Bush will China nicht verprellen Eiertanz um Olympia
09.04.2008, 10:26 UhrDer Druck auf US-Präsident George W. Bush wächst, und möglicherweise zeigt er erste Wirkung. Bislang hatte das Weiße Haus ohne Wenn und Aber Forderungen aus dem US-Kongress zurückgewiesen, Bush solle den chinesischen Gastgebern wegen anhaltender Menschenrechtsverletzungen die kalte Schulter zeigen und der Olympia-Eröffnungsfeier in Peking fern bleiben. Auch dass man ihm immer häufiger das Beispiel europäischer Verbündeter wie Bundeskanzlerin Angela Merkel vor Augen hält, die nicht nach Peking fliegen will, hatte den Präsidenten nicht ins Wanken gebracht.
Am Dienstag sah es erstmals danach aus, als wolle sich der Präsident zumindest eine Hintertür für einen Rückzieher offenlassen, nachdem er die Einladung bereits im vergangenen Jahr angenommen hatte - zu eilfertig, wie Kritiker ihm damals vorhielten. Dem Präsidenten stehe es immer frei, über einen Wechsel zu entscheiden, sagte Sprecherin Dana Perino nun. Experten werteten dies als ein Zeichen dafür, dass im Weißen Haus über eine Art Kompromisslösung nachgedacht werden könnte: eine Olympia-Reise nach Peking ja, aber vielleicht nicht zur Eröffnungsfeier, sondern zu einem der sportlichen Wettkämpfe.
Klares Zeichen gefordert
15 Kongressabgeordnete hatten den US-Präsidenten zuvor angesichts des jüngsten massiven Vorgehens chinesischer Sicherheitskräfte in Tibet aufgefordert, mit einer Absage ein klares Zeichen zu setzen. Die demokratische Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton schloss sich am Montag an und warf Bush vor, die Menschenrechtsfrage in den Beziehungen zu den USA "herunterzuspielen".
Tatsächlich prangern die USA Verstöße wie die jüngsten Vorfälle in Tibet in oft durchaus deutlicher Form an. Aber in der praktischen Politik ist immer wieder das Bemühen sichtbar, die Führung in Peking nicht zu stark vor den Kopf zu stoßen. Das wurde etwa im vergangenen Herbst beim Besuch des Dalai Lama in Washington klar sichtbar, als Bush das religiöse Oberhaupt der Tibeter bewusst nicht im Oval Office des Weißen Hauses, sondern in seinen Privaträumen empfing. Das sei Diplomatie, sagte damals ein Mitarbeiter. Kritiker sprachen von einem Eiertanz.
Politisch und wirtschaftlich verstrickt
Warum die US-Regierung Zurückhaltung vorzieht, liegt auf der Hand. Die Gründe sind vielfältig. Die Beziehungen zwischen Peking und Washington gehören zu den wichtigsten in der heutigen Welt. China ist die viertgrößte Wirtschaftsmacht und der drittgrößte Handelspartner der USA, die ihre Exporte in das Land gern noch deutlich ausweiten würden. "Wir benötigen einander in einer Reihe von wirtschaftlichen Angelegenheiten mehr und mehr", beschrieb es US-Finanzminister Henry Paulson erst kürzlich.
Hinzu kommen die politischen Abhängigkeiten. In Washington ist man sich darüber im Klaren, dass man in den aktuellen Krisen voll auf die Zusammenarbeit mit Peking angewiesen ist. Seien es das Ringen um eine Einstellung des nordkoreanischen Nuklearprogramms, der Atomstreit mit dem Iran, die Eindämmung der Gewalt in der sudanesischen Region Darfur oder die Lage in Birma - ohne die diplomatische Hilfe Chinas lässt sich kaum etwas bewegen.
Proteststimmung macht nervös
Dass die amerikanische China-Politik häufig ein Drahtseilakt ist, spiegelte sich auch im jüngsten Bericht des Außenministeriums zur Menschenrechtslage wider. Darin werden "chronische" Verstöße in China angeprangert, es wird aber vermieden, das Thema mit den Olympischen Spielen zu verknüpfen. So wird von Beschränkungen der Rede- und Pressefreiheit vor allem im Vorfeld von "sensiblen Veranstaltungen" gesprochen - das Wort Olympia fällt nicht.
Vor dem Hintergrund der großen Bedeutung der Beziehungen blickt die US-Regierung auch nervös nach San Francisco. Das Außenministerium hat eigens Berater in die Stadt geschickt, um bei den Sicherheitsvorkehrungen beim Olympischen Fackellauf zu helfen. Das letzte, was man will, sind Krawalle. Das wäre eine Demütigung für das chinesische Volk, hieß es im Weißen Haus. Eine Beleidigung wäre es nach den Worten von Außenministerin Condoleezza Rice auch, wenn Bush die Olympischen Spiele boykottieren würde. Der Besuch eines Wettbewerbs anstatt der Eröffnungsfeier könnte ihm einen Weg aus der Zwickmühle bieten.
Von Gabriele Chwallek, dpa
Quelle: ntv.de