"Aus mir wird was" Die Welt des "Guido Genscher"
05.05.2009, 12:34 UhrDie Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) residiert in einem dieser Berliner Gebäude, die durchaus Eindruck machen. Ganz früher hatte hier, im alten Diplomatenviertel am Tiergarten, die Königlich Jugoslawische Gesandtschaft ihren Sitz. Zu Nazi-Zeiten zog das "Ministerium für die besetzten Ostgebiete" ein und dann das "Oberste Rückerstattungsgericht". Seit 1995 nun arbeitet hier die DGAP, eine der wichtigen Denkfabriken der deutschen Außenpolitik. Ein guter Platz also für FDP-Chef Guido Westerwelle, um seine "Bewerbungsrede" als Außenminister zu halten.
Sorgfältig arbeitet sich der 47-Jährige an das Amt heran, das er nach der Bundestagswahl im September gern übernehmen würde. Er perfektioniert sein Englisch, geht auf Auslandsreisen. Offiziell ist die Kandidatur noch nicht. Aber ein Geheimnis macht der einstige Spaßpolitiker aus seinen Ambitionen längst nicht mehr. Im "Spiegel" stellte er schon mal klar, dass sich unter einem Außenminister Westerwelle nicht allzu viel ändern würde. Für den "Stern" ließ er sich als Weltenlenker fotografieren - mit der Hand auf dem Globus, vor dem schon Hans-Dietrich Genscher posiert hatte.
Bloß kein Faux-Pas
Überhaupt Genscher. In 45 Minuten Grundsatzrede erwähnte Westerwelle am Montagabend keinen Namen so oft wie den des außenpolitischen Übervaters. Zum Vergleich: Joschka Fischer und Frank-Walter Steinmeier kamen überhaupt nicht vor. Passenderweise hatte ihn die Saalregie auch noch unter einem Foto des einstigen FDP- Außenministers platziert, das in der DGAP-Ahnengalerie im Silberrahmen hängt. Nach einem halben Dutzend Genscher-Erwähnungen spotteten im Publikum schon die ersten über "Guido Genscher".
Ansonsten hörte das Außenpolitik-Establishment im überfüllten Vortragssaal aufmerksam zu. Weil bereits eine halbe Stunde vor Beginn kein Platz mehr zu bekommen war, musste der Auftritt über zusätzliche Monitore in zwei Nebensäle übertragen werden. Und auch die waren bis auf den letzten Stuhl gefüllt. Westerwelle - ansonsten einer der besten Redner in Berlin - war anzumerken, dass er sich auf diplomatischem Parkett noch nicht zuhause fühlt. Die 35-Seiten-Rede las er fast völlig vom Blatt ab. Bloß kein Faux-Pas.
Kein Wort zuviel
Alles in allem war es ein Vortrag, den auch der Amtsinhaber so hätte halten können. Nicht nur, weil der FDP-Chef gleich zu Beginn noch einmal deutlich machte, dass sich die deutsche Außenpolitik durch "viel Kontinuität und wenig Hakenschläge" auszeichne. Auch das Bekenntnis zum Westen, zur EU sowie zur kritischen Partnerschaft mit Russland gehören zum Allgemeingut der deutschen Diplomatie.
Die meisten Unterschiede waren beim Thema Menschenrechte herauszuhören. Aber selbst der Satz "Wer hier ehrlich auftritt, gewinnt mehr Glaubwürdigkeit als jener, der leise tritt und Deutschland im Ausland nur als oberster Handelsvertreter repräsentiert" war weniger gegen Steinmeier gemünzt als gegen Ex-Kanzler Gerhard Schröder. Und auch in der Fragerunde ließ sich Westerwelle kein Wort zu viel herauslocken. Allenfalls noch ein stolzer Hinweis auf die anhaltend hohen Umfragewerte: "Machen Sie sich um mich keine Sorgen. Aus mir wird was."
Die Vorsicht hat durchaus ihren Grund: Während Westerwelle drinnen seine Rede hielt, stand draußen auf dem Gang der Mann, der hier in der DGAP vor der Wahl 2005 als möglicher künftiger FDP-Außenminister gesprochen hatte: Wolfgang Gerhardt, inzwischen Vorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung. Dieses Mal war für ihn nicht mal mehr ein Stuhl frei.
Quelle: ntv.de, Christoph Sator, dpa