In politisch heiklen Zeiten Ehrung für NATO-Soldaten
10.02.2008, 13:29 UhrMichael O'Rourke ist ein pflichtbewusster Soldat. Einer, der für seine Kameraden notfalls sein eigenes Leben riskiert - wie bei seinem Einsatz im Süden Afghanistans 2006. Mehrere andere kanadische Soldaten rettete der heute 23-Jährige dort nach einem Raketenangriff auf ein kanadisches Militärfahrzeug vor dem Tod. Eine nationale Auszeichnung hat O'Rourke dafür bereits bekommen, nun kam eine weitere hinzu: Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wurde er am Samstag mit der Medaille "Frieden durch Dialog" ausgezeichnet - die Veranstalter meinten das stellvertretend für alle Soldaten, die derzeit im Rahmen von NATO-Einsätzen weltweit zur Friedenssicherung eingesetzt seien.
Es schien die perfekt gelungene Inszenierung zu sein: eine Auszeichnung für einen kanadischen NATO-Soldaten und damit auch das Bündnis selbst, und das zu einem Zeitpunkt, da in der NATO heftig über eine gerechte Lastenverteilung beim Kampfeinsatz in Afghanistan gestritten wird. Allerdings: Die Entscheidung über die Preisvergabe fiel lange, bevor US-Verteidigungsminister Robert Gates sich per Brief an andere NATO-Staaten gewandt und um eine Aufstockung der Truppenkontingente im umkämpften Süden Afghanistans gebeten hatte. Ein tiefer Graben hatte sich daraufhin aufgetan zwischen den NATO-Mitgliedern, die laut Gates "zum Kämpfen und Sterben bereit sind" - und jenen, die das nicht seien. Nur mühsam konnte Gates die Wogen auf dem NATO-Treffen in Vilnius wieder etwas glätten.
"Kein Kommentar"
Der Gefreite O'Rourke wurde denn in München auch gleich gefragt, ob er einen stärkeren Einsatz der Bundeswehr im Süden Afghanistans fordere - dort, wo derzeit 2500 kanadische Soldaten eingesetzt sind. Und dort, wo in den vergangenen Jahren bereits knapp 80 Kanadier ihr Leben gelassen haben - gemessen an der Bevölkerung der relativ höchste Blutzoll eines NATO-Mitgliedslandes in Afghanistan.
"Kein Kommentar", sagte O'Rourke knapp. Dazu könne er nichts sagen. Er verwies lediglich auf die gute Zusammenarbeit mit den US-amerikanischen Streitkräften, die wie Kanada im Süden Afghanistans eingesetzt sind. Wobei O'Rourke den Eindruck vermittelte, als bewege sich die aktuelle politische Diskussion innerhalb der NATO fernab von dem, was die Soldaten beschäftigt, die in einem Krisengebiet wie Afghanistan ihren Dienst tun. Mehr als 50.000 ausländische Soldaten sind es dort derzeit, davon 43.000 unter dem Mandat der NATO- geführten internationalen Schutztruppe ISAF - nach Ansicht von Militärs mehr als 7000 zu wenig. Im Anti-Terror-Kampf gegen die Taliban und El Kaida sind darüber hinaus noch einmal etwa 10.000 Soldaten im Rahmen der "Operation Enduring Freedom" (OEF) im Einsatz.
"Wir verlieren da nicht"
Dass ausgerechnet er ausgewählt wurde, um die Friedensmedaille stellvertretend für alle NATO-Soldaten entgegenzunehmen, sei für ihn eine "große Ehre", sagte O'Rourke dann noch in die Mikrofone. Und auf die Frage, ob dies auch eine Anerkennung speziell des kanadischen Engagements in Afghanistan sei, meinte er: "Ich glaube schon."
Während O'Rourke diese Sätze sagte, ging im Konferenzsaal das Programm bereits weiter - eben mit einer Debatte über die Zukunft der NATO. NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer hob die Erfolge der Allianz beim Einsatz in Afghanistan hervor und sagte: "Wir verlieren da nicht." Er gestand ein, dass die Verbündeten sich noch steigern könnten - beschwor aber angesichts der Debatte um die gerechte Lastenverteilung in Afghanistan die Bündnissolidarität.
O'Rourke denkt derweil schon an seinen nächsten Einsatz. Ob er sich vorstellen könne, nach seinen schlimmen Erlebnissen in Afghanistan eines Tasges wieder dorthin zurückzukehren, wurde er gefragt. Dazu O'Rourke, ohne eine Sekunde zu zögern: "Ich bin Soldat, ich werde zurückgehen."
Von Christoph Trost, dpa
Quelle: ntv.de