Merkel und Westerwelle Fröhliches Flanieren
24.05.2009, 12:31 UhrDas Bild, das Angela Merkel und Guido Westerwelle abgaben, sagte mehr als die berühmten tausend Worte.
Das Bild, das Angela Merkel und Guido Westerwelle abgaben, sagte mehr als die berühmten tausend Worte. Die ersten Kameras im Reichstag waren an diesem historischen Samstag schon abgebaut, da flanierten auf einmal die Kanzlerin und der FDP-Chef fröhlich Seite an Seite durch die Empfänge ihrer Fraktionen. Erleichtert, dass es mit der Wiederwahl von Horst Köhler zum Bundespräsidenten zwei Stunden zuvor gleich im ersten Anlauf geklappt hatte.
Bei Speis' und Trank hatten sich die Delegierten an diesem Wahltag, der zugleich Verfassungs-Jubiläumstag war, schon längst den nächsten Wahlen zugewandt. Unmittelbar nach der Bestätigung Köhlers hatten die Kanzlerin und der Oppositionsführer die Bedeutung für die nächste Zukunft noch zurückhaltend eingeschätzt. "Jede Wahl hat ihre eigene Dynamik", lautete die Bemerkung der CDU-Chefin. Der FDP-Chef freute darüber, dass es SPD, Grünen und Linkspartei nicht gelungen sei, Köhler abzuwählen, ohne aber auf die Chancen von Schwarz-Gelb zu sprechen zu kommen.
Partner in spe
Merkels und Westerwelles gemeinsamer Auftritt im dritten Stock war dann aber der Nachweis, dass - jenseits aller Abgrenzungsbekundungen der jüngsten Zeit - Union und FDP nach der erfolgreichen Präsidentenwahl nun auch vereint an die Macht in Berlin wollen. Die Partner in spe gaben sich die Ehre.
Präsidentenwahlen haben in der nun 60-jährigen bundesdeutschen Geschichte oft genug neue politische Konstellationen vorweggenommen. Die Wahl von Gustav Heinemann (SPD) 1969 wird bis heute als exemplarischer Beleg angeführt, weil sie die erste und bislang einzige sozialliberale Koalition ankündigte. Vor fünf Jahren hatten Merkel und Westerwelle Ähnliches im Sinn, als sie den bis dahin unbekannten Ökonomen Köhler aufstellten. Ihre Hoffnung, dass Köhlers erster Wahl zum Präsidenten ein Sieg bei der Bundestagswahl folgen könnte, erfüllte sich jedoch nicht.
Gebrannte Kinder
Vielleicht war dies am Samstag auch der Grund für die anfängliche Zurückhaltung von Merkel und Westerwelle, die nicht gleich lauthals vom "Signal für das, was wir vorhaben" sprachen, wie CSU-Chef Horst Seehofer. Als "gebrannte Kinder" waren Merkel und Westerwelle zunächst in erster Linie froh, dass sie Köhler durchgebracht hatten, wenn auch knapp. Umgekehrt hätte ein Triumph der SPD-Kandidatin Gesine Schwan den Glauben an einen schwarzen-gelben Wahlsieg schwer erschüttert. Nun lebt Merkels und Westerwelles Traum in jedem Fall erstmal weiter.
Es gab gleichwohl auch sehr nüchterne Stimmen im Unions-Lager. "Die Auswirkungen der Wahl sind, dass sie keine Auswirkungen hat", meinte ein CDU-Ministerpräsident im Vorüberhuschen knapp. Für ihn werden die Karten bei der Europawahl in zwei Wochen neu gemischt - erst recht für die Bundestagswahl im September. Andere hofften wenigstens auf einen kleinen Schub für die kommenden Wahlen. CSU-Mann Peter Ramsauer sprach gar einen "starken psychologischen Effekt", der von diesem Samstag in Berlin ausgehen werde. In den Gesichtern der SPD-Oberen glaubte er gesehen zu haben, dass sie einen Tiefschlag erlitten hatten.
SPD bleibt Peinlichkeit erspart
Verbreitet war in der Union die Interpretation, dass die SPD mit ihrer Niederlage ganz gut leben könne. Zwar hätten nicht alle aus dem rot-grünen Lager für Schwan gestimmt, aber die Zahl der Abweichler habe sich "bei den Sozis" in Grenzen gehalten, wurde analysiert. Auch die Peinlichkeit eines heimlichen Bündnisses mit den Linken sei der SPD erspart geblieben.
Die Große Koalition kann nun ihrer Restarbeiten absolvieren, "weil die Polarisierung letztlich ausgeblieben ist", sagte ein hochrangiges CDU-Fraktionsmitglied. So ist das in Berlin. Lange wird auf ein politisches Großereignis hingefiebert. Dann richtet sich der Blick weit nach vorn - und zuletzt auf die nächste Sitzungswoche.
Quelle: ntv.de, Ulrich Scharlack, dpa