Dossier

Vor dem CSU-Parteitag Der Anfang vom Umbruch

Neun Monate nach dem Sturz des CSU-Vorsitzenden und bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber fiebert die Partei jetzt dem Finale entgegen. Erstmals in der Geschichte kann der Parteitag am 29. September den neuen CSU-Chef in einer Kampfabstimmung zwischen drei Kandidaten bestimmen.

Danach kommt das Personalkarussell in Partei und Kabinett aber erst richtig auf Touren. Ein Jahr vor der Landtagswahl 2008 steht die CSU vor dem größten Umbruch seit dem Tod von Franz Josef Strauß.

Stoiber stand seit 1993 an der Spitze der Regierung und war seit 1999 auch noch Parteichef. Jetzt wird die Macht wieder aufgeteilt: Zum Ministerpräsidenten hat die CSU-Landtagsfraktion Günther Beckstein nominiert, seine Kür zum Spitzenkandidaten 2008 durch den Parteitag gilt als Formsache.

Als haushoher Favorit für den Parteivorsitz geht sein einstiger Konkurrent und neuer Tandempartner Erwin Huber ins Rennen. Auch Huber selbst rechnet inzwischen mit einem klaren Sieg im ersten Wahlgang gegen Bundesagrarminister Horst Seehofer und die Fürther Landrätin Gabriele Pauli.

CSU-Vorstandsmitglieder warnten, der Bundesminister und stellvertretende Parteichef könnte durch ein blamables Ergebnis beschädigt werden und den Bettel hinschmeißen. Seehofer versichert aber, dass er bei einer Niederlage beide Ämter fortführen würde. Dafür sagen ihm auch Huber-Anhänger ein überwältigendes Ergebnis bei der Kür der Stellvertreter voraus.

Keine Chance auf einer Mehrheit unter den 1.000 Delegierten wird Pauli eingeräumt, die mit ihren Bespitzelungsvorwürfen den Weg zum Putsch der Landtagsfraktion gegen Stoiber freigemacht hatte. Sie muss sogar möglicherweise um ihre Wiederwahl in den CSU-Vorstand bangen.

Der Generationswechsel ist ausgeblieben

Der Parteitag will am Freitag kommender Woche zunächst das neue CSU-Grundsatzprogramm verabschieden und mit Bundeskanzlerin Angela Merkel Stoibers 66. Geburtstag und sein Lebenswerk feiern. Dass Stoiber in seiner Abschiedsrede am Samstag Stimmung gegen Huber und Beckstein machen könnte, gilt Präsidiumskreisen zufolge als ausgeschlossen. Die Absprache der beiden hatte in Kreuth Stoibers Sturz besiegelt.

Dessen Hoffnung, nach einem Stimmungsumschwung könnte der Parteitag ihn vielleicht doch noch zum Bleiben auffordern, hatte die CSU Oberbayern im Sommer endgültig zunichte gemacht.

Huber ist 61, Beckstein 63 Jahre alt. "Der Königsmord von Kreuth hat einen geordneten Generationenübergang nicht mehr ermöglicht", sagt der Passauer Politikprofessor Heinrich Oberreuter. "Weil Beckstein und Huber die Chance sahen, ihre Lebensträume doch noch zu verwirklichen, wurde die Generationen hinter ihnen vertröstet, noch eine Runde Erfahrung zu sammeln."

Da Huber als Parteichef erst nach der Landtagswahl 2008 nach Berlin wechseln möchte, wird erwartet, dass er einen jüngeren Berliner CSU-Abgeordneten zum CSU-Generalsekretär ernennen würde. Mit einer Frau könnte er zusätzlich punkten. Im Gespräch ist die 42-jährige Ilse Aigner. Stoibers Generalsekretär Markus Söder wird als Nachfolger des bayerischen Umweltministers Werner Schnappauf gehandelt. Die CSU habe nicht so viel Personal in dieser Generation, dass Söder in ein Loch fallen könnte, erklärte ein Kabinettsmitglied.

Klarheit über den Generalsekretär ist auf dem Parteitag noch nicht zu erwarten. Huber sagte, er habe mehrere Namen im Kopf, wolle aber mit Beckstein nach dessen Wahl am 9. Oktober ein Gesamtpaket schnüren.

Heile Welt zum 50. Jahrestag der CSU-Regierung

Mit Bedacht hat der designierte Ministerpräsident den 16. Oktober ausgewählt, um sein Kabinett zu vereidigen und damit den Schlussstrich unter die größte Krise in der Geschichte der CSU zu ziehen. Denn an diesem Tag regiert die Partei den Freistaat seit genau 50 Jahren ununterbrochen.

Trotz langer Götterdämmerung, Chaos und Machtkampf scheint die CSU weiter fest im Sattel zu sitzen. Dass sie in Umfragen weiterhin über 50 Prozent kommt und die Opposition nicht im Aufwind, hat nach Ansicht Oberreuters mehrere Gründe. Zum Einen stehe der Freistaat im Ländervergleich gut da, was die Wähler mit der CSU verbänden. Zum Andern sei sie im Gegensatz zur Opposition flächendeckend organisiert und reagiere flexibel, wenn der Wind sich dreht - Beispiel Kinderkrippen und Ganztagsschulen.

Die bayerische SPD beklagt immer wieder, dass ihr die CSU gute Ideen einfach klaut. Aber die Opposition mache der CSU das Leben auch nicht sehr schwer, sagt Oberreuter: Sie sei "bisher nicht aufgefallen durch ein besonders attraktives Programm oder besonders überzeugendes Personal". Zugpferde wie der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude blieben lieber in der Kommunalpolitik.

Doch auf den neuen CSU-Chef warten dringende Aufgaben. Regionalverbände, Generationen und ehrgeizige Mandatsträger belauern sich eifersüchtig. In mehreren Ortsverbänden treten CSU-Politiker für die Kommunalwahlen im März auf konkurrierenden Listen an. In Regensburg hat ein rechtslastiger Stadtrat die CSU gespalten - hier gab es "eklatantes Führungsversagen", sagt Oberreuter. "Die CSU braucht wieder klare Führung", aber auch "mehr offene Diskussion" und Mitsprache, glaubt der Politologe.

Kooperativer Führungsstil heißt die Gratwanderung für Stoibers Nachfolger. Ihre Feuerprobe wird die Verteidigung der absoluten CSU-Mehrheit bei der Landtagswahl 2008 sein.

Quelle: ntv.de

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