Auch USA besorgt Grünes Erwachen
02.06.2008, 09:11 UhrDie kniehohen, blauen Tonnen scheinen allgegenwärtig: Ob in Strandhotels von Miami Beach oder Berghütten auf den Appalachen - überall laden sie zum Recycling ein. Zwar trennen die Amerikaner nicht so strikt wie deutsche Haushalte, aber immer mehr machen mit. In den vergangenen 15 Jahren verdoppelte sich der Anteil wiederverwerteten Mülls in der reichsten Nation der Welt auf rund ein Drittel. Und das ist nicht das einzige Indiz, dass es merklich grünt in den USA. Windenergie boomt, Autohersteller verweisen wo möglich auf günstigen Spritverbrauch, Hybrid-Wagen finden reißenden Absatz, und längst sind die 50 Bundesstaaten der Regierung in Washington bei Programmen zur Verringerung von Treibhausgasen davongeprescht. Im US-Wahlkampf ist es zwar kein Spitzenthema, doch haben alle Kandidaten das Klima - mal mehr, mal weniger präzise - auf der Agenda.
Seit Jahren spricht sich in einer Gallup-Umfrage eine Mehrheit der Amerikaner dafür aus, dem Schutz der Umwelt Vorrang einzuräumen, selbst wenn dadurch das Wirtschaftswachstum leiden sollte. Und mehr als 60 Prozent sagten dem renommierten Meinungsforschungs-Institut in einer Erhebung vom März, dass die Auswirkungen der Klimaerwärmung bereits zu beobachten seien - so viele wie nie zuvor. David Hollister verkauft in Asheville (US-Bundesstaat North Carolina) Solarzellen für Hausdächer, und er kann den Trend in seinen Bilanzen ablesen: Schon vor drei Jahren begann der Absatz in die Höhe zu schießen. "Die Leute sind aufgewacht", befindet der Ex-Greenpeace-Aktivist. Die Gründe sind vielfältig, berichten Experten: Sicher ist die Einsicht gewachsen, aber es sind auch der hohe Ölpreis, staatliche Anreize und günstigerer Öko-Strom durch technologische Fortschritte, wodurch sich das Bewusstsein der Amerikaner zunehmend grün färbt.
USA "auf der Verliererseite"
Allen Fortschritten zum Trotz - es gibt offenbar noch viel aufzuholen. Das US-Magazin "Newsweek" erstellte im April zusammen mit Universitäten einen Index, der Umweltschutz-Bemühungen von Ländern in der ganzen Welt misst. Danach landeten die USA weit abgeschlagen auf Platz 66, gleich hinter Bulgarien. Deutschland erhielt einen respektablen 14. Platz, während Schweden ganz oben auf dem Siegertreppchen steht.
Nach wie vor sind die USA mengenmäßig der größte Produzent von Treibhausgasen der Erde, pro Kopf nur noch von Australien übertroffen. Ein Viertel der schädlichen Emissionen weltweit entstehen zwischen Maui und Manhattan. "Die stete Schädigung unseres Klimas wird zu einem Krieg ersten Ranges, und die USA stehen in jeder Hinsicht auf der Verliererseite", stellt das US-Magazin "Time" fest. "Wenn wir überhaupt in ihm kämpfen - und nach vielerlei Maßstäben tun wir das nicht - dann kämpfen wir auf der falschen Seite."
Grüne Hoffnung nach Bush
Den Schwarzen Peter sehen viele bei US-Präsident George W. Bush. Nicht nur lehnt er das Kyoto-Protokoll zur Verringerung der Treibhausgase ab. Erst vor eineinhalb Jahren räumte Bush öffentlich ein, dass der Klimawandel eine Bedrohung ist. Von verbindlichen Zielen zur Reduzierung schädlicher Emissionen will er aber dennoch nichts wissen. Stattdessen setzt seine Regierung unter anderem auf technologische Lösungen und subventionierten Bio-Sprit. Dazu besteht die Bush darauf, dass große Schmutzfinken unter den Schwellenländern wie China und Indien ebenfalls in die Pflicht genommen werden.
"Die Wetten stehen gut, dass wer auch immer (bei der Präsidentenwahl) im November gewinnt, grüner als George W. Bush sein wird", schreibt "Newsweek". Ob Barack Obama, Hillary Clinton oder sogar der Republikaner John McCain - alle befürworten sie verbindliche Ziele zur Reduzierung von Treibhausgasen, gekoppelt mit einem System zum Emissionshandel. Die beiden Demokraten wollen den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2050 auf 20 Prozent der Menge von 1990 drücken, McCain hingegen ist in diesem Punkt weniger deutlich. Ein klares Ziel bleibt der Republikaner "Newsweek" zufolge auch bei erneuerbaren Energien schuldig. Clinton und Obama wollen indes, dass bis 2025 ein Viertel des US-Stroms aus diesen Quellen stammt.
Einen gewichtigen Schritt unternehmen die USA bereits in dieser Woche: Dann nimmt der Senat Beratungen über einen Gesetzentwurfes des Parteiunabhängigen Joe Lieberman und des Republikaners John Warner auf, der Emissionshandel einführen will. Zudem soll der CO2-Ausstoß bis 2012 auf das Niveau von 2005 zurückgefahren werden und bis 2050 auf 30 Prozent davon. Würde die Vorlage so verabschiedet, erwartet das "Wall Street Journal" die "weitreichendste Neuordnung der US-Wirtschaft durch die Regierung seit den 30er Jahren". Doch selbst seine Befürworter glauben, dass der Entwurf keine Chance hat, Gesetz zu werden - spätestens würde Bush ihn mit seinem Veto stoppen. Die Hoffnungen, so heißt es, richten sich auf die nächste Regierung.
Von Frank Brandmaier, dpa
Quelle: ntv.de