Dossier

Fragen und Antworten EU in der Verfassungskrise

Die Staats- und Regierungschefs der EU wollen auf ihrem Gipfeltreffen an diesem Donnerstag und Freitag in Brüssel einen Fahrplan zur Lösung der "Verfassungskrise" vereinbaren. Einige zentrale Fragen der Debatte:

Warum muss die EU einen neuen Vertrag bekommen?

Wie die EU im Alltag funktioniert, wird über Verträge geregelt. Sie legen die Rollen der EU-Institutionen - Kommission, Ministerrat und Europaparlament - fest. Die ersten Rechtsakte waren die "Römischen Verträge" von 1957. Da sich die EU stetig entwickelt und neue Mitglieder aufnimmt, muss die Rechtsgrundlage von Zeit zu Zeit modernisiert werden. Dies geschieht mit "Reformverträgen". Nun ist der derzeit gültige "Vertrag von Nizza" (2003 in Kraft getreten) in die Jahre gekommen. Die EU mit heute 27 Mitgliedstaaten braucht einfachere Entscheidungswege. Außerdem soll die Stimmgewichtung unter den Mitgliedstaaten an die Größe der Bevölkerungen angepasst werden.

Braucht die EU unbedingt eine Verfassung?

Auch die EU-Verfassung wäre nur ein Vertrag gewesen -der "Vertrag über eine Verfassung für Europa". Doch mit dem Begriff sollte auch auf die besondere Bedeutung verwiesen werden: So hätte die Verfassung die bestehenden EU-und EG-Verträge verschmolzen. Außerdem hätte sie Elemente wie die "Charta der Grundrechte" enthalten. Diese hätten von jedem der gut 490 Millionen EU-Bürger eingeklagt werden können. Die Verfassung hätte nationale Grundgesetze -wie das deutsche -ergänzt.

Was sind die wichtigsten Elemente?

Die vier Teile der Verfassung sahen Werte und Symbole der EU -zum Beispiel Beethovens "Ode an die Freude" -und der Grundrechte ihrer Bürger vor. Die Entscheidungsprozesse sollten verschlankt und transparenter werden, nationale Parlamente und das EU-Parlament mehr Mitsprache bekommen. Vorgesehen war die Schaffung eines europäischen Außenministers und eines EU-Präsidenten, damit die EU nach innen und außen geschlossener und möglichst mit einer Stimme auftritt.

Wie kam es zu der Krise?

Bis jetzt haben 18 EU-Länder die Verfassung ratifiziert. Meist geschah dies durch die Parlamente. In einigen Ländern stimmten die Bürger ab. 2005 scheiterten Volksabstimmungen in Frankreich und in den Niederlanden, seitdem liegt die Verfassung auf Eis.

Warum haben Franzosen und Niederländer dagegen gestimmt?

Bei weitem nicht nur aus Europa-Verdruss. Viele Wähler wollten damals aus innenpolitischen Gründen ihre Regierungen bestrafen. Hinzu kam Stimmungsmache aus den extremen rechten und linken Lagern, die die Europapolitik als nationalen Ausverkauf verteufelten.

Warum muss sich die Bundesregierung um das Dilemma kümmern?

Die Mitgliedstaaten wechseln sich alle halbe Jahre mit dem EU-Ratsvorsitz ab. Derzeitige Ratspräsidentin ist Bundeskanzlerin Angela Merkel, die den Auftrag erhalten hat, einen Fahrplan zur Lösung der Verfassungskrise auszuarbeiten.

Welche Lösungsansätze gibt es?

Vorgesehen ist, an den wichtigsten Modernisierungen festzuhalten und diese dann als "Reformvertrag" vor allem von den Parlamenten ratifizieren zu lassen.

Weshalb stellen sich die Polen quer?

Es geht um die Abstimmungsregeln in den Ministerräten, in denen die tägliche EU-Politik gemacht wird: Polen ist nicht damit einverstanden, mit der Reform an Gewicht und Einfluss zu verlieren. Denn künftig soll auch die Bevölkerungsgröße berücksichtigt werden. Damit hätten Länder wie Deutschland mit einer mehr als doppelt so großen Einwohnerzahl deutlich mehr Stimmen als Polen.

Was passiert im Falle eines Scheiterns des Gipfels?

Sollte Polen ein Ergebnis blockieren, muss die portugiesische Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr dieses Jahres einen erneuten Versuch starten. Ansonsten droht der Union die Spaltung in Gruppen, die die Ziele der EU mit unterschiedlicher Intensität verfolgen - das so genannte Europa der zwei Geschwindigkeiten.

Quelle: ntv.de

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