Im Kino: "Sturm" Die dunkle Seite der Gerechtigkeit
10.09.2009, 12:37 Uhr
Die beiden Hauptdarstellerinnen Hannah Maynard (Kerry Fox, links) und Mira Arendt (Anamaria Marinca).
Auch 14 Jahre nach dem Ende des Krieges sind die Wunden in Bosnien-Herzegowina noch nicht verheilt. Regisseur Hans-Christian Schmid hat einen spannenden Polit-Thriller über die Aufarbeitung der Verbrechen am Haager Kriegstribunal geschaffen.
Es geht um Recht und Gerechtigkeit. Es geht um einen schmutzigen Krieg und um dessen Aufarbeitung. Und es geht um die Opfer, die auch fast 14 Jahre nach Kriegsende noch unter den Traumata leiden, die die Kriege im ehemaligen Jugoslawien ihnen zugefügt haben. Regisseur Hans-Christian Schmid beleuchtet mit seinem einfühlsamen Film "Sturm" die Untiefen des Den Haager Kriegsverbrechertribunals.
Hannah ist Juristin und sie ist ehrgeizig. Sie hat ihr Leben ihrem Beruf gewidmet und arbeitet als Anklägerin beim Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. Sie übernimmt die Anklage gegen den serbischen General Goran Duric, der bereits seit zwei Jahren in Untersuchungshaft sitzt. In der Verhandlung verstrickt sich der Kronzeuge in Widersprüche. Er sagt die Unwahrheit, wird entlarvt und nimmt sich das Leben. Die Anklage gegen den Kriegsverbrecher scheint damit am Ende.
Ende der Routine
An diesem Punkt hört bei der erfahrenen Juristin Hannah Maynard, gespielt von einer hervorragenden Kerry Fox, die Routine auf und das persönliche Engagement beginnt. Sie sucht die Schwester ihres Kronzeugen auf und taucht ein in eine Welt, in der tiefe Wunden überdeckt sind von dem Wunsch nach Zukunft. Das haben Opfer und Täter gemein.
Mira, die Schwester des Kronzeugen, lebt mit ihrer Familie in Berlin und hat mit dem Krieg abgeschlossen. Vergessen hat sie zu ihrer Lebensmaxime erhoben. Doch als Hannah in ihr Leben stürmt, werden die alten Wunden wieder aufgerissen. Die Erinnerung an ihre Leiden bringt die Frau dazu, trotz aller Gefahren, der Anklägerin nach Den Haag zu folgen und gegen ihren Peiniger Goran Duric auszusagen, obwohl sie damit sich und ihre Familie in Gefahr bringt. Mit dem Tod ihres Bruders und dem Auftauchen der Anklägerin ist das fragile Gleichgewicht ihres Lebens auseinandergebrochen. Anamaria Marinca spielt diese Rolle ausgesprochen glaubhaft und mit viel Tiefe.
Deutsche Anklägerin als Vorbild
Bernd Lange und Hans-Christian Schmid ist ein Film gelungen, der sehr ehrlich mit der Materie der Kriegsverbrechen in Bosnien-Herzegowina umgeht. Er zeigt das Dilemma des Kriegsverbrechertribunals in seinen ganzen Facetten, den schwierigen Stand zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Gerechtigkeit und dem Wunsch nach Zukunft. Schmid legte Wert auf eine internationale Besetzung des Films, welche der Handlung viel Authentizität gibt. Die Geschichte ist angelehnt an die Figur der deutschen Anklägerin Hildegard Uertz-Retzlaff. Es ist zwar keine Nacherzählung, doch die Frau, die es geschafft hat, dass Vergewaltigungen als Kriegsverbrechen anerkannt wurden, hat die Autoren des Drehbuchs in ihrer Erzählung inspiriert.
Das Internationale Kriegsverbrechertribunal für Ex-Jugoslawien hat 1994 mit seiner Arbeit begonnen. 1996 fand der erste Prozess statt, bei dem es um bosnisch-serbische Opfer geht. Mit den Anklagen gegen die Kriegsverbrecher Radovan Karadzic und Ratko Mladic erlangte das Tribunal internationale Beachtung. Der prominenteste Fall ist die Anklage gegen Slobodan Miloševic. Der ehemalige Präsident Serbiens starb vor seiner Urteilsverkündung im März 2006. Laut UN-Resolution 1503 soll das Tribunal seine Arbeit bis 2010 beendet haben. Zwei der meistgesuchten Kriegsverbrecher aus den Bürgerkriegen in Ex-Jugoslawien sind immer noch nicht gefasst.
Zwei starke Frauenrollen
Als Regisseur ist es Schmid gelungen, die problematische Thematik eindrucksvoll in Szene zu setzen. Nahe an der Realität des Tribunals, das die Filmemacher nach eigenem Bekunden sehr gut unterstützte, wird die schwierige Arbeit der Juristen dokumentiert, die sich oft genug zwischen Recht und Politik aufreiben. Die Dramaturgie des Polit-Thrillers lebt von zwei sehr guten Hauptdarstellerinnen, die sich in ihren Rollen gegenseitig befruchten. Die Zuschauer führt der Film tief in die grundverschiedenen Zerwürfnisse der beiden Frauen, die durch die Geschichte eine Wandlung erleben. An das Ende des Films stellt der Regisseur allerdings ein Finale, das den Zuschauer in eine unwirkliche heile Welt entlässt.
Im Wettbewerb der Berlinale im Februar hatte der Film seine Uraufführung. Seitdem hat er zahlreiche Preise eingespielt, allen voran den Amnesty International Filmpreis und den Autorenpreis für das beste Drehbuch 2009. Im Sommer wurde er in Sarajevo in einem Freilluftkino gezeigt und erntete großen Beifall. Am 10. September kommt "Sturm" in die deutschen Kinos.
Quelle: ntv.de