"Nur eine Tasse Reis" Hungerkrise im Visier
03.06.2008, 17:57 UhrExplodierende Weltmarktpreise für Nahrungsmittel, Unruhen mit Toten in leidgeprüften Ländern und über 850 Millionen Hungernde und Unterernährte unter den Ärmsten der Armen - nach einer dramatischen Verschärfung vor allem der Preisentwicklung nimmt die Weltgemeinschaft jetzt das ins Visier, was Hilfsorganisationen als "globale Hungerkrise" anprangern und auch Papst Benedikt XVI. auf den Plan ruft. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat Alarm geschlagen, die Trommel gerührt und mehr als 40 Staats- und Regierungschefs nach Rom gebracht, um die Krise um die steigenden Lebensmittelpreise mit einer raschen Soforthilfe und einem "Aktionsplan" zu entschärfen.
Strenge Sicherheitsvorkehrungen
Der Andrang hochrangiger Politiker zum Welternährungsgipfel war so riesig, dass vor allem rund um das Gebäude der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) im Süden vom Rom der Verkehr zusammenbrach. Hunderte Journalisten tummelten sich bei grauem Herbstwetter im Pressezentrum. Und auch die verstärkten Sicherheitsmaßnahmen im Zentrum der Ewigen Stadt und am Circo Massimo trugen im strömenden Regen zum Chaos bei.
Sicherheit wurde ganz besonders großgeschrieben, weil neben Präsidenten aus Südamerika, dem Ägypter Husni Mubarak und dem Franzosen Nicolas Sarkozy auch höchst umstrittener Besuch die FAO- Bühne nutzen wollte: Präsident Robert Mugabe aus Simbabwe, dessen Auftritt in Rom Großbritannien und Australien "obszön" nannten; und Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad, der auch auf italienischem Boden von seinen Verbalattacken auf Israel nicht lassen konnte. Mit beiden wollte praktisch niemand auf dem Gipfel etwas zu tun haben.
Im Brennpunkt stand, was Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul als "Skandal der Menschheitsgeschichte" brandmarkte: Hunger. Der UN-Generalsekretär will einen internationalen Kraftakt, auch weil Hunger "zerstörerisch" ist und viel Zündstoff birgt: "Er nährt Wut, sozialen Zerfall, Krankheiten, wirtschaftlichen Niedergang."
"Problem des Weltfriedens"
Kühn, entschlossen und vor allem auch verbindlich soll die Staatengemeinschaft also auf die globale Ernährungskrise antworten, von deren Folgen sich Ban Ki Moon erst kürzlich bei einem Besuch in Liberia überzeugen konnte: "Menschen, die normalerweise den Reis in Tüten kaufen, kaufen ihn nun in einer Tasse." Nicht sehen konnte er dabei die Millionen, die sich auch eine Hand voll Reis nicht leisten können. Er weiß indessen, dass Volksaufruhr nicht nur Menschenleben kostet, sondern auch mühsame Schritte hin zur Demokratie zunichte machen kann. "Ein Problem der Weltsicherheit und des Weltfriedens" nennt Jean Ziegler, der frühere UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, die Preisexplosion und den deshalb drohenden Hungertod zahlloser Menschen.
Die am Tiber vom UN-Chef zusammengetrommelten Präsidenten, Regierungschefs und Minister haben bis zum Donnerstag Zeit, im Kampf gegen den Hunger und die Preisspirale eine Basis für den G-8-Gipfel im Juli in Japan und die UN-Generalversammlung im September zu bauen. Zur Eröffnung überboten sie sich mit Forderungen nach universellen Antworten auf die globale Krise, auch Papst Benedikt XVI. verlangte in einem Grußwort ein Ende des "inakzeptablen" Leidens. Die Liste der Redner zur Eröffnung war lang, geredet wurde ausgiebig. Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi glaubte deshalb schon, scherzend vor nachlassender Aufmerksamkeit warnen zu müssen. Dabei hat der Kampf gegen den "Skandal" auf dem Gipfel in Rom doch gerade erst begonnen.
Von Carola Frentzen und Hanns-Jochen Kaffsack, dpa
Quelle: ntv.de