Seit 60 Jahren im Europarat Deutschland ist treibende Kraft
13.07.2010, 13:21 UhrEr macht nur selten Schlagzeilen und bietet Fortbildung für unvollkommene Demokratien: der Europarat. Fast alle Staaten Europas sind Mitglied; seit 1950 auch Deutschland.

Der deutsche Bundeskanzler und Außenminister Konrad Adenauer (zweiter von links) wird am 2. Mai 1951 feierlich als gleichberechtigtes Mitglied in den Europarat eingeführt.
(Foto: picture-alliance / dpa)
"Deutschland ist zu einer treibenden Kraft der Reform des Europarates geworden", sagt der ständige Vertreter Deutschlands beim Europarat Hans-Dieter Heumann. Die Reform soll der Staatenorganisation ein schärferes Profil geben. Sie passt gut zum 60. Jahrestag der Aufnahme Deutschlands in die Staatenorganisation am 13. Juli 1950. "Reform heißt Konzentration auf die Kernaufgaben, die Entwicklung der Rechtsstaatlichkeit und die Förderung des Gerichtshofes für Menschenrechte", sagt der Botschafter.
Gefeiert wird allerdings erst später. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) kommt am 4. Oktober nach Straßburg, um vor der parlamentarischen Versammlung der 47 Mitgliedsländer über Bilanz und Perspektiven zu sprechen. Im selben Monat wird in Berlin eine Ausstellung über die Menschenrechtskonvention eingeweiht, bei der Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) das Wort ergreifen soll.
Lob und Kritik für Deutschland
Voll des Lobes über den Beitrag Deutschlands ist der norwegische Generalsekretär des Europarates, Thorbjörn Jagland. "Deutschlands Mitgliedschaft war entscheidend für die Förderung von Frieden und Versöhnung in Europa", sagt er. "Wenn in Europa heute die Menschenrechte geachtet werden, dann liegt das zu einem großen Teil am Engagement Deutschlands im Verlauf der letzten Jahrzehnte."

Bei der ersten öffentlichen Sitzung der beratenden Versammlung am 18.11.1950 hält der italienische Außenminister Carlo Graf Sforza die Eröffnungsrede.
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Allerdings gibt es auch kritischere Stimmen. "Angesichts der Höhe des Finanzbeitrags Deutschlands könnte sich Berlin stärker in die Aktivitäten des Europarates einbringen", meinte kürzlich der türkische Präsident der parlamentarischen Versammlung, Mevlüt Cavusoglu. Deutschland zahlt ebenso wie die übrigen vier großen Mitglieder Russland, Frankreich, Großbritannien und Italien knapp 25 Millionen Euro in die Kassen des Europarates, dessen Budget bei 218 Millionen Euro pro Jahr liegt. Große Sprünge kann man damit nicht gerade machen.
Großer Erfolg: Abschaffung der Todesstrafe
Die Menschenrechte, über deren Einhaltung der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wacht, hat Deutschland zuletzt besonders gefördert. Die Regierung in Berlin hat fast 170.000 Euro in die Pressearbeit investiert. So können sich Journalisten aus Deutschland gezielt informieren und über die Arbeit des Gerichtes aufklären lassen.
Die Arbeit der Mitgliedsstaaten im Europarat ist nur selten spektakulär. Doch ein großer Erfolg der Staatenorganisation ist zweifellos die Abschaffung der Todesstrafe. Russland hat sein seit zehn Jahren geltendes Moratorium zur Aussetzung der Todesstrafe im vorigen Herbst verlängert. Damit haben alle Mitglieder die Todesstrafe entweder abgeschafft oder vollstrecken Todesurteile nicht mehr. In dieser Hinsicht kann sich Europa rühmen, weiter vorangeschritten zu sein als die USA, Japan oder China.
Der Europarat wird häufig mit dem Europäischen Rat der EU verwechselt und der Gerichtshof für Menschenrechte als "EU-Gericht" tituliert. Gewiss steht die Europäische Union im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Doch im holzgetäfelten Straßburger Europarats- Plenarsaal sind im Unterschied zum Europaparlament auch Russen und Türken vertreten. Da lassen sich schwelende Konflikte leichter in informellen Gesprächen lösen.
Europarat als Vorreiter
In der Symbolik war der Europarat allerdings Vorreiter in Europa. Er hat die blaue Fahne mit den 12 Sternen eingeführt, genauso wie die Europahymne, Beethovens "Ode an die Freunde" aus der 9. Symphonie. Die EU hat diese Symbole später übernommen.
Quelle: ntv.de, Petra Klingbeil, dpa