Dossier

Sprachregelung umstritten Erdogan in Köln

Der türkische Ministerpräsident Recep Erdogan ist in Köln zurzeit allgegenwärtig. Den rechten Arm zum Gruß erhoben oder aber dynamisch voranschreitend, blickt er von mehr als zweihundert Plakaten auf Straßen und Plätze. "Will der jetzt Bundeskanzler werden?", fragt ein Herr mit buschigem Kölschem Schnäuzer am Freitag kopfschüttelnd in der U-Bahn-Station Appellhofplatz.

Die Frage liegt nahe, denn hinter Erdogan weht eine riesige schwarz-rot-goldene Flagge. Auch die Schrift ist teilweise schwarz-rot-gold unterlegt. Alles erinnert stark an Bundestagswahlkampf - mit dem einzigen Unterschied, dass der Text türkisch ist. "Die sollen Deutsch schreiben", meint der in Köln lebende Italiener Giuseppe Casani (26).

Ansprache in der Köln-Arena

Ismet Aytekin von der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) kann das überhaupt nicht verstehen. "Wer die Plakate nicht lesen kann, kann uns ja anrufen. Also, es steht drauf: "Der türkische Regierungschef kommt nach Deutschland"." Wobei das besonders groß gedruckte Wort "Lideri" eigentlich nicht "Regierungschef" heißt, sondern vom englischen "leader" - Führer - abgeleitet ist: "Aber "Führer" können Sie auf Deutsch natürlich nicht schreiben."

Erdogan will am Sonntag vor 20.000 Türken in der Köln-Arena reden. Die UETD organisiert den Auftritt. Aytekin ärgert sich sehr darüber, dass die Islambeauftragte der SPD-Fraktion im Bundestag, Lale Akgün, die Plakate für integrationsfeindlich hält. "Jeder, der eine halbe Portion Döner gegessen hat, fühlt sich mittlerweile als Türkei-Experte", wettert er. "Was spricht dagegen, Menschen in ihrer eigenen Sprache anzureden? Integration heißt ja nicht, immer der Mehrheitsgesellschaft nach dem Mund zu reden."

Sprachregelung problematisch

Außerdem gibt es ja auch einige Plakate auf Deutsch. Darauf steht: "Das Herz der in Europa lebenden Türken schlägt in Köln." Das bezieht sich laut UETD aber nicht auf die Zahl der in Köln lebenden Türken - ungefähr 80.000 - oder auf die vielen dort ansässigen türkischen Organisationen, sondern nur auf die Veranstaltung am Sonntag. Dann kommen nämlich auch noch Türken aus Holland und Belgien.

Wann man in Köln türkisch sprechen darf und wann nur deutsch, ist im Alltag ein wiederkehrendes Thema. Sollen alle Mitteilungen der Stadt auch auf Türkisch erscheinen? Sollen türkische Kinder im Kindergarten dazu angehalten werden, nur Deutsch zu sprechen?

Gelassene Toleranz

Im Einkaufszentrum von Köln-Ehrenfeld - schräg gegenüber von der Stelle, wo die umstrittene Zentralmoschee gebaut werden soll - spielt sich folgende Szene ab: Eine türkische Kundin fragt eine der Damen hinter dem Informationsschalter etwas auf Türkisch und erhält daraufhin eine türkische Antwort. Sogleich schnellt eine andere Mitarbeiterin hinzu und weist ihre Kollegin barsch zurecht: "Hör sofort auf, Türkisch zu sprechen. Du weißt, wenn der Chef das mitkriegt, fliegst du raus."

Die rechtsextreme Partei "Pro Köln" will demnächst eine große Demonstration gegen die "Islamisierung" der Stadt abhalten. Doch wenn nicht alles täuscht, legt die Mehrheit der Kölner weiterhin rheinische Gelassenheit an den Tag. Opa Johann aus Köln-Riehl ist 82 und hat die Plakate auch schon gesehen. Mit Schirmmütze wartet er an diesem Freitagmorgen auf seine U-Bahn. "Wissen Sie", sagt er, "ich bin 1945 von einem Kriegsgericht zum Tode verurteilt worden, weil ich am Endsieg gezweifelt hatte. Ein Lazarettarzt hat mich gerettet. Seitdem sag ich immer: Leben und leben lassen."

Von Christoph Driessen, dpa

Quelle: ntv.de

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