Dossier

Eiskaltes Verhältnis Die NATO und Russland

Zwischen der NATO und Russland ist nichts mehr wie es war. Und wie es weitergehen soll, ist bei einer Krisensitzung der Außenminister der 26 NATO-Staaten an diesem Dienstag in Brüssel heftig umstritten. Eiseskälte hat sich nach dem Einmarsch der russischen Truppen in Georgien über das Verhältnis zwischen dem nordatlantischen Bündnis und Moskau gelegt. Doch einig ist sich die NATO nur auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner: Humanitäre Hilfe, die Forderung nach Respekt für Georgiens territoriale Integrität - und die Bereitschaft zur späteren Aufnahme Georgiens und der Ukraine in die NATO trotz russischer Warnungen. Alles andere ist zwischen zwei Lagern im Bündnis umstritten.

Unmittelbar vor den von US-Ressortchefin Condoleezza Rice beantragten NATO-Beratungen hatten zwei für ihr Interesse an guten Beziehungen mit Russland bekannte Regierungschefs klare Worte an Moskau gerichtet. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hatte mit "Konsequenzen" und einem Sondergipfel der EU gedroht, falls der Abzug der rund 10.000 russischen Soldaten nicht wirklich beginne. Und auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel forderte von Russland "Signale, und zwar nicht in Wochen, sondern in Tagen". Sie fügte hinzu: "Georgien wird - wenn es will - Mitglied der NATO sein." Der russische Abzug aus dem georgischen Kernland ist die von Sarkozy und Merkel dringend erwartete Reaktion Moskaus auf das westliche Drängen.

"Russland muss dafür bezahlen"

Die eindringlichen Appelle waren, so deuteten es NATO-Diplomaten, auch eine Reaktion auf zunehmenden Druck einer von den USA und Großbritannien angeführten Staatengruppe innerhalb der Allianz, Russland für sein "unverhältnismäßiges Vorgehen" (Rice) in Georgien zu bestrafen. Gemeinsam mit den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sowie mit Polen und Tschechien sind Washington und London bereit, schwerere Geschütze gegen Russland aufzufahren. Rice: "Russland muss dafür bezahlen."

Deutschland, Frankreich und Italien - auch als Energiekunden Russland eng verbunden - stehen hingegen ganz vorn in einer größeren Bündnisgruppe, die einen dramatischen Rückfall in den Kalten Krieg vermeiden will. "Ohne russische Mitwirkung funktioniert das aber nicht", sagt ein NATO-Diplomat. Dass gerade Merkel auf den im April in Bukarest grundsätzlich beschlossenen NATO-Beitritt Georgiens hinwies, dem Deutschland bisher wegen der Konflikte mit Russland äußerst zurückhaltend gegenüberstand, wurde in Brüssel als klares Zeichen an Moskau registriert.

Den USA und den Verbündeten aus dem einstigen Ostblock mangelt es nicht an Ideen gegen Russland: Vor allem könne die Arbeit des 2002 gegründeten NATO-Russland-Rats (NRC) bis auf weiteres ausgesetzt werden. Staaten wie Estland oder Lettland müssten nun mit ansehen, "wie Russland militärische Mittel einsetzt, um seinen Machtanspruch in einem Nachbarland geltend zu machen, das früher zur Sowjetunion gehörte", sagte der neue US-Botschafter bei der NATO, Kurt Volker.

Wird Russland-Rat suspendiert?

Diplomaten erwarten jedoch ohne Konsens aller Verbündeten in Brüssel noch keinen Beschluss über die Suspendierung des Russland- Rats, sondern allenfalls einen Prüfauftrag. Das gilt auch für die von Georgien erbetene Entsendung von NATO-Beobachtern. Doch schon wird auf den Fluren der NATO darüber geredet, ob die Allianz nicht auch mit einer speziellen Verteidigungsplanung für die baltischen und östlichen Verbündeten beginnen müsse. Auch NATO-Hilfe bei Aufbau und Ausrüstung der nationalen Streitkräfte sei eine Option.

Bisher hatten solche Gedankenspiele im Bündnis keine Chance: Russland sollte auf keinen Fall der Eindruck vermittelt werden, als sei die seit dem Ende des Kalten Kriegs ständig größer werdende NATO eine Bedrohung. Das könnte sich aber ändern, wenn sich NATO- Mitglieder bedroht fühlen. Die USA geben mangels NATO-Unterstützung schon mal ein eigenes Zeichen an Moskau: Unmittelbar nach dem NATO-Treffen unterschreibt Rice in Polen ein Abkommen über den Aufbau der US-Raketenabwehr in Osteuropa.

Dieter Ebeling, dpa

Quelle: ntv.de

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