Irak-Tagebuch (1) Ein Weg voller Tücken
17.03.2008, 13:33 UhrFünf Jahre dauert der Krieg im Irak nun schon, doch kaum jemand in Deutschland nimmt ihn noch zu Kenntnis. Längst findet der tägliche Tod von Aufständischen, Soldaten oder friedlichen Zivilisten meist nur in den Kurznachrichten statt. Und doch hat sich das Land in den vergangenen Jahren weitaus mehr verändert als wir wahrnehmen. Zuhause drücken andere Probleme, da ist der Irak weit weg. Und doch leben dort 27 Millionen Menschen, versuchen, ihren Alltag zu meistern. Sie müssen einkaufen, gehen zur Arbeit, zur Schule oder versuchen einfach zu überleben. Die wenigsten wollen den täglichen Terror - und doch sterben jeden Tag dutzende Menschen.
Zwölf Milliarden Dollar, oder umgerechnet 400 Millionen Dollar täglich, geben die Amerikaner jeden Monat dafür aus. Und das sind nur die direkten Kosten. Weder die 500.000 Dollar, die jede Familie der bislang fast 4.000 gefallenen US-Soldaten erhalten hat, noch die Kosten für die Behandlung der Verwundeten und Veteranen sind darin enthalten. Wofür sterben die Menschen im Irak? Was hat es gebracht, Saddam Hussein zu stürzen und zu hängen? Ist die Welt dadurch sicher geworden, wie der amerikanische Präsident Bush behauptet? Wie leben die Iraker heute, wo hinter jeder Ecke der Tod lauert?
Wir können nicht alle Fragen beantworten, aber wir wollen erneut mit eigenen Augen sehen, was sich verändert hat in einem der gefährlichsten Länder der Welt. Wir sind keine Abenteurer, haben selber manchmal Angst. Und doch glauben wir daran, dass Journalisten berichten müssen. Und das nicht nur vom Schreibtisch aus, sondern von vor Ort. Keine Agenturmeldung ersetzt den eigenen Blick. Dafür müssen wir nach Bagdad - und das ist alles andere als einfach!
Zusammen mit Kameramann Jean Claude und Daniel, der für den Schnitt verantwortlich ist, führt der Weg zur ersten Anlaufstation nach Amman. Die jordanische Hauptstadt ist das Tor in den Irak. Hier sollen wir unser Visum in der irakischen Botschaft bekommen. Seit mehr als einer Woche hat ein Helfer im Irak versucht, alle Formalitäten beim dortigen Außenministerium vorzubereiten. Doch als wir in der Botschaft ankommen, liegt kein Visum vor. Wir versuchen es dennoch, doch alles, was wir hören, ist: "frühestens in drei Tagen."
Doch mit Hilfe eines jordanischen Freundes und Bakschisch, so nennt man hier den finanziellen Dank für Gefälligkeiten, klopfen wir an viele Türen – und haben schließlich das Visum gestempelt im Pass. Den geplanten Flug haben wir in der Zwischenzeit allerdings verpasst. Doch nach einer weiteren Nacht in Amman sitzen wir schließlich im Flugzeug nach Bagdad. Das dies ein Flug in ein Kriegsgebiet ist, lässt sich aus der Zusammensetzung der Passagiere allerdings nicht entnehmen. Es sind Geschäftsleute, Frauen und Kinder, die die Plätze der ausgebuchten Maschine füllen. Auch am Flughafen selbst deutet wenig auf die tägliche Gewalt im Irak hin.
Doch unsere Sicherheitsleute, die uns für viel Geld in die schwer bewachte Grüne Zone bringen sollen, nehmen uns dieses Gefühl sehr schnell. Sie warten mit gepanzerten Autos, Maschinenpistolen und schusssicheren Westen auf uns. Kaum haben wir die Sicherheitszone des Flughafens verlassen und rollen mit unserem Konvoi über die berüchtigte Autobahn in die Innenstadt, ändert sich das Bild komplett. Überall stehen Panzerfahrzeuge, Soldaten und Polizisten am Wegesrand. Nur so ist es gelungen, die täglichen Anschläge der Aufständischen überhaupt zu minimieren.
Die Fahrt dauert nur 20 Minuten - und doch muss sie akribisch vorbereitet sein. Unsere Autos werden über GPS permanent von einer Sicherheitszentrale geortet. Die Anzahl der Insassen, die Art der Bewaffnung, alles ist dem amerikanischen Militär mitgeteilt worden. So können Soldaten im Falle eines Angriffs sofort helfen. Kein Vergleich mit unserem ersten Besuch in Bagdad kurz nach dem Einmarsch der Amerikaner. Damals konnten wir uns relativ frei in der Stadt bewegen. Mit unserem irakischen Übersetzer und in einem einfachen Taxi sind wir bis in die heilige Stadt Nadschaf, nach Hilla und Babylon gefahren. Überall konnten wir offen auf die Iraker zugehen und mit ihnen reden. Daran ist diesmal nicht zu denken.
"Wer heute als Ausländer hier einfach aussteigt, hat spätestens nach fünf Minuten ein Problem, das ihn das Leben kosten kann", sagen die Sicherheitsleute emotionslos und reihen sich in die Schlange der Autos vor dem ersten von fünf Checkpoints in die Grüne Zone ein.
Meterhohe Mauern, Stacheldraht, tonnenschwere Betonblöcke und tausende Sicherheitskräfte sollen Attentäter vom Eindringen in die Zone rund um Saddam Husseins ehemalige Paläste abhalten. Neun Quadratkilometer misst die Zone. Sie gibt Regierungsmitgliedern, Botschaftern, Geschäftsleuten und Journalisten eine halbwegs sichere Möglichkeit, in dieser Stadt zu leben. Von hier aus werden wir täglich aufbrechen in die Rote Zone - so bezeichnen die Soldaten den gesamten Rest des Landes.
Quelle: ntv.de