nicht mehr für Unruhe gesorgt: "Wenn nicht Fidel, dann Raul", sagen die Menschen auf der Straße. Diese Formel ist in Kuba schon so alt, wie die vielen alten US-Straßenkreuzer, die seit den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts durch die Straßen Kubas rollen. Als Fidel krankheitsbedingt im Sommer 2006 die Regierung an Raul übertragen hatte, da schrieben die staatlichen Medien wahre Lobeshymnen auf Raul: Er sei ein starker Mann mit präzisen Ideen. Und er genieße das Vertrauen Fidels und des Volkes.

Die Herausforderung, die Kontinuität der Macht zu gewährleisten und es nicht zu Unruhen kommen zu lassen, haben die Kubaner bereits vor eineinhalb Jahren gemeistert: Raul Castro, den Fidel damals zu seinem provisorischen Nachfolger bestimmte, führte das Land mit harter Hand, ließ aber gleichzeitig Hoffnungen auf wirtschaftliche Verbesserungen aufkommen. Erstmals seit vielen Jahren ließ er die Menschen nach Ihrer Meinung befragen. Derartige Ideen sind Fidel nie in den Sinn gekommen.

Ende einer Ära

Vor allem Jugendliche, Studenten und die Generationen, die unter Fidel geboren wurden, entwickeln Aktivitäten, die die Führung nicht mehr beherrschen kann. Das Internet, obwohl nur unter erschwerten Bedingungen nutzbar, gibt findigen Menschen die Möglichkeit, das staatliche Monopol auf Information zu brechen. "Das ist nicht mehr kontrollierbar", sagt die Philologin Yoana Sanchez, die den derzeit bekanntesten Weblog "generaciony" herausgibt. Sie selbst sagt von sich, dass sie keinen anderen Führer kennt als Fidel. Und selbst Ihre Eltern, geboren in den 50er Jahren, können sich nicht an einen anderen Staatschef erinnern.

Die Lage in der Hauptstadt war in den Tagen nach der Verzichtserklärung Fidels ruhig und gelassen. Obwohl eine Kaltfront mit Wolken und einigen Regentropfen vorüberzog, stiegen die Temperaturen auf über 30 Grad. Aus den immer noch verfallenden, einst prächtigen Palästen der Altstadt kamen Kindergeschrei, Stimmen und Musik bis tief in die Nacht, wie immer. Faszinierend für die zahlreichen Touristen, die sich hier sicher genug fühlen, um die einzigartige Szenerie zu erleben und in einer der Bars den Tag ausklingen zu lassen.

In den Auslagen der Geschäfte ist von Wandel noch nichts zu sehen: Drogerieartikel neben Fahrradreifen, Sportartikel, Sonnenbrillen, Kleidung und Lebensmittel zu Preisen, die für normale Kubaner unerschwinglich sind. Ein Liter kubanischer Joghurt kostet 1,50 Dollar. Bei einem Monatseinkommen von umgerechnet 20 Dollar unerschwinglich. Kein Wunder, dass die Kubaner jetzt sogar lauter aussprechen, was sie sich zuvor nur insgeheim gewünscht hatten: wirtschaftliche Erleichterungen im Alltag, angefangen von erschwinglichen Lebensmittelpreisen bis hin zur Reisefreiheit.

Von Franz Smets, dpa

Quelle: ntv.de

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