Endet die Brutalität der Rebellen? Friedensabkommen in Uganda
10.04.2008, 15:55 UhrVerstümmelte Gliedmaßen, entstellte Gesichter ohne Lippen, Ohren oder Nasen: Bilder des Schreckens hat die Rebellengruppe LRA ("Widerstandsarmee des Herrn") nach mehr als zwanzig Jahren Bürgerkrieg in Uganda hinterlassen. Über 1,5 Millionen Menschen - das ist fast die gesamte Bevölkerung von Nord-Uganda - fristen in über 200 Camps ein Flüchtlingsdasein. Fast jede Person in der gebeutelten Region hat in einem der längsten und brutalsten Kriege Afrikas einen Angehörigen verloren.
Schon kurz nachdem sich Yoweri Museveni, der noch amtierende Präsident Ugandas, 1986 an die Macht putschte, bildete sich Widerstand gegen die neue Regierung in Kampala. Unter dem Kommando von Joseph Kony, einem mäßig gebildeten, ehemaligen katholischen Laienprediger, formierte sich die Lords Resistance Army.
Striktes Beten des Rosenkranzes
Die LRA galt zunächst als Lachnummer: Kony predigte seinen Milizen, Ugandas Probleme hätten ihre Ursache im notorischen Verstoß gegen die Zehn Gebote. Der Kampf der LRA galt der Installation einer Regierung, die auf der biblischen Lehre fußt. Das Gelächter von Seiten der Menschen in Uganda wurde lauter, als die kuriose neue Rebellengruppe den puritanischen Regelkatalog für ihre Kämpfer bekannt gab: striktes Beten des Rosenkranzes und Verzicht auf Schweinefleisch. Am lautesten lachte Museveni. Er glaubte, die Aufständischen innerhalb von Wochen ausschalten zu können.
Das Gelächter verstummte, denn die LRA wurde immer stärker. Zulauf erhielten die Rebellen vor allem durch die Acholis, einer ethnischen Gruppe, die aus Angst vor Musevenis Soldaten der ugandischen Armee entflohen war. Anfang der 1990er Jahre trat der Aufstand in eine neue Phase, als die LRA zum ständigen Klienten der sudanesischen Regierung wurde, die wiederum Uganda bezichtigte, die Rebellen der Sudan Peoples Liberation Army (SPLA) zu unterstützen.
LRA immer brutaler
Die LRA mauserte sich zu einem ernstzunehmenden Akteur - und wurde immer brutaler. Die Kämpfer der Lords Resistance Army begannen die biblischen Gebote zu brechen: Menschen wurden entführt und verstümmelt, um sie mit dem Mittel der Angst unter Kontrolle zu bringen. Vor allem die gewaltsame Rekrutierung von Minderjährigen zu Kindersoldaten wurde zu einer zentralen Strategie der LRA. Entführte Mädchen wurden als Sex-Sklavinnen missbraucht. Internationale Hilfsgruppen und die Vereinten Nationen schätzen, dass 25.000 Kinder im Laufe des Krieges von den Rebellen entführt wurden.
Die Reaktion der ugandischen Regierung auf die Aktivitäten der LRA war radikal: Als klar wurde, dass sich die Zivilbevölkerung - wenn auch gezwungenermaßen - den Rebellen anschloss, wurden fast alle Einwohner der nördlichen Region in Camps gesteckt.
Diverse Friedensbemühungen im Laufe der 1990er Jahre und zu Beginn des neuen Jahrtausends verliefen erfolglos. Erst im Tauwetter der Beziehungen zwischen Uganda und dem Sudan konnte die LRA unter Druck gesetzt werden: Das Rückzugsgebiet Süd-Sudan wurde zum Tabu, die LRA-Kämpfer zogen Ende 2006 weiter in den Norden der Demokratischen Republik Kongo.
Haftbefehle gegen LRA-Offiziere
Ende 2005 legte die ugandische Regierung Klage beim Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Hague ein. Der ICC erteilte Haftbefehle gegen fünf Top-Offiziere der LRA - darunter Joseph Kony - wegen Tötungen, Vergewaltigungen, Entführungen und Einberufung von Kindern in den Krieg. Keiner der Angeklagten wurde je gefasst. Und Mitte 2006 verhängte Präsident Museveni überraschend eine Amnestie für die LRA-Rebellen - um kurz darauf die Friedensgespräche zu eröffnen.
Die Verhandlungen erwiesen sich als zäh. Größter Zankapfel war bis zum Schluss die Forderung der LRA-Rebellen an den ICC, die Anklagen gegen ihre Anführer fallen zu lassen. Schließlich einigten sich die Parteien darauf, dass den LRA-Offizieren vor einer Spezialabteilung des ugandischen Gerichtshofes der Prozess gemacht werden soll.
Auch wenn sich ugandische Regierung und LRA-Rebellen am heutigen Donnerstag zur abschließenden Ratifizierung der Friedensdokumente im abgelegenen Ri-Kwangba an der Grenze zwischen Sudan und DR Kongo treffen - zum jetzigen Zeitpunkt ist es schwierig, von klaren Verhältnissen zu sprechen. Denn Vorhersehbarkeit gehört nicht zum Markenzeichen der LRA: Kurz nachdem der letzte Artikel des Entwurfes für die Friedensagenda unterzeichnet war, rückten Kämpfer der LRA in die Zentralafrikanische Republik vor, und begannen mit Tötungen und Entführungen von Menschen. Und eigentlich hatte Kony zugesichert, den Friedensvertrag am 5. April zu unterzeichnen. Dann verschob er den Termin für die Ratifizierungszeremonie überraschenderweise auf den 10. April.
Von Henry Wasswa und Eva Berendsen, dpa
Quelle: ntv.de