Krisengewinner Steinbrück Für Wochen der neue SPD-Star
04.12.2008, 15:34 UhrSeit Wochen ist Peer Steinbrück in seinem Element. Die Finanz- und Konjunkturkrise beschreibt er schnörkellos und hält sich auch mit Spott gegen Banker und Manager nicht zurück. Das leidenschaftliche und selbstbewusste Auftreten kommt derzeit nicht nur beim Wähler an, sondern auch bei den Sozialdemokraten, die Steinbrück schon mal als reformschwache "Heulsusen" kritisiert. Im Moment steht "Su-Peer" bei den Genossen hoch im Kurs, obwohl er kaum andere Positionen vertritt als in der Vergangenheit.
Wie lange der Höhenflug des studierten Ökonomen in Umfragen und die für ihn ungewohnte Heldenrolle bei der SPD andauern, bleibt abzuwarten. Schon rumort es wieder einmal im linken Parteiflügel. Der will nicht nur mehr Geld gegen den Abschwung locker machen. SPD-Linke pochen auch auf Konsumgutscheine, die Partei-Vize Steinbrück bisher als absurd ablehnt. Und in der CDU/CSU, die weiter nach einem Wirtschaftspolitiker von Format sucht, wächst der Unmut. Es könne nicht sein, dass Steinbrück die Unionspolitik bestimme.
"Politiker des Jahres"
Vorerst ebbt die Beifallswelle für den 61-Jährigen nicht ab. Am 4. Dezember soll Steinbrück im TIPI-Zelt am Kanzleramt - in Sichtweite von Angela Merkels Büro - zum "Politiker des Jahres" gewählt werden. Der Preis wird zum zweiten Mal vergeben, im vergangenen Jahr erhielt ihn Familienministerin Ursula von der Leyen, der damalige Shooting-Star in der CDU. Die Laudatio für Steinbrück war Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) vorbehalten. Kein Wunder, kennen und schätzen sich die beiden doch nach zahlreichen Reformrunden.
Das schlichte Links-Rechts-Muster ist Steinbrück ohnehin suspekt. Er senkt Unternehmenssteuern, führt eine moderate Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge ein oder ist gegen eine längere Zahldauer beim Arbeitslosengeld I und bringt so die Linken gegen sich auf. Dann plädiert er mit ihnen für kräftige Lohnerhöhungen, für Mindestlöhne und will Brücken bauen zwischen den Leistungsträgern und Eliten des Landes sowie den sozial Schwachen. Fast ein Drittel der Bürger weiß nach einer Umfrage aber nicht, dass der Minister SPD-Mitglied ist.
Auch in der Krise Kurs halten
Steinbrück will gestalten und nicht als Erbsenzähler in die Geschichte eingehen. Das ist ihm in Zeiten boomender Konjunktur und sprudelnder Steuereinnahmen auch geglückt. Doch in der Krise muss er sich auch den Vorwurf eines "Schönwetterministers" gefallen lassen. Das Ziel, 2011 erstmals seit vier Jahrzehnten einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorzulegen, musste er aufgeben. Für die Opposition ist Steinbrück in der Krise ohnehin nur ein "Schönfärber", der die Zeichen der Zeit zu spät erkannt hat und nur scheibchenweise mit der Wahrheit rausrückt. Steinbrücks Agieren in der Krise der Staatsbank KfW, bei der Hypo Real Estate und das zögerliche Vorgehen beim Konjunkturpaket ist der Opposition seit langem ein Dorn im Auge.
Steinbrück kontert dies mit bissiger Ironie und der ihm eigenen ruppigen, oft aufbrausenden und arrogant wirkenden Art. Man spürt dann, was er von Kritikern hält: Dummschwätzer und Wichtigtuer. Der geborene Hamburger und Ex-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen liebt den starken Auftritt. Gern wirft er mit Metaphern aus der Bergmannswelt, mit hanseatischen Sprüchen und Zitaten des früheren britischen Premiers Winston Churchill um sich. Der begeisterte Schachspieler will auch in der Krise Kurs halten. Das wird ihm schon Anfang Januar wieder abverlangt. Am 7./8. Januar, wenige Tage vor Steinbrücks 62. Geburtstag, kommt die SPD-Spitze zusammen, um auch über Konjunkturhilfen und mehr Staatsknete zu beraten.
Kampf um ein Bundestags-Mandat
Im nächsten Jahr begibt sich Steinbrück in die Niederungen des Wahlkampfes. Im rheinischen Wahlkreis Mettmann I kämpft er erstmals um ein Bundestags-Mandat. Steinbrück will sich auch weiter drei-, viermal im Jahr mit unterschiedlichsten Leuten treffen wie dem Schauspieler Hannes Jaenicke, Schriftsteller Bernhard Schlink, Ex-Leichtathletin und Doping-Expertin Ines Geipel oder Bayern-Manager Uli Hoeness, um "raus aus der politischen Käseglocke" zu kommen. Zeit zum Lesen, Billard spielen oder für Filme dürfte kaum noch bleiben.
Fehler hat Steinbrück, dessen Urgroßonkel Gründer der Deutschen Bank war, durchaus schon eingestanden. "Irgendwann in den 1990er Jahren" habe er sich bei Devisengeschäften auf Lire und Peseten verzockt. Er sei so blöd gewesen, nur auf die Zinsen geguckt zu haben, aber nicht auf die Wechselkurse, räumt der Volkswirt ein.
Quelle: ntv.de, Andr Stahl, dpa