"Deutschland ist wichtig" Gefeilsche um einen Sitz
10.02.2007, 10:20 UhrVon Christian Wilp, Washington
Die Meinung des Gouverneurs von New Mexico kann man getrost als irrelevant abhaken. Dennoch hat sie überrascht: "Deutschland ist zusammen mit Japan prädestiniert für einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen." Das sagt Bill Richardson – und zwar öffentlich in Washington. Gegenüber n-tv fügt er hinzu: "Deutschland ist eine wichtige Macht, Deutschland hilft den Entwicklungsländern, Deutschland zählt zu den führenden Wirtschaftsnationen, und deshalb hat es einen Sitz verdient." Immerhin: Der Herr bemüht sich um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten. Seine Aussage könnte also nachträglich an Relevanz gewinnen.
In der deutschen Mission unweit des Sitzes der Vereinten Nationen in New York vernimmt man die Äußerungen des Gouverneurs schon jetzt mit Interesse: "Das zeigt, dass sich die amerikanische Blockade offenbar zu lösen beginnt und wieder Bewegung in die Sache kommt." In der Tat sind die Bemühungen, den Sicherheitsrat zu reformieren, offiziell stets ein Thema, auch wenn sie - nach dem gescheiterten Versuch im Sommer des Jahres 2005 - nicht mehr die "oberste Priorität" genießen, wie es in informierten Washingtoner Kreisen heißt. Seinerzeit waren die so genannten G4, also Japan, Brasilien, Indien und Deutschland, mit ihrem Anliegen gescheitert, ebenfalls dem exklusiven Zirkel des Sicherheitsrates anzugehören. Mehrere Staaten, allen voran die Türkei, Italien und Mexiko, hatten sich gegen eine Bevorteilung der G4 verwahrt. Außerdem fühlten sich die USA übergangen – und torpedierten den G4-Vorstoß so gut es ging. Ein ständiger Sicherheitsratssitz ausgerechnet für die als renitent eingestufte Bundesregierung Schröder/Fischer schien in Washington seinerzeit Abschreckung genug.
Allgemeiner Konsens ist: Die gegenwärtige Zusammensetzung des Sicherheitsrates repräsentiert schon lange nicht mehr die geopolitischen Realitäten. Das sehen praktisch alle Staaten so, mit vielleicht fünf Ausnahmen: den Mitgliedern des Sicherheitsrates. Dieser Fünferclub aus USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien spiegelt ziemlich genau die Machtverteilung kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wider. "Aber nicht mehr die von heute", klagt das Gros der einfachen Mitglieder.
Das Problem nur: Die ambitionierteren Staaten haben sich bislang erfolgreich gegenseitig blockiert. Eine reformbringende Zweidrittelmehrheit ist nicht in Sicht. Was also tun? Schon vor 13 Jahren hat man eine Arbeitsgruppe etabliert. Die "Open Ended Working Group" aller 192 UNO-Staaten. In Diplomatenkreisen gilt solch ein Gremium als sicheres Instrument, auch wirklich jede Diskussion zuverlässig einschlafen und schließlich begraben zu lassen. Vor allem kann nur im Konsens abgestimmt werden. "Und das ist bei diesem Thema nicht zu erwarten", heißt es unter Diplomaten.
Vor wenigen Tagen traf sich die Working Group erneut. Der neue deutsche UNO-Botschafter Thomas Matussek formulierte es in seinem ersten Gruppenbeitrag recht plastisch: "Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem der Motor unseres alten Wagens schlapp gemacht hat, und wir Ausrüstung benötigen, die das Auto leider nicht besitzt." Als Erfolg gilt schon, dass so genannte Moderatoren bis Ende März Vorschläge erarbeiten sollen, über die dann weiter beraten werden kann. Ziel ist eines fernen Tages eine Abstimmung in der Generalversammlung. Matussek macht aus seiner Meinung kein Geheimnis: "Wir halten das G4-Modell nach wie vor für das umfassendste."
Gouverneur Richardson hält diese Variante allerdings nicht für durchsetzbar. Gegen Indien sei Pakistan, gegen Brasilien Mexiko, und die Frage, wer den afrikanischen Kontinent repräsentiert, sei völlig ungelöst. Er favorisiert ein Rotationsverfahren der Kandidaten. Mit zwei Ausnahmen: Japan und Deutschland. Diese Staaten, nach den USA auch die stärksten Beitragszahler der Gemeinschaft, sollten einen ständigen Sitz erhalten. Immerhin gilt Richardsons Ansicht nicht als Meinung eines um Zustimmung heischenden Provinzpolitikers. Der Gouverneur hat schon einige Stationen durchlaufen: Er war Abgeordneter des Repräsentantenhauses, Energieminister im Kabinett Clinton und Botschafter der USA – und zwar bei den Vereinten Nationen in New York. Jetzt will er Präsident werden.
Quelle: ntv.de