Dossier

Heute auf dem Chefsessel Ex-Aktivisten im Frieden

Inoffiziell sollen über 1000 Demonstranten umgebracht worden sein (Archivbild vom 4. Juni 1989).

Inoffiziell sollen über 1000 Demonstranten umgebracht worden sein (Archivbild vom 4. Juni 1989).

Vor 20 Jahren ging Wu'er Kaixi in Peking auf die Straße, um für mehr Demokratie zu demonstrieren. Zwei Jahrzehnte nach der blutigen Niederschlagung der chinesischen Demokratiebewegung auf dem Tiananmen-Platz arbeitet der Ex-Studentenführer als Investmentbanker im taiwanischen Exil. Auch in der Volksrepublik stehen die meisten Aktivisten von damals heute voll im Berufsleben. Viele kümmern sich nicht mehr um Politik. Andere hoffen, als Geschäftsleute das System zu verändern - durch wirtschaftlichen Fortschritt. Einer Konfrontation mit dem Staat gehen sie aus dem Weg.

Am 4. Juni 1989 ging die chinesische Armee mit Panzern gegen die Demonstranten auf dem Platz des Himmlischen Friedens vor. Die Stadtverwaltung von Peking sprach nach dem Einsatz von 241 Toten, Menschenrechtsorganisationen gehen von bis zu mehreren tausend Toten aus. Viele prominente Aktivisten wurden zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt, andere flohen ins Exil. Unter den Oppositionellen von heute sind nur noch wenige Aktivisten von damals.

Ehemalige Aktivisten bleiben anonym

Das Militär richtet auf dem Platz des Himmlischen Friedens, auf dem Studenten für mehr Demokratie, Pressefreiheit und gegen Parteiprivilegien demonstrierten, ein Blutbad an (Archivbild vom 4. Juni1989).

Das Militär richtet auf dem Platz des Himmlischen Friedens, auf dem Studenten für mehr Demokratie, Pressefreiheit und gegen Parteiprivilegien demonstrierten, ein Blutbad an (Archivbild vom 4. Juni1989).

(Foto: dpa)

"Den Menschen geht es besser, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch", sagt ein früherer Tiananmen-Demonstrant, der wie viele seiner Altersgenossen heute eine leitende Position in einem Unternehmen bekleidet. Nach der Niederschlagung der Studentenproteste habe sich in China viel verändert, auch die Regierung habe "ungemein profitiert", sagt der Manager, der aus Furcht vor negativen Auswirkungen für seine Firma anonym bleiben will.

Denn trotz der Fortschritte sieht er in China weiterhin politische Mängel. Er wünsche sich mehr politische Freiheit und Pressefreiheit, sagt der leitende Angestellte. Nur so könne China seine intellektuelle Leistungsfähigkeit voll entfalten. Wer nicht über Fehler spreche, könne die Dinge "nicht klar sehen".

Öffentlich wie privat ein Tabu-Thema

Vor allem über die Ereignisse aus dem Frühsommer 1989 wird in China nicht gesprochen. Die Regierung in Peking versucht, öffentliche Diskussionen zu verhindern, auch privat ist das blutige Ende der Demokratiebewegung ein Tabu-Thema. Der US-China-Experte Perry Link, der in dem Buch "Die Tiananmen-Akte" Geheimdokumente über die Ereignisse veröffentlicht hat, spricht von einem "politisch radioaktiven" Thema.

Auf dem Tiananmen-Platz erinnert heute nichts mehr an die Ereignisse von 1989.

Auf dem Tiananmen-Platz erinnert heute nichts mehr an die Ereignisse von 1989.

(Foto: dpa)

Viele ehemalige Aktivisten haben nach Links Einschätzung ihren Frieden mit dem heutigen System gemacht. Intellektuellen und Studenten gehe es heute besser als vor 20 Jahren, sagt der Autor, der an der Universität von Kalifornien lehrt. Unter der Oberfläche gebe es aber bei vielen noch schmerzhafte Erinnerungen.

Irgendwann wird es Aufklärung geben

"Die Regierung hat bei der Behandlung der Ereignisse viele Fehler gemacht", meint auch der frühere Demonstrant und heutige chinesische Manager. Er ist aber davon überzeugt, dass es eines Tages Aufklärung und Gerechtigkeit geben wird. "Es ist egal, ob es 20 Jahre, 50 Jahre oder sogar 200 Jahre dauert", sagte er.

Einige wenige Tiananmen-Anführer kämpfen noch heute für ihre Ideale und fordern von der Regierung in Peking eine Aufarbeitung der Ereignisse. Wu'er Kaixi hat aber auch Verständnis für diejenigen, die sich vollständig in die chinesische Gesellschaft integriert haben. "Dissident zu sein, ist kein Job für hunderttausende von Menschen", sagt der Ex-Studentenführer. "Erfolgreich zu sein, ist eine Aufgabe für die ganze Generation."

Quelle: ntv.de, Peter Harmsen, AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen